Norderstedt/Wahlstedt. Polizei und Verfassungsschutz bestätigen Freundschaften und gemeinsame wirtschaftliche Interessen von Neonazis und Motorradgangs.

Es war ein Treffen von martialisch auftretenden Männern: Die meisten fuhren auf schweren Motorrädern vor, fast alle trugen Lederjacken, viele hatten sich den Kopf kahl geschoren. Am Wochenende haben sich, wie berichtet, in Wahlstedt Mitglieder Rockergruppe Bandidos und der rechtsradikalen Szene Norddeutschlands getroffen. Jetzt analysieren Sicherheitsbehörden die Veranstaltung im Clubheim. Sicher scheint: Die Szenen sind enger verflochten als bislang vermutet.

„Wir müssen jetzt prüfen, welche Verknüpfungen es gibt“, sagte ein hochrangiger Polizeibeamter. Bislang ist nicht einmal bekannt, wie sich die Teilnehmer für das Treffen im Clubheim des „Bandido MC Northgate“ verabredet haben, bei dem zwei rechtsradikale Bands in dem Clubheim auftraten.

Die Polizei war offensichtlich überrascht, als sich die etwa 80 Männer in Wahlstedt trafen. Zwar standen 50 Beamte und ein Spezialeinsatzkommando in der Region bereit, weil bekannt war, dass ein Konzert geplant war. Die Polizisten vermuteten jedoch einen Treffpunkt im Lübecker Raum. Als die Einsatzkräfte in Wahlstedt eintrafen, war die Anreise bereits im vollen Gang. Bandidos mit Ortskenntnissen nahmen Teilnehmer an Treffpunkten an der Autobahn 21 und an der Bundesstraße 206 in Empfang und begleiteten sie zum Clubheim. Bei Kontrollen fand die Polizei einen Badeballschläger und ein Einhandmesser. „Ansonsten verlief die Veranstaltung ruhig“, hieß es bei der Polizei.

Den Rechten fehlt ein Treffpunkt für Konzerte

Unklar ist bislang auch, ob sich das Bandidos-Domizil als Treffpunkt etablieren könnte. Nach Angaben des Verfassungsschutzes fehlt den Rechten in Schleswig-Holstein ein Treffpunkt. Daher weichen viele ins Thing-Haus in Grevesmühlen aus, in dem regelmäßig rechtsextreme Band auftreten. Wahlstedt könnte der Szene eine Alternative bieten: Im Clubheim haben die Bandidos das Hausrecht, Teilnehmer von Veranstaltungen dürften sich dort sicher fühlen. „Wir werden das sehr genau beobachten“, sagte der Beamte.

Die Angels Rockbar in Norderstedt gehört zu den Treffpunkten der Hells Angels, kann aber auch für Familienfeiern gebucht
Die Angels Rockbar in Norderstedt gehört zu den Treffpunkten der Hells Angels, kann aber auch für Familienfeiern gebucht © HA | Wolfgang Klietz

Dass es bei den gemeinsamen Veranstaltungen nur um die Musik geht, glauben Beobachter aus der linke Szene nicht. Sie vermuten, dass Neonazis und Rocker sich enger vernetzen wollen.

Wie gefährliche die Vernetzung zwischen organisierter Kriminalität und politischem Extremismus sein kann, hat vor wenigen Jahren das Beispiel des 1973 geborenen Peter B. gezeigt, der zehn Jahre seine Lebens im Gefängnis verbracht hat.

Der bekennende Rechtsextremist war 2009 im sogenannten Küstenkrieg zwischen den verfeindeten Bandidos und den Hells Angels einer der Hauptakteure auf Seiten der Bandidos. Bei den Auseinandersetzungen zwischen den Gruppen wurden mehrere Rocker schwer verletzt. Das Innenministerium verkündete eine Null-Toleranz-Strategie und gründete beim Landeskriminalamt eine Ermittlungsgruppe, die bis heute besteht.

Derzeit seien dem Landeskriminalamt (LKA) keine Streitigkeiten zwischen rivalisierenden Gruppen bekannt, sagte LKA-Sprecherin Carola Jeschke, Weiterhin stelle die Polizei aber Auseinandersetzungen zwischen einzelnen Mitgliedern fest. Zu Ermittlungen wollte sie sich nicht äußern.

In Norderstedt verhalten sich die Hells Angels unauffällig

Der Verfassungsschutz erkennt zwar keine signifikanten Beziehungen zwischen Rechten und Rockern, bestätigt aber freundschaftliche Verhältnisse und gemeinsame wirtschaftliche Interessen einzelner Personen. Die rechte Szene in Schleswig-Holstein bestehe aus wenigen Kleingruppen, deren Mitglieder vermehrt dem rechts-autonomen Spektrum zugerechnet werden. Diese Gruppierungen gelten als gewalttätig. Im Süden des Landes falle die Szene durch „überdurchschnittliche gute Vernetzungs- und Kontaktstrukturen“ aus, die über das Internet intensiviert werden, hieß es vom Verfassungsschutz.

Hells Angels

Der Rockerclub Hells Angels wurde 1948 in den USA gegründet. Die Mitglieder geben sich gern als Motorradfreunde aus, werden aber von der Polizei der organisierten Kriminalität zugerechnet.

1973 entstand aus den „Bloody Devils“ in Hamburg die erste deutsche Gruppierung der Höllenengel. 20 Jahre später verboten die Behörden die Hamburger Gruppe.

Einen erheblichen Zuwachs verzeichnete die Rockerorganisation 1999, als die Mitglieder des bis dahin größten deutschen Motorradclubs Bones zu den Angels übertraten.

Die Hells Angels werden von Supportern unterstützt.

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Auch die Polizeidirektion Bad Segeberg Mitte beobachtet die Szene. Eine im „Küstenkrieg“ gegründete Aufklärungsgruppe hat bis heute ihren Sitz in Norderstedt. Die Stadt gilt als zweite Rocker-Hochburg im Kreis Segeberg. Die Angels Rockbar an der Ecke Ulzburger Straße/Quickborner Straße gilt als Treff des Charter „Northend“ der Hells Angels. Das LKA bestätigte, dass die Rocker in dem Lokal einen eigenen Clubraum nutzen.

Dass die Norderstedter Rocker bislang unauffällig geblieben sind, hat für die Spezialisten der Polizei einen einfachen Grund. „Bei den Hells Angels haben wir es mit organisierter Kriminalität zu tun“, sagte ein Beamter. „Die wollen ihre Geschäfte in Ruhe abwickeln.“ Norderstedt gilt auch als Rückzugsraum für Hells Angels aus Hamburg. Dort ist die Gruppierung verboten.

Bandidos

Die Bandidos sind nach den Hells Angels die größte Rockervereinigung der Welt. Auch zu ihren Statussymbolen gehören Motorräder der Marke Harley-Davidson und die „Kutten“.

Auf diesen Motorradjacken ist die Clubzugehörigkeit und manchmal auf die Funktion innerhalb der Hierarchie zu erkennen.

Der erste Club wurde 1966 in den USA von Veteranen des Vietnam-Krieges gegründet. Benannt wurde die Vereinigung nach mexikanischen Kriminellen, die nach eigenen Regeln leben.

Die Polizei geht davon aus, dass die Bandidos der organisierten Kriminalität angehören. In einigen Bundesländern werden sie vom Verfassungsschutz beobachtet.

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Dritter Schauplatz der Rockerszene im Kreis Segeberg ist Alveslohe. Seit dem Umzug des Charters „Northend“ der Hells Angels nach Norderstedt sind dort die Red Devils eingezogen. Sie zählen zu den Unterstützern der Höllenengel.

Ganz ungestört von der Polizei können die Hells Angels in Norderstedt ihre Geschäfte jedoch nicht abwickeln. Im April verurteilte das Landgericht Kiel den Präsidenten des Charters „Northend“, Achim S., wegen Drogenhandels zu vier Jahren und sechs Monaten Haft. Der 53-jährige Autohändler soll zwei Kilogramm Kokain verkauft haben. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig.