Norderstedt. Ausbildung statt Behindertenwerkstatt: Modellprojekt am Berufsbildungszentrum Norderstedt unterstützt Förderschüler aus der Region.

Ihr Schicksal war jahrzehntelang klar vorgezeichnet: Förderschule und anschließend in die Behindertenwerkstatt. Doch mit dieser beruflichen Einbahnstraße konnte er seinen insgesamt 108 Förderschülern an der Schule am Hasenstieg in Norderstedt längst nicht mehr gerecht geworden, sagt Schulleiter Sebastian Büscher. Zu unterschiedlich seien die Handicaps der jungen Menschen, zu gering die Fördermöglichkeiten für ihre ganz individuellen Talente und Fähigkeiten. Das müsse sich ändern, dachte sich der Pädagoge.

Und so entwickelte das Norderstedter Förderzentrum in Kooperation mit dem Berufsbildungszentrum des Kreises Segeberg in Norderstedt (BBZ) ein neues Modellprojekt, das jetzt im zweiten Jahr „absolut erfolgreich“ laufe, wie Projektleiterin Petra Abdel Kader bilanziert. Mit dem landesweiten Pilotprojekt, das Inklusive Berufsorientierung (IBO) genannt wird, „profitieren wir, die Kinder und die Gesellschaft gleichermaßen“.

Schüler sollen selbstständiges Leben führen können

Denn durch die gemeinsame Beschulung von geistig behinderten und nicht behinderten Berufsschülern werde die Behindertenrechtskonvention der Vereinten Nationen, die Deutschland im Jahr 2009 ratifiziert hat, umgesetzt. Jetzt hätten die behinderten Schüler plötzlich eine Perspektive, zukünftig ein weitgehend selbstständiges Leben zu führen und ihren Berufsweg selbst zu wählen, erläutert die Förderschullehrerin am BBZ.

Dies gelinge, indem die behinderten Schüler im Unterricht lebenspraktische Lerninhalte vermittelt bekämen: Fahren mit dem öffentlichen Nahverkehr gehört ebenso dazu, wie die selbstständige Wohnungs- und Jobsuche. Hinzu kommen die vielfältigen Möglichkeiten der praxisnahen Berufsausbildung, die das Berufsbildungszentrum in seiner Lehrküche, der Kfz- und Metallwerkstatt bietet.

Darüber hinaus sind die Schülerinnen und Schüler aufgefordert, genau wie ihre weniger gehandicapten Mitschüler, Berufspraktika bei Ausbildungsbetrieben, die die Norderstedter Berufsschule ihnen vermitteln kann, zu absolvieren.

Und dieses Zusammenspiel klappt sehr gut, wie die elf Schülerinnen im aktuellen IBO-Projekt berichten. So möchte die 15-jährige Kalunga Lukebakio aus Norderstedt gerne Altenpflegerin werden, weil sie gemerkt habe, „wie gut ich mit den alten Menschen klarkomme“, sagt sie.

Ihre Mitschülerin Fabienne Kärlin, die auch in Norderstedt wohnt, lernt jetzt Hauswirtschafterin und hat ein Praktikum beim SOS-Kinderdorf Harksheide absolviert, „weil ich so gerne mit Kindern zu tun habe“.

Und Pascal Spietczak aus Henstedt-Ulzburg hat in einer Autowerkstatt hospitiert und strebt nun den Beruf des Kfz-Mechanikers an.

All diese beruflichen Perspektiven wären ohne das Norderstedter Modellprojekt nicht möglich gewesen, betont Annett Rohwer von der Eingliederungshilfe des Kreises Segeberg. „Auf diese Weise erleichtern wir den Schülern den Übergang von der Schule in den Beruf, bahnen ihnen Weg in den ersten Arbeitsmarkt. Da hat sich gesellschaftlich einiges entwickelt.“