Norderstedt. Der Betreiber K-Motion will in Norderstedt ein neues Kino mit sechs Sälen bauen – und aus dem alten Spectrum wird ein Arthouse-Kino.
Ein Ausschuss für Stadtentwicklung und Verkehr kann eine harte Belastungsprobe für einen ehrenamtlichen Politiker oder Verwaltungsmitarbeiter sein, wenn er nach einem langen Arbeitstag im Plenarsaal sitzt und sich ohne Abendessen auf Vorträge über Wohnungsbau, Stickstoffdioxid-Belastungen und Tempo-30-Zonen konzentrieren muss.
Insofern war es ein wenig wie Weihnachten und Ostern zusammen, als am Donnerstagabend plötzlich zwei Herren Redezeit bekamen, die Norderstedt ein schillerndes und aufsehenerregendes Angebot unterbreiteten, der Stadt und der Kommunalpolitik quasi ein glitzerndes Päckchen mit roten Schleifchen drumherum auf den Tisch stellten. Und nun sollte die Stadt einfach nur noch Ja sagen – und schon gehört ihr das Päckchen.
Mathias Kemme und Christoph Gläser hießen die beiden Herren, sie sind die geschäftsführenden Gesellschafter der K-Motion GmbH & Co. KG aus Hamburg, und sie wollen auf dem letzten Filetgrundstück der Stadt, der Wiese neben dem Vitalia Gesundheitszentrum an der Ulzburger Straße, für insgesamt 8,4 Millionen Euro bis 2020 („Am liebsten schon früher!“) ein schickes Kino bauen.
Mit sechs State-of-the-Art-Kinosälen, ausgestattet mit modernster Sound- und Leinwandtechnik, mit 800 Sitzplätzen, die nichts mit den Käsesoße verklebten, engen Stühlen der Konkurrenz zu tun haben, sondern vielmehr Leder bezogene Wohlfühlsessel sind, mit Nackenstütze und Fußablage, quasi die First Class unter den Kinosesseln, dazu noch sogenannte D-Box-Motion-Seats für das 4-D-Erleb-nis, also Stühle, die wackeln, wenn im Film ein Erdbeben wütet oder die Protagonisten auf hoher See in einem Boot schaukeln.
Dazu hat das Kino natürlich ein hübsches Foyer, wo sich die Norderstedter mit Popcorn und Softdrinks eindecken, dazu eine Tiefgarage, in der 80 bis 110 Autos parken können. Außerdem soll ein Saal mit einer Bühne und Präsentationstechnik ausgestattet sein, die sowohl Veranstaltungen, also Live-Acts, Lesungen und Kabarett, als auch Firmenfeiern und ähnliches möglich machen.
Und um dies noch alles zu toppen, versprechen Gläser und Kemme am Donnerstag, dass sie mit dem neuen Kino nicht das alte, ebenfalls von ihnen betriebene Spectrum-Kino an der Rathausallee ersetzen wollen. „Das Spectrum soll weiterbestehen als ein echtes Arthouse-Kino, ein Spielort für den besonderen Film“, sagt Kemme, und sein Partner Gläser beschreibt, warum der Neubau und das Spectrum in einer 80.000-Einwohner-Stadt gebraucht werden.
„Drei-Säle-Kinos sind für Filmverleiher so ziemlich das Unattraktivste – danach kommt nur noch das private Ein-Saal-Kino.“ Die Verleiher wollten eben 700 Film-Neustarts im Jahr loskriegen. Haben kleine Kino dazu nicht die Kapazität, bekommen sie die Kopien von aktuellen Kassenschlagern eben erst zwei Wochen nach allen großen Standorten. „Doch dann wollen viele den Film schon nicht mehr sehen. Und andersherum können wir viele besondere Filme nicht zeigen, weil das Mainstream-Kino zu viel Platz beansprucht. Diese Situation ist der Tod für die kleinen und mittleren Kinos in Deutschland“, sagt Gläser.
Das Spectrum sei mit 140.000 Besuchern allerdings unter den Top Drei der 14 Kinos, die K-Motion in Deutschland betreibt und mit denen insgesamt ein Umsatz von 20 Millionen Euro erwirtschaftet werde. „Das Potenzial in Norderstedt und Umgebung liegt bei etwa 230.000 Besuchern jährlich“, sagt Kemme. Genug Publikum für beide Kinos. Und für Blockbuster, aber auch besondere Filme, Opern-live-Übertragungen aus der New Yorker Met, Dokumentarfilmfestivals und andere High-lights müsse der Norderstedter nicht mehr nach Hamburg fahren. „Das ist schon eine kleine Kino-Revolution für Norderstedt“, sagte Gläser zum Abschluss der Präsentation.
„Nun müssen Sie entscheiden, ob wir eine hochwertige Fläche im Zentrum der Stadt für Popcorn-Kino hergeben wollen. Ich möchte gerne eine Tendenz von den Parteien haben, ob sich die Verwaltung und die Investoren weiter mit der Idee befassen sollten oder nicht“, sagte Baudezernent Thomas Bosse an die Kommunalpolitik gerichtet. Die hatte sich über die Nutzung der Fläche in den vergangenen Monaten öfters auseinandergesetzt. Ein großer Supermarkt, ein bedeutender Arbeitgeber oder Büros und bezahlbare Wohnungen – das waren so die diskutierten Ideen. Sie alle verblassen nun im schillernden Glanz des Kino-Projektes. Peter Holle (CDU) sprach von einer Bereicherung für Norderstedt, die genau dort in die Mitte der Stadt gehöre. Gabriele Heyer (FDP) nannte die Idee „gut vorstellbar“, und Joachim Welk (WiN) schien begeistert vom „Eye-Catcher“ und wollte gleich wissen, ob die Herren Kemme und Gläser auch Open-Air-Kino auf dem Rathausmarkt machen könnten (was die Herren bejahten). Ein wenig den Spielverderber gab hingegen Detlev Grube (Grüne), der das Kino zwar als unbestritten große kulturelle Bereicherung für die Stadt sieht, aber doch daran erinnerte, dass es auf der „wertvollsten Fläche der Stadt“ mit wichtigen anderen Nutzungen konkurriere. „Außerdem muss man über das Verkehrskonzept diskutieren und die Tiefgarage.“ Dem schloss sich Norbert Pranzas (Linke) an, und Nicolai Steinhau-Kühl (SPD) wollte weder Ja noch Nein zu dem „spannenden Projekt“ sagen, ehe nicht die Fraktion beraten habe. Kemme und Gläser sagten zu, gerne jede Fraktion abzuklappern, um die Präsentation zu wiederholen. Fazit: Die Chancen für das Kino stehen gut.