Henstedt-Ulzburg. Die Kulturfördervereinigung Forum bat zum Poetry Slam. Ein spannender und unterhaltsamer Abend. Das Publikum bestimmte den Sieger.

Kurz vor 20 Uhr im Bürgerhaus von Henstedt-Ulzburg. Das Publikum im vollbesetzten Haus wartet auf den Beginn des ersten Poetry Slams in der Großgemeinde. Die Teilnehmer sitzen schon auf den Stühlen neben der Bühne und warten auf ihren Auftritt. Es sind drei Frauen und vier Männer.

Björn Högsdal, der Slam-Master aus Kiel sollte den Abend moderieren, ob er wohl sein bekanntes Schleswig-Holstein-Gedicht vortragen wird? Doch es kommt anders. Jutta Nanninga vom Veranstalter, der Kulturfördervereinigung Forum, betritt die Bühne, begrüßt das Publikum und teilt mit, dass Högsdal leider erkrankt ist.

Michel Kühn, Slam-Meister des Jahres 2015, wird als Moderator in die Bresche springen. Auf seine Frage, wer heute zum ersten Mal einen Poetry Slam erlebt, geben drei Viertel der Anwesenden das Handzeichen. Wie es scheint, hat man in Henstedt-Ulzburg nur auf dieses Ereignis gewartet. Wegen der Premiere wird es aber nötig, die Regeln für den modernen Dichterwettstreit zu erläutern.

Beim Poetry Slam sind alle Genres erlaubt

Erste Vorgabe: In sechs Minuten dürfen die Teilnehmer einen selbst geschriebenen Text vortragen. Alle Genres sind zugelassen: Lyrik, Kurzprosa, Rap oder Comedy - erlaubt ist, was gefällt und beim Publikum am besten ankommt. Die Zuhörer entscheiden, wer gewinnt. Sieben Juroren aus dem Publikum vergeben nach jedem Vortrag Punkte von eins bis zehn. Die beste und die schlechteste Wertung wird jeweils gestrichen, so dass im Höchstfall 50 Punkte erreicht werden können.

Thomas Langkau bekam für seine ungewöhnliche Fortsetzung der Schöpfungsgeschichte 46 Punkte
Thomas Langkau bekam für seine ungewöhnliche Fortsetzung der Schöpfungsgeschichte 46 Punkte © Susanne Nähr | Susanne Nähr

Außer Konkurrenz trägt Michel Kühn einige eigene Werke vor. Poetisch das Gedicht „Von Winter und Hoffnung“, skurrile Betrachtungen zum Thema „Reasozialisierung“. Es folgen die Beiträge der sieben Slammer des Abends. Erste auf der Bühne ist Khaaro aus Hamburg. Sie erinnert sich an die Schulzeit, die klassischen Werke. „Zu Dionys, dem Tyrannen, schlich Damon, den Dolch im Gewande.“ Wer erinnert sich nicht: Die Bürgschaft von Friedrich von Schiller. Aber wie ging das weiter? Khaaro erzählt die Geschichte zwar in Versen, aber im Hip-Hop-Stil. Der Lohn: 36 Punkte.

Ihr folgt Senior-Slammer Uwe Engel aus Ellerau, 79 Jahre alt, seit 17 Jahren dabei. Seine Erkenntnis: „Die Haare werden weißer, das Leben, das wird scheißer.“ Die Geschichte von der ungewöhnlichen Begegnung mit einer Frau im Discountmarkt ist den Juroren 33 Punkte wert. Zara Zerbe aus Kiel hetzt durch ihren Text „für Leute mit Sorgen“. Am Ende steht sie allerdings im Regen und stellt fest: „Das meiste fällt doch vorbei.“ 39 Punkte.

Kai Franzen aus Preetz ist der Politische unter den Slammern. Wenn er anhebt zum Thema „Warum die Politik von Erdogan so gut ist“ und nichts als tiefes Schweigen folgt, bleibt den Zuhörern das Lachen im Halse stecken. Die Juroren honorieren den Polit-Beitrag mit 44 Punkten.

Selina Seemann referiert über ihren Wecker, der eigentlich ein Langschläfer ist und singt eine Hymne auf den Lauch. Ebenfalls 44 Punkte für die Slammerin, die dem Porree verfallen ist.

Senior-Slammer Uwe Engel aus Ellerau, 79 Jahre alt, erhielt 33 Punkte für seinen Vortrag. Michel Kühn (links), Slam-Meister des Jahres 2015 moderierte die Veranstaltung in Henstedt-Ulzburg
Senior-Slammer Uwe Engel aus Ellerau, 79 Jahre alt, erhielt 33 Punkte für seinen Vortrag. Michel Kühn (links), Slam-Meister des Jahres 2015 moderierte die Veranstaltung in Henstedt-Ulzburg © Susanne Nähr | Susanne Nähr

Nach der Pause entern zwei Slammer-Schwergewichte die Bühne. Thomas Langkau, gar nicht bescheiden, spinnt die Schöpfungsgeschichte fort. Am Morgen des achten Tages muss Gott feststellen: „Nee, das war nicht gut“ – und setzt der Schöpfung die Krone auf: den Slammer! Thomas Langkau beherrscht seinen Job. Er geht ans Eingemachte. Die Liebe zum Kind und der „entmenschte“ Mensch sind seine Themen. 46 Punkte gibt es dafür von den Juroren.

Zum Schluss tritt Sebastian Stille auf. Jura-Student aus der Hansestadt Hamburg, selbsternannter Spargeltarzan, der Albtraum eines jeden Vermieters: Klugscheißer und kein Geld. Seine Themen sind nicht weltbewegend, aber Vortrag und Wortwitz (Flammkuchen sind die FDP-Wähler unter den Pizzen) sind genau das, was man vom Poetry Slam erwartet. Der Lohn: 46 Punkte.

Auch im anschließenden Finale liegt Stille vorn. Per Akklamation wird er zum Sieger des Abends gekürt. Wer vielleicht insgeheim befürchtet hatte, beim Poetry Slam in Henstedt-Ulzburg nur auf wortverliebte Plaudertaschen zu treffen, wird eines Besseren belehrt. Alle waren gut, einer aber eben ein kleines bisschen besser: Sebastian Stille.

Und vielleicht gibt es eines Tages einen zweiten Poetry Slam in der Großgemeinde Henstedt-Ulzburg – und man lernt Slam-Master Björn Högsdal doch noch kennen.