Norderstedt . Zwei Jahre lang war die Stadt Modellkommune für E-Government. Nun soll die Online-Strategie fortgeführt werden
Kein Mensch braucht das: Das Sitzen in mehr oder weniger belüfteten Wartebereichen in Behörden und Ämtern. Nirgendwo sonst denken Menschen mehr über vertane Lebenzeit nach als in dieser Situation.
Norderstedt hat das schon abgeschafft – zumindest für all jene Bürger, die in der Behördenrealität 2.0 angekommen sind. In Norderstedt kann man die Wartenummer online ziehen und bekommt auf dem Smartphone angezeigt, wie lange es noch dauert, ehe man drankommt. So lange kann man einkaufen gehen oder in die Bücherei oder spazieren an der frischen Luft.
Die Digitalisierung der Kommune Norderstedt ist so weit fortgeschritten, wie in keiner anderen im Land Schleswig-Holstein. Norderstedt war jetzt zwei Jahre lang Modellkommune für E-Government in einem Projekt des Bundesministeriums des Inneren. Norderstedt sollte mit sieben anderen Verwaltungen in Deutschland ausloten, was an digitaler Verwaltung machbar ist und was es braucht, um sie bürgerfreundlich umzusetzen.
Nun ist die Projektzeit abgelaufen, Norderstedt bietet etliche digitale Dienstleistungen für seine Bürger (siehe Artikel rechts). Aber Norbert Weißenfels, EDV-Leiter im Norderstedter Rathaus, will mehr, möchte weiterbauen am digitalen Rathaus und will vor allem die gerade liebgewonnene digitale Familie nicht mehr missen, bestehend aus gleichgesinnten Verwaltungsleuten aus eben jenen deutschen Modellkommunen des Bundes-Projektes E-Government. Ende Januar hat Weißenfels sie alle nach Norderstedt eingeladen. In einem Barcamp – ein aufregender Workshop, bei dem ohne Vorgaben ergebnisoffen diskutiert und „gesponnen“ werden darf – bilanzierten die digitalen Verwaltungsfachleute Tücken und Chancen künftiger Digitalisierungsprozesse. Datenschutz als Bremse der Entwicklung, Umgang mit sozialen Netzwerken, die Verknüpfung aller digitalen Verwaltungsdienstleistungen in Deutschland und – last but not least – die durch Digitalisierung entstehende Angst der Verwaltungsmitarbeiter vor dem Arbeitsplatzverlust wurden leidenschaftlich ausdiskutiert.
Weniger leidenschaftlich ist der Norderstedter Bürger in der Nutzung des digitalen Verwaltungsangebotes. Es seien zwischen zehn und 50 Nutzer pro digitalem Angebot sagt Weißenfels, also insgesamt eine Zahl zwischen 150 und 750 Nutzern pro Monat – das ist ausbaufähig. „Wir müssen unsere Angebote besser kommunizieren“, sagt Weißenfels. Die Internet-Seite der Stadt befinde sich gerade im Relaunch, sie soll bürgerfreundlicher werden. Und natürlich müssen weitere Digital-Dienstleistungen dazukommen. Weißenfels nennt als ein Ziel in diesem Jahr, die Kita-Anmeldungen für Familien online zur Verfügung zu stellen. Das W-LAN im Rathaus und insgesamt in der Stadt soll in Zusammenarbeit mit den Stadtwerken weiter ausgebaut werden. Die Aktenbestände des Rathauses werden Blatt um Blatt digitalisiert. „Dazu haben wir eine Kooperation mit den Norderstedter Werkstätten“, sagt Weißenfels. „Die holen die Heftzwecken aus den Papieren und machen sie so bereit zum Einscannen durch eine Fachfirma. Danach wird alles Papier vernichtet.“ Auch die Wirtschaft soll ihren Platz in der digitalen Stadtverwaltung haben. Ein Wirtschaftsportal ist geplant. Außerdem will die Stadt zunehmend in den sozialen Netzwerken aktiv werden und auch dort für ihre Angebote werben.
Bei der Digitalisierung der Norderstedter Schulen prüft die Stadt, ob der zentral gesteuerte Ansatz den Ausbau beschleunigen könnte. In einer Grundschule und zwei bis drei weiterführenden Schulen sollen bis Ende 2017 Pilotprojekte starten. Die Schulen werden mit W-LAN und einigen Tablet-Computern ausgestattet. „Ziel ist es auch, eine einheitliche Lernsoftware einzuführen“, sagt Weißenfels. „Das soll später als Blaupause für alle Schulen dienen.“ Grundsätzlich sei die Anschaffung von Geräten für alle Schüler natürlich zu teuer. Weißenfels: „Bring your own device – jeder besitzt heute doch irgendein W-LAN-fähiges Gerät, das an der Schule verwendet werden kann.“
Die weitaus meisten Nutzer des Online-Angebotes der Stadt wurden übrigens bei den Wahlen verzeichnet. Mehr als 2000 haben bei der Bürgermeisterwahl im vergangenen Jahr Briefwahlunterlagen online bestellt. Im Wahljahr 2017 werden es sicher mehr.