Kreis Segeberg. Bund hat Vergütung für Strom aus Biomasse reduziert. Jan Fölster hat eine Biogasanlage und will neue Einnahmequellen erschließen.
„Die festen Reststoffe, die bei den Gärprozessen übrig bleiben, eigenen sich beispielsweise prima als Dämmaterial oder auch für Pellets, mit den Heizungen betrieben werden können“, sagt Jan Fölster. Der 42-Jährige macht sich Gedanken, ist auf der Suche nach Einnahmequellen der Zukunft. Denn: In 14 Jahren bekommt der Schmalfelder kein Geld mehr vom Staat für den Betrieb seiner Biogasanlage. Das Energieeinspeisegesetz garantiert den Betreibern einen festen Satz, wenn ihre Anlagen vor 2012 Strom ins Netz eingespeist haben. Die Vergütung ist dann auf 20 Jahre festgeschrieben.
Schrittweise hat der Bund die Vergütung zurückgefahren. Die Folge: Neue Anlagen werden seit 2012 nicht mehr gebaut. Und auch die Zukunft der Altanlagen ist ungewiss: Nach 20 Jahren muss der Strompreis auf dem Markt ausgehandelt werden. Und da stellt sich die Frage, wie konkurrenzfähig Energie aus Biomasse ist. Pessimisten haben schon das Bild von Insolvenzen und Bauruinen vor Augen. Genau das will Fölster verhindern.
Milchvieh und Landwirtschaft lohnen sich nicht, befand der gelernte Landwirt und studierte Agrarökonom, als er den Hof seiner Eltern übernahm. Energie in der Region erzeugen, das war für ihn die Alternative. Er überzeugte andere Bauern von seiner Idee, mit sieben Partnern gründete Fölster 2010 den Energiehof Schmalfeld. „Alleine hätte ich das nicht gekonnt, weil ich nicht genügend Flächen für den Anbau der Pflanzen habe“, sagt der verheiratete Vater von vier Kindern. Die Felder sollten in der Nähe liegen, nicht weiter als acht Kilometer von der zwischen Schmalfeld und Kaltenkirchen beheimateten Anlage entfernt. Kurze Wege und möglichst wenig Dreck auf der Straße – das war das Ziel. Das Konsortium verfügt gemeinsam über 250 Hektar. „Das reicht, um unsere Gärtanks zu füttern“, sagt Fölster. Zukaufen müssen die Schmalfelder nichts und schon gar nicht, wie andere Kollegen im Norden Schleswig-Holsteins, Mais aus Dänemark importieren.
600 Kilowatt erzeugt die Anlage, sie kann bis auf 1,1 Megawatt hochgefahren werden. 4,5 Millionen Kilowattstunden Strom speisen die Schmalfelder im Jahr ins allgemeine Netz ein. „Das reicht, um 1100 Haushalte zu versorgen“, sagt Fölster, der zugibt, dass die Biogas-Gemeinschaft bei den Kosten zu optimistisch gedacht hat: Was die Fermenter für die Gärprozesse an Futter brauchen, sei gigantisch. „Wir verfüttern in einem Jahr die Menge, die ein Landwirt in sechs Jahren für 600 Kühe braucht“, sagt der Biogas-Bauer. Zudem sei die Technik empfindlich und schnell verschlissen.
Das mussten auch die Ellerauer erfahren, deren Anlage im Sommer 2007 einen mehr als holprigen Start hingelegt und bis Ende 2010 ein Minus von knapp 800.000 Euro eingefahren hat. Schon der Bau wurde um eine Million Euro teurer, weil ein zweiter Motor angeschafft wurde. Dann schwächelte ein Motor. „Inzwischen sind die Probleme behoben, die Anlage läuft zum Glück weitgehend störungsfrei“, sagt Bürgermeister Eckart Urban.
Fünf Millionen Kilowattstunden Strom produzieren die Ellerauer pro Jahr und erlösen daraus rund 1,2 Millionen Euro. Mit der Wärme, die bei der Umwandlung von Gas in Strom entsteht, heizt die Gemeinde im Sommer das Freibad auf 26 Grad, im Winter die Wohnungen der Menschen im Baugebiet an der Königsberger Straße. Allein schon die Kosten des Badebetriebs reduzieren sich, so Urban, dadurch um gut 200.000 Euro im Jahr. Die Gemeinde beschäftigt für den Betrieb der Biogasanlage zwei Vollzeit- und eine Teilzeitkraft. Hinzu kommen rund 300.000 Euro für Abschreibungen und die Kosten, um Gras, Ganzpflanzensilage, Futtergetreide und Mais zu kaufen – übrig bleiben rund 55.000 Euro Gewinn im Jahr.
Die Ellerauer und Schmalfelder haben ihre Biogasanlagen rechtzeitig in Betrieb genommen. Vor zehn Jahren begann der Biogas-Boom. Die Anlagen mit den typischen hellgrünen, runden Gärbehältern und den dunkelgrünen Spitzhauben obendrauf schossen wie Pilze aus dem Boden. Antrieb war die staatliche Förderung, gut 20 Cent gab es pro Kilowattstunde. Die Vergütung setzte sich aus einem Grundpreis und Zuschlägen zusammen. Damit wollte der Bund die Energiewende voranbringen und den Anteil erneuerbarer Energieträger erhöhen.
Vor allem Landwirte, aber auch Gemeinden wie Ellerau bauten auf Biogas. Doch die Einspeisevergütung sank seit 2012 Schritt für Schritt. Erst strich der Bund die Prämien und Boni, dann gab es kein Geld mehr, wenn Energiepflanzen wie Mais eingesetzt wurden – damit wollte der Bund der „Vermaisung der Landschaft“ entgegenwirken. Naturschützer hatten kritisiert, dass Dünger den Boden mit Nitraten und Phosphaten belasten. Zudem schreibt der Gesetzgeber seit 2012 vor, dass Anlagenbetreiber nicht mehr Strom erzeugen dürfen als vor dem 1. August 2014. Die Altanlagen genießen allerdings Bestandsschutz, sie bekommen weiterhin den ursprünglich vereinbarten Fördersatz. Dennoch hat die schrittweise Rücknahme der Vergütung den Bau weitere Anlagen zum Erliegen gebracht. „Die fetten Jahre sind vorbei. Der Markt ist quasi tot, neue Anlagen werden so gut wie nicht mehr gebaut“, sagt Hans-Ulrich Martensen, Sprecher des Fachverbandes Biogas in Schleswig-Holstein. Allenfalls entstünden noch wenige kleine Anlagen mit einer maximalen Leistung von 75 Kilowatt für den Betrieb mit Gülle, dafür sei die Vergütung mit knapp 25 Cent pro Kilowattstunde vergleichsweise hoch.
Dennoch ist er optimistisch: Biogas könne die Netze stabilisieren. Die Anlagen könnten je nach Bedarf flexibel gesteuert werden. Damit seien sie gegenüber Wind- und Sonnenkraft klar im Vorteil. Jan Fölster aus Schmalfeld hat sich schon auf das Ende der festen Vergütung eingestellt und verkauft schon jetzt unter dem Motto „Strom von nebenan direkt von Bauer Jan“ an rund 20 Privathaushalte und Gewerbetreibende. Auch die Waldorfschule in Kaltenkirchen sei interessiert. Und er sieht weitere Chancen, die Energie aus Biomasse zu vermarkten: „Gereinigtes Biogas eignet sich als Kraftstoff für Autos, die mit Erdgas fahren.“
Um diese Einnahmequellen zu erschließen, müsse zum einen der Bund solche Alternativen unterstützen, so wie er damals auch den Bau der Anlagen gefördert habe. Zum anderen müsse die Gemeinde eine gewerbliche Nutzung auf dem Gelände erlauben. „Hier soll ja kein Gewerbegebiet entstehen, sondern vielleicht eine Tankstelle und eine Halle, um Dämmstoffe zu produzieren“, sagt der Schmalfelder – 2013 hatte sich die Mehrheit der Schmalfelder in einem Bürgerentscheid gegen eine Erweiterung der Anlage und eine Erhöhung der Gasproduktionsmenge ausgesprochen.
Eine Übersichtsgrafik mit den Biogasanlagen finden Sie heute in der Abendblatt-Regionalausgabe Norderstedt.