Kaltenkirchen. Bundesförsterin empört: Fahrer zerstören mit ihren Maschinen die empfindliche Natur im Fauna- und Flora-Habitat Kaltenkirchener Heide.
Die Profile der Reifen haben Gras und Blumen niedergewalzt und Furchen durch das Gelände gezogen. Auch im Wald haben die Motorräder Spuren hinterlassen. Die Fahrer lassen kaum eine Fläche aus und rasen mit heulenden Motoren durch die Kaltenkirchener Heide, die als Fauna- und Florahabitat unter Schutz steht. Bundesförsterin Meike Rehdner beobachtet fast jedes Wochenende und manchmal auch in der Woche die Fahrer, die sich um die empfindliche Natur im Westen Kaltenkirchens nicht scheren. „Die Fahrer glauben offenbar, dass sie das Recht haben, hier zu fahren“, sagt sie.
Durchs Fernglas kann sie immer wieder die Motocross-Maschinen beobachten, die durchs Gelände rasen, das eigentlich nur Radfahrern und Fußgängern vorbehalten ist. Vor dem Ausflug in die Heide haben die Fahrer ihre Kennzeichen hochgebogen oder abmontiert. Unter dem Helm sind die Fahrer nicht zu erkennen. Zu fassen sind sie offenbar nicht. Das 510 Hektar große Schutzgebiet bietet zu viele Verstecke und Fluchtmöglichkeiten. Die Verbotsschilder werden ignoriert.
„Es ist schwierig, dort jemanden zu fassen“, sagt Polizeisprecherin Silke Westphal. „Bei so einem großen Gelände sind die Chancen schlecht.“ Zwar fährt die Polizei ins Gelände, sobald dort Motocross-Fahrer gemeldet werden. Doch dort angekommen, sind die Beamten machtlos – sie kommen den geländegängigen Maschinen nicht hinterher. Der einzige Fahrer, den die Polizei ermitteln konnte, war vor einem Jahr mit einem Motorschaden liegen geblieben. Gegen ihn wurde ein Strafverfahren eingeleitet.
Ein Polizeibeamter will nicht ausschließen, dass seine Kollegen vom Kaltenkirchener Revier immer seltener gerufen werden, weil sich herumgesprochen hat, dass sie ohnehin nichts ausrichten können.
Kaltenkirchener Heide ist 511 Hektar groß
Auch zu Auseinandersetzungen ist es bereits gekommen. Ein Naturschützer, der sich einem Fahrer in den Weg stellte, wäre beinahe angefahren worden. Die Polizei konnte jedoch den Täter nicht ausfindig machen, die Ermittlungen wegen versuchter gefährlicher Körperverletzung wurden eingestellt. Bei der Polizei ist außerdem ein Streit zwischen Fahrern und einem Jäger aktenkundig. Auch diese Ermittlungen endeten ohne Ergebnis.
Inzwischen versuchen Meike Rehdner und ihre Mitarbeiter, die Motocross-Fahrer mit schlichten Hindernissen zu stoppen. Kleine gefällte Bäume versperren die Pfade im Wald. Auf den hügeligen Sandflächen legte die Forstverwaltung Baumstämme in den Weg.
Doch nach wenigen Wochen erweisen sich auch diese Maßnahmen als erfolglos. Im Wald umfahren die Biker die Hindernisse und schaffen sich damit neue Wege. Die Baumstämme auf den Sandflächen räumten sie mit einem Radlader zur Seite. „Das war eine Nacht-und-Nebel-Aktion“, sagt die Bundesförsterin.
Als die Bundeswehr das Gelände noch als Übungsplatz nutzte und mit schweren Fahrzeugen über die Sandflächen fuhr, durften die Motocross-Fahrer dieses Gebiet für ihre Ausflüge nutzen. Doch schon damals gab es Ärger, hat Meike Rehdner von Soldaten erfahren. Manche Biker hielten sich nicht an die Vereinbarungen und rasten in den Wald. Die Militärpolizisten (Feldjäger) hatten damals die gleiche Mühe, die Täter zu fassen wie heute die Polizei.
Meike Rehdner spricht von einer „flächigen Beunruhigung“ der Wildtiere auf den Schutzflächen. Auch die Pflanzen nehmen Schaden. Borstgras und die trockene Heide machen das Gelände zu einem ökologisch wertvollem Gebiet. Außerdem beschädigen die Motorräder im Wald die oben liegenden Baumwurzeln. Hinzu kommen die Abgase und Lärm, die Flora und Fauna belasten.
Doch nicht nur die ökologischen Schäden ärgern die Bundesförsterin. Auf dem Gelände baute die Wehrmacht einen Flughafen für den Zweiten Weltkrieg. Hunderte Häftlinge aus dem KZ-Außenkommando Kaltenkirchen-Springhirsch arbeiteten dort, viele starben. Noch immer ist das Gelände nicht systematisch nach allen Spuren durchsucht worden. Historiker schließen nicht aus, dass sich im Boden des Fauna-Flora-Habitats noch Massengräber mit KZ-Häftlingen befinden.
Dass die Motocross-Fahrer sich nicht einmal um die historische Bedeutung der Kaltenkirchener Heide scheren, empört die Bundesförsterin: „Das ist respektlos.“