Norderstedt . Die Polizei setzt auf Anhalte- und Sichtkontrollen im Kreis Segeberg – ein Eingriff in die Freiheit der Bürgerinnen und Bürger.

Die Polizei konnte 2015 von 832 Einbrüchen nur etwas mehr als 50 aufklären. Entsprechend rar, aber damit umso erfreulicher sind die Meldungen der Polizei Norderstedt und Henstedt-Ulzburg vom Montag: Gleich zwei Einbrecher-Duos wurden auf frischer Tat ertappt. In Norderstedt wurden zwei 20-jährige Männer aus Lübeck mit Einbruchswerkzeug erwischt, als sie gegen 3.30 Uhr mit dem Auto den Tatort, ein Reihenhaus an der Friedrich-Ebert-Straße, verlassen wollten. Anwohner hatten zuvor ein verdächtiges Klirren gehört und die Beamten alarmiert.

In Henstedt-Ulzburg wurden bereits am Freitag zwei Jungen ertappt, ein 13- und ein 14-Jähriger. Die waren gegen 22.30 Uhr in einen Kindergarten am Wöddel eingebrochen und hatten dort eine Dose Kleingeld gestohlen. Auch hier hatten Anwohner die Polizei aufmerksam gemacht.

Weil das aber in den meisten Fällen nicht funktioniert, haben Einbrecher im Kreis zu leichtes Spiel – besonders, wenn es sich um gut organisierte Profis handelt. Um ihnen das Handwerk zu legen, setzt die Polizeidirektion Bad Segeberg seit 2010 auf das Konzept zur Bekämpfung von Wohnungseinbruchsdiebstählen (WED-Konzept). Wichtigster Bestandteil: Die „Anhalte- und Sichtkontrollen an gefährlichen Orten“. Sie ermächtigen die Beamten in von Kriminalität belasteten Bereichen, zum Beispiel Autos bei Kontrollen anzuhalten. Ergibt sich beim Augenschein ein Verdachtsmoment, dürfen das Auto durchsucht und der Fahrer auf seine Personalien geprüft werden – ein Eingriff in die Freiheitsrechte der Bürger, aber deutlich weniger stark als etwa in Hamburger „Gefahrengebieten“, in denen die Polizei auch ohne Verdachtsmoment sämtliche Personen in ganzen Stadtteilen kontrollieren kann.

Ab Oktober könnte es wieder Großkontrollen geben

Vom 9. Oktober 2015 bis zum 31. März 2016 hatte die Polizeidirektion unter anderem in Norderstedt die Anhalte- und Sichtkontrollen zugelassen. „Ob wir diese rechtliche Möglichkeit auch dieses Jahr zum 1. Oktober wieder nutzen, ist noch in Vorbereitung und steht noch nicht abschließend fest“, sagt Silke Westphal, Sprecherin der Polizeidirektion Bad Segeberg. „Auch der Bereich steht noch nicht fest, sondern würde kurz vorher Lage abhängig festgelegt werden.“

Großkontrollen des Verkehrs seien dann voraussichtlich auch wieder Teil des Maßnahmenkatalogs. Bereits acht solcher Kontrollen gab es, die meisten in Norderstedt und Rellingen. „Aus unserer Sicht waren sie erfolgreich“, sagt Westphal. „Im letzten Winterhalbjahr gingen die Einbruchzahlen deutlich zurück, als wir innerhalb kürzerer Zeit mehrere Großkontrollen durchgeführt haben.“

Beim Landtagsabgeordneten Patrick Beyer von der Piratenfraktion lösen solche Bilanzen Zweifel aus. Für den Innenexperten sind Anhalte- und Sichtkontrollen „hilfloses Stochern im Nebel“. Die Polizei stelle damit jeden Autofahrer unter Generalverdacht. „Das Innenministerium konnte mir bis heute keinen einzigen Einbrecher nennen, der bei einer verdachtslosen Sichtkontrolle gestellt worden wäre“, sagt Beyer. Es sei bezeichnend, dass in Lübeck, wo diese Sonderrechte nicht galten, auch nicht weniger Wohnungseinbrüche aufgeklärt wurden. „Verdachtslose Kontrollen sind lediglich eine bloße Illusion von Sicherheit und vergeuden polizeiliche Arbeitskapazitäten, die an anderer Stelle besser eingesetzt wären.“ Aus Sicht der Piratenfraktion verstößt das Gesetz, das die Ausweisung derartiger „gefährlicher Orte“ ermöglicht, gegen die Grundrechte unverdächtiger Bürger. „Wir Piraten fordern die unverzügliche Abschaffung“, so Breyer. Ein wirksamer Schutz gegen die zunehmenden Wohnungseinbrüche sehe anders aus.

Wohnungen müssten technisch gesichert werden, längere Abwesenheit der Bewohner dürften nach außen nicht erkennbar sein. Außerdem müsse Hinweisen auf Täter gezielter als bisher nachgegangen werden. „Polizeiliche Präsenz ist gut, aber bitte nicht zur Kontrolle unverdächtiger Bürger“, sagt Breyer.

Polizeisprecherin Silke Westphal hingegen sieht keine unzumutbaren Eingriffe in die Freiheitsrechte bei den Kontrollen. „Der unbescholtene Bürger muss höchstens minimale Einschränkungen hinnehmen, wenn er in eine Kontrolle geraten sollte.“ In Gesprächen mit den Bürgern habe die Polizei in den vergangenen Jahren viel Zuspruch erfahren. Westphal: „Kaum einer sah die Kontrolle als Einschränkung. Vielmehr waren die unbescholtenen Bürger begeistert und glücklich über die Polizeipräsenz, die ja ihrem eigenen Schutz dient.“