Norderstedt. Im Mai 2015 hatte die Norderstedterin einen schweren Unfall. Ärzte machten ihr wenig Hoffnung, ihr Hobby weiter ausführen zu können.

Am 9. Mai 2015 änderte sich Maria Richters Leben von einer Sekunde auf die andere: Sie verunglückte mit ihrem Opel Corsa mitten in Norderstedt. Zurück blieben ein Trümmerhaufen und eine junge Frau, deren Träume beendet schienen. Sie hatte eine Tanzkarriere angestrebt, stattdessen wachte sie im Krankenhaus auf: Lebensgefährliche Verletzungen, mehrere Brüche der Kniescheibe – das Leben als Tänzerin schien beendet, bevor es richtig begonnen hatte. Die Ärzte machten ihr keine Hoffnungen: Zwar würde sie mit dem Leben davon kommen, aber ans Tanzen sei nicht mehr zu denken. 18 Monate später sieht die Welt der 21 Jahre alten Norderstedterin ganz anders aus: Sie ist zusammen mit ihrem Partner ein gefeierter Star. In Wien wurden sie gerade Vizeweltmeisterin der Profitänzer, Auftritte in der ganzen Welt, Anfragen von internationalen Agenturen – Maria hat ihr Leben innerhalb weniger Monate völlig auf den Kopf gestellt.

So sah das Auto von Maria Richter nach dem Unfall im Mai 2015 aus. Sie erlitt lebensgefährliche Verletzungen
So sah das Auto von Maria Richter nach dem Unfall im Mai 2015 aus. Sie erlitt lebensgefährliche Verletzungen © HA | Anna Richter

Sie kann es selbst kaum glauben, wie das alles gekommen ist. Klar, Tänzerin wollte Maria Richter schon seit ihrem sechsten Lebensjahr werden. Vor zehn Jahren nahm das Hamburger Abendblatt erstmals Notiz von ihr. Damals war sie beim 1. SC Norderstedt aktiv. Trainer Roberto Albanese erkannte ihr außergewöhnliches Talent und nahm sie mit zum renommierten Grün-Gold-Club Bremen, wo sie mit dem Italiener Michele Cantanna (28) vor drei Jahren einen kongenialen Partner fand. Das Paar ergänzte sich großartig und konnte schnell erste Erfolge feiern. Roberto Albanese blieb ihr Trainer. Die Tanzwelt stand Maria und Michele offen, aber dann kam es zu dem folgenschweren Autounfall. Es war nicht das erste Mal, dass Maria zurückgeworfen wurde. Eine schwere Krankheit ließ sie und ihre Eltern vor einigen Jahren verzweifeln. Aber damals und auch jetzt kämpfte sie sich wieder zurück ins Leben. „Mein Glaube hat mir geholfen, diese Zeit zu überstehen“, sagt Maria Richter. „Viele Menschen haben für mich gebetet.“

Nach dem Unfall meldete sie sich überall ab und dachte nicht mehr an eine Tanzkarriere. Wenn sie Mühe hatte, überhaupt ein paar Schritte zu gehen, wie hätte sie dann Gedanken an eine Tanzkarriere verschwenden können? Michele begann mit einer anderen Tänzerin zu trainieren und wurde bundesweit bekannt, als er es als Solotänzer bis ins Finale der TV-Casting-Show „Got to dance“ schaffte.

Es war schließlich Trainer Roberto Albanese, der ihr vorsichtig klar machte, dass Tanzen ein Teil von Maria war und wahrscheinlich immer bleiben würde.

Ganz vorsichtig tastete sich die Norderstedterin zurück ins Leben. Zunächst ging es darum, überhaupt wieder richtig gehen zu können, danach kamen die ersten Tanzversuche. Auch heute verspürt Maria Richter noch Schmerzen, wenn sie sich zu sehr anstrengt. Aber sie beißt die Zähne zusammen und absolviert ein anstrengendes Trainingsprogramm. Fünfmal in der Woche trainiert sie jeweils zwei bis vier Stunden in Bremen, in Norderstedt läuft sie eisern ihre Runden. „Das muss sein, um weiterzukommen.“

Maria Richter (21) trainiert an fünf Tagen in der Woche. Nach einem schweren Autounfall hatten die Ärzte das Ende ihrer Karriere prophezeit
Maria Richter (21) trainiert an fünf Tagen in der Woche. Nach einem schweren Autounfall hatten die Ärzte das Ende ihrer Karriere prophezeit © HA | Frabk Knittermeier

Die Erfolge der jüngsten Zeit haben gezeigt, dass es eine gute Entscheidung war, wieder mit dem Leistungssport zu beginnen. In diesem Jahr sind Michele und Maria, die sich beide als „beste Freunde“ betrachten und im wirklichen Leben kein Paar sind, in die Profi-Klasse gewechselt und belegten bei den Deutschen Meisterschaften im Showdance Latein gleich den dritten Platz. Es folgten Turniere in den USA, in Frankreich, Italien – und dann die Weltmeisterschaft im Multiversum Schwechat in Wien. War schon die Qualifikation des Bremen/Norderstedter Paares eine kleine Sensation in Fachkreisen, so war es das Ergebnis noch viel mehr.

„Die anderen Paare hatten bis zu einem Jahr Vorbereitungszeit, wir konnten nur vier Wochen trainieren“, erzählt Maria, die mit Partner Michele eine „Super-Mario-Kür“ hinlegte und damit begeisterte. Unterstützt wurden sie dabei von Trainer Roberto Albanese und seiner Frau Uta. Zwar hatten sie gegen Österreichs Vorzeigepaar im Showdance, Vadim Garbuzov und Kathrin Menzinger, keine Siegchancen, aber der zweite Platz überraschte die Fachwelt. Als letztes und mit Abstand jüngstes Paar im Finale schafften es Maria und Partner Michele mit einem Wertungsergebnis von 40,070 Punkten in die Nähe der österreichischen Titelverteidiger zu kommen. „Wir waren die einzigen, die eine lustige Kür getanzt haben“, sagt Maria. „Vielleicht waren wir auch deshalb so erfolgreich. Ich habe vor Freude geweint.“

Wenn Maria Richter am Esstisch in der Küche ihres Elternhauses an der Glockenheide sitzt und aus ihrem Leben erzählt, mag man es kaum glauben, dass diese zarte junge Frau noch vor einigen Monaten völlig am Boden zerstört war und nicht einmal richtig gehen konnte. Sie weiß selbst, dass es nicht selbstverständlich ist, was sie erlebt hat. Und sie hat erkannt, wie schnell ein Traum zerplatzen kann. Deshalb will sie zwar weiter tanzen und damit Geld verdienen, aber es soll nicht der einzige Beruf bleiben. „Seit dem Unfall weiß ich, dass man auch andere Wege gehen kann.“ Im kommenden Sommer beginnt sie deshalb eine Ausbildung als Immobilienkauffrau.

Bis dahin hat sie „knallvolle Wochen“ mit Turnieren und Showauftritten in aller Welt. Das Angebot, auf einem Kreuzfahrtschiff das Showprogramm zu bestreiten, musste Maria, die auch für die geschäftliche Seite des Tanzpaares zuständig ist, absagen. „Das passte leider nicht mehr in den Terminkalender.“

Michele muss sich übrigens keine Sorgen machen, dass ihm seine Tanzpartnerin während der Ausbildungszeit abhanden kommt. Maria Richter wird weiter trainieren. Allerdings etwas mehr auf Sparflamme.