Kreis Segeberg. Christian Börgert ist einer von 250 Erhebungsbeauftragten, die für das Statistikamt arbeiten – das Abendblatt hat ihn besucht.

Wie viele Stunden arbeiten sie pro Woche? Wie viele davon sind Überstunden? Wie hoch ist ihr Einkommen? Und wie viele Zigaretten rauchen sie eigentlich am Tag? Solche und viele weitere Fragen stellt Christian Börgert in seinem Nebenjob. Der 43-Jährige arbeitet nicht etwa für das Finanzamt, sondern sammelt statistische Daten über die Bevölkerung. Er ist einer von 250 sogenannten Erhebungsbeauftragten des Statistikamtes Nord, die ehrenamtlich jedes Jahr etwa 14.000 Haushalte im nördlichsten Bundesland besuchen.

Mit 214 Fragen erfassen sie, wie Schleswig-Holstein wohnt und arbeitet. Dafür werden jährlich ein Prozent aller Haushalte befragt. Damit ist der Mikrozensus die zweitgrößte repräsentative Haushaltserhebung im Land.

Das jährliche Bild vom Leben in Schleswig-Holstein

Der Zensus erfasst zehn Prozent aller Haushalte, findet aber nur alle zehn Jahre statt. Wer ein jährliches Bild von Deutschland bekommen will, schaut in den Mikrozensus. Und das kann jeder; denn die Ergebnisse werden auf den Seiten der Statistikämter veröffentlicht. „Wirtschaftliche und politische Akteure können den Mikrozensus als Grundlage für Entscheidungen verwenden. Etwa, wenn es um Fragen wie Wohnungsbau oder prekäre Arbeitsbedingungen geht. Aber auch normale Bürger, Wissenschaftler oder Journalisten können die Daten gut nutzen“, sagt Christian Böse, Sprecher des Statistikamtes Nord.

Das weiß auch Christian Börgert. „Man hat das Gefühl, an etwas Größerem mitzuwirken, was für die ganze Gesellschaft eine Bedeutung hat.“ Seit elf Jahren ist er im Kreis Segeberg unterwegs. Der gelernte Industriekaufmann erledigt seine Arbeit mit großer Routine. Alles beginnt mit einer Adressenliste. Die Adressen sind nach einem statistischen Zufallsverfahren so ausgewählt, dass sie einen repräsentativen Schnitt liefern. Treffen kann es jeden.

Er braucht 15 Minuten für den gesamten Fragebogen

© HA | Marvin Graewert

Gewappnet mit seiner Liste fährt Börgert zuerst persönlich zu den Bewohnern und stellt sich vor. Am liebsten führt er die Interviews mit seinem Dienst-Laptop bei den Menschen Zuhause. Er liest die Fragen schnell, aber verständlich vor. Ehe die Antwort komplett gegeben ist, hat er sie schon eingetragen und angefangen, die nächste Frage vorzulesen. „Ich kenne ja mittlerweile die Fragen, auch wenn jedes Jahr kleine Änderungen kommen“, sagt Börgert. Seine Befragungs-Software sortiert alle irrelevanten Fragen aus, etwa wenn es im Haushalt keine Kinder gibt. 15 Minuten braucht Börgert in einem persönlichen Interview für den gesamten Fragebogen.

Zu Hause empfangen muss ihn aber keiner. Man kann die Fragen auch am Telefon oder per Post beantworten. In Papierform ist der Fragenkatalog 70 DIN-A4-Seiten dick. „Es geht wesentlich schneller, wenn man das mit mir zusammen macht.“ Aber Schnelligkeit ist für Börgert nicht alles. Wenn er vor Ort ist, kann er auch die Fragen erklären und den Menschen die Angst nehmen. „Wenn die Worte fehlen, helfe ich gerne aus.“ Gespräche finden aber auch jenseits des Fragenkatalogs statt. „Ich treffe Menschen aller Art, zum Beispiel sehr einsame. Das sind sehr oft ältere Menschen, die sich freuen, mit jemandem reden zu können. In solchen Fällen bleibe ich auch mal länger und trinke eine Tasse Kaffee mit.“

Reden will aber nicht jeder. „Es kommt auch vor, dass Menschen die Befragung verweigern. Die Tür bleibt zu, Anrufe werden ignoriert.“ Ist man einmal ausgewählt, kommt man um den Mikrozensus aber nicht herum; denn es besteht gesetzliche Auskunftspflicht. Wer sich nicht meldet, dem droht ein Zwangsgeld. Wer befragt wird, muss insgesamt vier Jahre lang Auskunft geben. Durch die Wiederholung werden Ergebnisse genauer, eventuelle Veränderungen lassen sich nachvollziehen.

Fragen nach dem Rauchen oder Gewicht gehören dazu

Das Statistikamt braucht Antworten. Auch wenn es manchmal unangenehm werden kann. „Dadurch, dass man Personen mehrmals befragt, bekommt man natürlich vieles mit. Besonders bedrückend wird es, wenn jemand gestorben ist.“ Dann muss Börgert trotzdem fragen – zum Beispiel nach der Waisenrente. Viele der Mikrozensus-Fragen sind sehr persönlich. Börgert fragt nicht nur nach dem Einkommen, sondern etwa auch nach Rauchgewohnheiten und Gewicht. Manche dieser Angaben sind freiwillig, doch alle werden anonymisiert und nur zu statistischen Zwecken verwendet, versichert das Statistikamt.

Beantwortet wird trotzdem meistens alles. „Ich erkläre, dass jede Lücke die Qualität der Daten mindert. Die Verweigerer sind bei mir im einstelligen Prozentbereich.“ Börgert versteht es, Fragen zu erklären und die Wichtigkeit des Mikrozensus zu vermitteln. In seinen elf Jahren als Erhebungsbeauftragter habe er selten Negatives erlebt. „Durch den Job hat sich mein Bild von der Bevölkerung verbessert. Es wird viel schwarzgemalt.“ Besser als Börgert dürfte es kaum jemand wissen. Denn Woche für Woche schaut er in die Wohnzimmer der Segeberger hinein – und sein Laptop speichert alles.