Norderstedt . Bei der Fundsachenversteigerung der Stadt Norderstedt kommen Dinge unter den Hammer, die Bürger der Stadt verloren haben.

Im Keller des Norderstedter Rathauses stehen am Mittwoch Menschen, denen 100- und 50-Euro-Scheine aus den Hosentaschen fallen, wenn sie darin nach 10- oder 20-Euro-Scheinen kramen. Menschen also, die auf das wahre Bare stehen, es immer dabei haben und – wenn sie es nicht lose in der Tasche knüllen – gerollt mit Gummiband fixieren oder gefaltet zwischen Klammern stecken.

Die regelmäßige Versteigerung von Fundsachen der Stadtverwaltung lockt sie an, die Gebrauchtwaren-Händler der Region, die mit allem Geld machen, was sie günstig kaufen und teurer verkaufen können. Am Mittwoch stehen an die 200 Leute dicht an dicht gedrängt hinter den Absperrbändern, die Andreas Finster vor dem Podest spannen ließ, auf dem er gleich als Auktionator in Aktion treten wird. Finster ist eigentlich Ordnungsbeamter. Aber den Job als Leiter der Versteigerung macht er ausgesprochen gerne. „Ich werde Ihnen gleich Mindestgebote bei den Artikeln nennen“, wendet er sich an die Menge der Bieter. „Sie können mir Ihre Gebote nennen, schreien Sie mich gerne an, verschaffen Sie sich Gehör! Den Zuschlag erhält das höchste Gebot nach dem dritten Aufruf!“

Die Smartphones und Handys werden von den Bietern untersucht: iPhone, Samsung oder Huawai? Kaputt oder intakt?
Die Smartphones und Handys werden von den Bietern untersucht: iPhone, Samsung oder Huawai? Kaputt oder intakt? © HA | Andreas Burgmayer

46 Positionen befinden sich heute auf Finsters Liste – alles Dinge, die nach der gesetzlichen Aufbewahrungsfrist von sechs Monaten nicht vom eigentlichen Besitzer eingefordert wurden. 38 Räder in allen erdenklichen Formen und Zuständen machen den Großteil aus. Teils geschundene Drahtesel, deren Besitzer sie mies behandelt und schließlich weggeworfen haben. Aber auch schmucke Zweiräder, die mutmaßlich gestohlen, irgendwann in Gebüschen entsorgt und dort von der Stadt gefunden wurden. Star der verkratzten gang-, sattel- und kettenlosen Riege ist ein fast nagelneues Elektrobike, bei dem sich noch nicht mal auf den Felgen ein Kratzer findet.

Zuvor, während der Besichtigung, da scharten sich die Bieter um einen Tisch mit roter Samtdecke. Darauf, in Einfrier-Beutelchen gepackt, die Objekte der Begierde: Smartphones! Die digitalen Heilbringer im Gebrauchtwarengeschäft. Irgendjemand war so nett, sein iPhone 6 zu verlieren, sein Samsung Galaxy oder irgendein Gerät von Huawai. Wer so ein Mobiltelefon billig ergattert, erhofft sich den großen Reibach. Für die hippen Mini-Computer können im Netz schließlich gute Preise erzielt werden. Die Stadt hat alle Daten auf den Handys gelöscht. Ob sie einwandfrei funktionieren, weiß im Rathaus kein Mensch. „Sie kaufen hier die Katze im Sack!“, unterrichtet Finster die Kundschaft.

Der vielleicht spektakulärste Gegenstand im Katalog der Fundsachenversteigerung kommt allerdings gar nicht erst zum Aufruf. Eine Uhr wurde im Fundbüro abgegeben und nicht abgeholt. Nicht irgendeine, sondern eine Hublot. Der schweizerische Luxus-Uhrmacher aus Nyon stellt Zeitmesser her, die locker 20.000 Euro kosten. Das würde den Rahmen der Auktion im Rathauskeller, bei der Räder für 40 und 50 Euro weggehen und Handys für 320 Euro komplett sprengen. „Obwohl hier etliche Händler im Raum nicht mit der Wimper zucken würden, wenn das Anfangsgebot bei 10.000 Euro liegen würde“, sagt Finster. Manche hier haben auch solche Summen „auf Tasche“.

Finster ließ die Hublot aus einem anderen Grund aus der Auktion nehmen. „Wir müssen absolut sicher sein, dass es sich nicht um eine Fälschung handelt.“ Falls es sich nämlich um das schlimme Plagiat aus der Warenauslage eines chinesischen Straßenhändlers in New York handelt, dann darf die Stadt den Schund nicht verkaufen. „Wir haben einen Hobby-Uhrmacher im Rathaus. Der wird das Ding prüfen. Wenn sie echt ist, wäre sie etwa 20.000 Euro wert“, sagt Finster.

Die 46 anderen Artikel sind am Mittwoch schnell unterm Hammer. Immer wieder freuen sich auch normale Bürger, ein altes Rad für die Wintersaison ergattert zu haben oder überhaupt für wenig Geld einen fahrbaren Untersatz. Gezahlt werden muss am Ausgang der Tiefgarage unter den Argusaugen eines Mitarbeiters der Verwaltung. Natürlich ist hier auch nur das Bare das Wahre. Wer Dinge verliert, unterstützt die öffentliche Hand – und den regionalen Gebrauchtwaren-Handel.