Eekholt. Weil die alte Wölfin Lena gestorben ist, besteht nun die Chance, dass in Eekholt ein neues Rudel gegründet werden kann
Janosch und Alexander sind Brüder, jeweils fünf Jahre alt, sie leben zusammen. Die Gründung einer Familie spielte in ihrem Alltag bisher keine Rolle. Wird es aber, denn in absehbarer Zukunft bekommen sie Gesellschaft. Mascha heißt die Auserwählte, Janosch und Alexander wissen von ihr, sie war schon einmal bei ihnen, musste dann aber ausziehen, weil sie sich nicht mehr mit Lena verstand. Lena war die Adoptivmutter der drei, sie hatte das Sagen, war neun Jahre älter, aber ohne eigenen Nachwuchs. Mascha lebte für einige Monate alleine in direkter Nachbarschaft, sie konnte die früheren Mitbewohner sogar hören und riechen. Ihre Einsamkeit hatte zum Glück ein Ende, als sich Knickohr zu ihr gesellte. Der hatte seinen Namen einst aufgrund seiner ungewöhnlichen Ohren erhalten, er ist mittlerweile 13 Jahre alt und ein sehr umgänglicher Charakter, der es früher nicht leicht hatte. Er und Mascha passen gut zusammen, doch auch sie sind nicht füreinander bestimmt – und Mascha nimmt sowieso die „Pille“.
Leider ist Lena kürzlich verstorben. Sie war nicht krank, sie schlief einfach ein. Für Mascha bedeutet das: Sie kann wieder zurück zu Janosch und Alexander und mit einem der beiden eine Partnerschaft eingehen. Knickohr würde sich mit ihnen aber nicht verstehen, soll aber nicht zurückbleiben. Deswegen muss Mascha warten, bis Knickohr stirbt.
Das ist der aktuelle Stand in Sachen Familienplanung bei den Wölfen im Wildpark Eekholt. Der Tod von Lena im vergangenen November hat große Auswirkungen auf das soziale Gefüge in den beiden Gehegen. „Wir wollen, dass sich Mascha mit Janosch oder Alexander paart“, sagt Wildpark-Geschäftsführer Wolf von Schenck. Er ist ein bundesweit angesehener Fachmann für alle Themen rund um das größte Raubtier aus der biologischen Familie der Hunde. Auch die Familienplanung der Wölfe in Eekholt hat er genau im Blick.
Janosch und Alexander kamen vor fünf Jahren aus einem Tierpark in Gotha in den Norden, Mascha ebenfalls im Jahr 2012 aus Schloß Talbach in Oberfranken. Knickohr ist ein Rüde aus einem früheren Rudel in einem Osnabrücker Zoo. Dort stand er in der Hierarchie unten, seine charakteristischen Ohren sind vermutlich Folge von Kämpfen. „Bei uns hat Knickohr sein Glück gefunden. Es geht ihm gut, er muss sich nicht ständig behaupten“, sagt von Schenck.
Also wird die Zucht nicht forciert. Grundsätzlich steht die Absicht, ein neues Rudel zu bilden. „Lena wurde hier geboren, ihre Eltern wurden hier geboren, die erste Generation kam im Jahr 1990 von der Universität in Kiel, die damals ein Gehege für Verhaltensforschung hatte“, betont Wolf von Schenck. Jetzt sei der Stammbaum zu Ende, und ein neuer Zyklus solle beginnen.
Sofern Mascha mit einem der Rüden zusammenkommt und tatsächlich auch schwanger wird, könnte die Wolfsfamilie binnen weniger Monate deutlich größer sein – ein Wurf besteht aus bis zu zehn Jungen. Kein Problem für Eekholt, sagt der Geschäftsführer. „Von der Anlage her wäre der Wildpark groß genug. Aber wir gehen nicht nach gesetzlichen Vorgaben, es geht nicht um ,je mehr Wölfe, desto besser’. Wichtig ist uns vor allem, dass es dem Rudel bei uns gut geht.“ Zwischen 11.000 und 12.000 Quadratmeter stünden den Wölfen zur Verfügung, zuletzt wurde die Anlage 2003 nach den Zoorichtlinien der Europäischen Union geprüft. Die Mindeststandards sind geringer: gerade einmal 100 Quadratmeter für ein Wolfspaar, jeweils zehn Quadratmeter für jedes weitere erwachsene Tier.
Experten aus Norwegen waren zu Besuch in Eekholt
Die Bedingungen in Eekholt fanden 2016 sogar international Anklang. Auf Einladung des schleswig-holsteinischen Europaministeriums – dieses gehört zum selben Ressort wie die Bereiche Justiz und Kultur – besuchte deshalb vor einigen Monaten eine Fachdelegation aus Norwegen den Wildpark. „Dieser Blick über den Tellerrand war für alle sehr interessant“, sagt Wolf von Schenck, „auch wir haben eine Menge erfahren über Herausforderungen und Sichtweisen in Norwegen. Beispielsweise gilt es, in Norwegen sowohl die Wölfe als auch die letzten freilebenden Rentiere zu schützen.“
Und noch etwas Neues haben von Schenck und Co. im Wildpark eingeführt: Menschen, die sich das Jawort geben wollen, haben die Möglichkeit, sich zwar nicht im, aber am Gehege trauen zu lassen. Im Vorjahr fand tatsächlich erstmals im Wolfsinfohaus eine standesamtliche Hochzeit statt. Für 2017 sind sieben weitere Termine gebucht.