Norderstedt. Norderstedts OB Hans-Joachim Grote könnte das Ressort Inneres in der Jamaika-Koalition leiten – viele Zeichen deuten darauf hin.
Die Wahrscheinlichkeit, dass Norderstedts Oberbürgermeister Hans-Joachim Grote doch Minister der neuen schleswig-holsteinischen Landesregierung wird, steigt. Zwischenzeitlich schien er aus dem Rennen zu sein, da er als Innenminister gehandelt wurde, das Amt aber ursprünglich für Landtagspräsident Klaus Schlie reserviert war. Doch nun hat die CDU-Landtagsfraktion entschieden, dass der 63-Jährige weitere fünf Jahre Präsident des Landtags bleiben soll. Damit hat sich die Situation gegenüber dem Wahltag verändert. Nun wäre der Weg frei für einen künftigen Innenminister Grote, der als Favorit für das Amt gehandelt wird.
Eine offizielle Bestätigung dafür gibt es nicht. Die CDU schweigt und verweist auf den 13. Juni – an diesem Tag soll der Koalitionsvertrag stehen. Es sei abgesprochen, vorher über Personalfragen nicht zu sprechen. „Haben sie bitte Verständnis dafür, dass ich mich daran halte“, sagt auch Grote.
Doch mehrere Indizien deuten darauf hin, dass Grote vom Chefsessel im Norderstedter Rathaus nach Kiel wechseln könnte. Er gehörte zum Schattenkabinett von Wahlsieger Daniel Günther, damals noch als Verantwortlicher für Kommunales, Metropolregion und Digitalisierung. Zu der Zeit galt Schlie als möglicher künftiger Innenminister, doch der ist nun aus dem Rennen.
Grote leitet die Arbeitsgruppe Inneres und Recht
Zudem leitet Grote in den Koalitionsverhandlungen mit Grünen und FDP die CDU-Arbeitsgruppe Innen und Recht, wie der Sprecher der Nord-CDU, Dirk Hundertmark, bestätigte. Damit kommt Grote eine herausragende Funktion zu, die inhaltlich auf eine Übernahme des Fachministeriums hindeutet. Zumal die CDU ihm die Aufgabe übertragen hat und weder der langjährigen CDU-Landtagsabgeordneten Barbara Ostmeier aus dem Kreis Pinneberg, Volljuristin und als Justizministerin gehandelt, noch Petra Nicolaisen, innenpolitische Sprecherin der CDU-Landtagsfraktion. Beide Politikerinnen erarbeiten unter Grotes Führung die Leitlinien für die künftige Innen- und Rechtspolitik der CDU.
Norderstedts Verwaltungschef ist ausgewiesener Kenner der kommunalen Szene. Als „Mann der Basis“ weiß er um die Sorgen und Wünsche der Städte und Gemeinden – und das nicht nur aus Norderstedter Sicht: Als Vize-Präsident des Städtetages und als Präsident des Deutschen Bibliothekenverbandes wird seine Stimme auch in der Bundespolitik gehört, den Städteverband Schleswig-Holstein führt der 62-Jährige als Vorsitzender an. „16 Jahre lang sitze ich als Vertreter der Städte und Kommunen auf der einen Seite des Tisches. Schon spannend, jetzt mal auf die andere Seite zu wechseln – dorthin, wo gestaltet und entschieden wird“, sagte Grote, als ihn Günther in seinem Schattenkabinett präsentierte. Auf die Frage seiner Frau, ob er sich noch mal einer Herausforderung als Minister stellen will, antwortete er mit einem klaren Ja.
Seine dreiköpfige Arbeitsgruppe hat noch bis zum 10. Juni Zeit, Ergebnisse vorzulegen. Dann trifft sich die große Koalitionsrunde mit je zwölf Teilnehmern, um diesen Fachbereich abschließend zu behandeln. Norderstedt ist bei den Verhandlungen stark vertreten: Auch Katja Rathje-Hoffmann, Vorsitzende der Orts-CDU, bastelt mit an der Jamaika-Koalition. Die sozialpolitische Sprecherin der CDU-Landtagsfraktion leitet die Arbeitsgruppe Soziales. Nach Höherem strebt die 53-Jährige nicht. Ministerin will sie nicht werden: „Ich möchte meine bisherige Arbeit als Sozialpolitikerin fortsetzen und auch gern stellvertretende Fraktionsvorsitzende bleiben“, sagt die Politikerin.
Auch Norderstedts CDU-Chefin bastelt an der Koalition
„Beim Austausch mit unseren Kollegen von FDP und Grünen haben wir festgestellt, dass es große Übereinstimmungen gibt“, sagt Rathje-Hoffman. Ein Schwerpunkt der möglichen künftigen Landesregierung werde der Kita-Bereich sein. Die Koalitionäre wollen die Qualität der Betreuung verbessern und die Eltern bei den Gebühren entlasten. Für ihre Arbeitsgruppe ist morgen der große Tag, wenn die Themen Bildung und Soziales in großer Runde diskutiert werden.
Geht Grote nach Kiel, müssten die Bürger in Norderstedt einen neuen Oberbürgermeister wählen. Bis dahin würde Grotes Vertreter, Baudezernent Thomas Bosse, als Erster Stadtrat die Verwaltung kommissarisch leiten. So weit in die Zukunft guckt die CDU in Norderstedt noch nicht: „Ich weiß ja gar nicht, ob sich unser Oberbürgermeister diesen Stress in seinem Alter wirklich noch antun will“, sagt Fraktionschef Gert Leiteritz. Er würde „seinen“ Verwaltungschef gern in Norderstedt behalten: „Er ist gut für Norderstedt, würde aber natürlich auch dem Land guttun.“ Ortsvorsitzende Rathje-Hoffmann stellt lapidar fest: „Wir werden zu geeigneter Zeit geeignete Kandidaten präsentieren.“
Die SPD in Norderstedt macht sich durchaus Gedanken über die Grote-Nachfolge, bisher aber ganz informell: „Wir sprechen mal drüber. Bevor wir uns offiziell mit dem Thema beschäftigen, wollen wir erst mal abwarten, ob es wirklich zur Jamaika-Koalition kommt“, sagt die Ortsvorsitzende Katrin Fedrowitz. In jedem Fall will die SPD den Chefsessel im Rathaus wieder zurückerobern.