Bad Segeberg. Jan Sosniok kann über Beschäftigungsmangel eigentlich nicht klagen, trotzdem ist er den Karl-May-Spielen am Kalkberg schon seit 2013 treu
Er gehört seit Jahren zu den gefragtesten TV-Schauspielern in Deutschland: Jan Sosniok (48) kann über Beschäftigungsmangel eigentlich nicht klagen, trotzdem hat er sich entschieden, den Sommer in Bad Segeberg zu verbringen. Seit 2013 spielt der Berliner die Rolle des Apachenhäuptlings Winnetou bei den Karl-May-Spielen. Und das mit großem Erfolg. Seitdem Jan Sosniok dabei ist, wurden drei neue Zuschauerrekorde aufgestellt. Im vergangenen Jahr gelang mit 346.677 Zuschauern ein neuer Allzeitrekord – eine Zahl, die lange nicht als möglich galt. In diesem Jahr scheint es nach den aktuellen Zwischenergebnissen sogar noch besser zu laufen – obwohl der Sommer bisher verregnet ist.
Haben Sie angesichts des verregneten Sommers eigentlich immer noch gute Laune?
Jan Sosniok: Ja, wir sind alle guter Laune, aber zur Mitte der Saison lassen die Kräfte etwas nach, denn wir haben ja mit den Proben zehn Wochen am Stück gearbeitet. Aber die Zeit seit der Premiere ist sehr schnell vergangen. Parallel zu den Aufführungen habe ich gedreht, da merke ich schon, dass die Batterien leer sind. Aber wenn es zum Ende geht, kommt noch mal ein Energieschub.
Was haben Sie denn nebenbei gedreht?
Ich habe „Soko-Köln“ und „Ausgerechnet Eifel – Väter und ihre Söhne“ gedreht.
Neben den Karl-May-Spielen? Wie funktioniert das?
Ich drehe dann an meinen freien Tagen. Die Produktionen hatten ihre Drehtage für mich so gelegt, dass es für mich möglich war. Nur an zwei Tagen musste ich mich von den Proben freistellen lassen. Größere Drehzeiträume könnte ich nicht einplanen, das wäre zu kompliziert, die Produktionen würden dann lieber umbesetzen.
Es ist ja bekannt, dass gerade im Sommer die viele TV-Filme gedreht werden. Verlieren Sie durch das Karl-May-Engagement eigentlich TV-Aufträge?
Na klar. Aber das ist eben eine Sache der Entscheidung. Ich habe mich für die Karl-May-Spiele entschieden, da darf ich dann auch nicht jammern, wenn ich andere Projekte dadurch nicht machen kann. Und im Herbst und Winter wird ja schließlich auch noch gedreht. Ich finde das alles nicht so schlimm. Irgendwann kommt die Zeit eines neuen Winnetou bei den Karl-May-Spielen – dann drehe ich eben wieder mehr Filme.
Bekommen Sie in Bad Segeberg bei den Karl-May-Spielen Jahresverträge?
Ja.
Wie lange können Sie den Winnetou noch spielen?
30, 40 Jahre, bis ich hier im Rollator hereinkomme. Nein, im Ernst, da habe ich keine Ahnung.
Denken Sie über einen längeren Zeitraum?
Natürlich gibt es Momente, da frage ich mich, wie lange ich es noch machen kann. Es hängt ja auch von meiner Gesundheit ab. Was wir hier machen, ist sehr anstrengend und auch nicht ungefährlich - die Verletzungsgefahr ist sehr groß. Aber im Moment ist es für mich gesundheitlich tragbar. Und es macht ja auch viel Spaß, hier zu arbeiten.
Verletzen Sie sich oft?
Ja, ständig. Meistens sind es Schürfungen, Prellungen, Hämatome, Zähne, die rausfliegen. Ich könne ein paar Sticker an meinen Körper machen, wo ich überall verletzt war, dann könnte ich ganz bunt aussehen (lacht).
Und wie schaffen Sie es, nach der anstrengenden Arbeit in der Kalkberg-Arena wieder aufzutanken?
Mit „nichts machen“. Nach Hause fahren, mich über meine Familie freuen, im Garten sitzen, Rasen mähen, Blumen pflanzen. Das finde ich sehr meditativ und erholsam und gibt mir Kraft.
Wann reisen Sie von Berlin wieder nach Bad Segeberg an?
Da ich nie abschätzen kann, wie die Strecke von Berlin nach Bad Segeberg ist, reise ich immer Mittwochabends an. So habe ich drei volle Tage bei meiner Familie. Donnerstags kann ich dann in Ruhe aufstehen, frühstücken, gegebenenfalls einkaufen und alles für meine Tage hier oben vorbereiten.
Wie sind Sie hier untergebracht? In einem Hotel oder in einer Wohnung?
Ich habe im Nachbarort ein Haus bezogen. Ich mag es, so zu leben, als wäre es mein eigenes „Reich“. Da habe ich einen Garten, in dem ich gerade heute Morgen noch Unkraut entfernt habe. Das kann mir kein Hotel bieten, und außerdem ist das Leben dort recht kostspielig.
Kommt Ihre Familie Sie in Bad Segeberg auch mal besuchen?
Ja, natürlich. Unsere Tochter ist noch in der Kita. Dadurch kann meine Frau auch jeder Zeit anreisen, das ist kein Problem.
Erfüllt es Sie eigentlich mit Stolz, wenn in Bad Segeberg Jahr für Jahr Rekordergebnisse eingefahren werden, seitdem Sie dabei sind? In diesem Jahr zeichnet sich, trotz des fast durchgehend schlechten Wetters, ja wieder ein sehr gutes Zuschaueraufkommen ab, möglicherweise sogar ein neuer Zuschauerrekord.
Ja, natürlich. Rekorde zu erreichen, erfüllt einen immer mit Stolz. Das ist ein tolles Gefühl. Aber natürlich schreibe ich mir den Erfolg nicht selbst zu. Das ist eine Arbeit des Ensembles. Ohne die Kollegen wäre es sehr ruhig um mich als Winnetou. Ich glaube, man kann spüren, dass wir alle viel Spaß an der Arbeit haben, deshalb kommen die Leute auch.
Handeln Sie die Gage mit der Kalkberg GmbH jedes Jahr wieder neu aus?
Nicht jedes Jahr. Wir haben uns so geeinigt, dass wir uns nicht nach jeder Saison an den Tisch setzen müssen. Ich bin nicht der Typ, der jedes Mal mehr Gage verlangt, nur weil wir eine erfolgreiche Saison hatten. Man bedenke, dass dieser Erfolg auch schnell wieder vorbei sein kann. Aber ich kann versichern – mir geht es gut, ich kann meine Familie ernähren.
Haben Sie als erfolgreicher freier Schauspieler eigentlich noch Existenzangst?
Inzwischen geht es ganz gut. Ich bin 23 Jahre in diesem Beruf tätig und immer ins kalte Wasser gesprungen. Dabei wusste ich nie, was kommt. Ich hatte schon immer ein göttliches Vertrauen darauf, dass es mir gut geht. Und es war bisher auch so.
Bekommen Sie in Zeiten des Leerlaufs, also wenn keine aktuellen Angebote auf dem Tisch liegen, eine gewisse Panik?
Ja, zwar selten, aber die gab es auch. Deswegen ist Bescheidenheit auch wichtig. Ich richte meinen Lebensstandard nach dem Minimum aus. Es geht mir sicherlich immer noch überdurchschnittlich gut, ich erlaube mir auch gutes Essen und einen guten Wein, aber meine Frau sagt immer: „Man muss sich auf jedem Parkett bewegen können und glücklich sein. Und damit hat sie recht. Ich komme aus einfachen Verhältnissen, dadurch fällt mir das leicht. Heute geht es mir so gut, dass ich ein vernünftiges Auto fahren kann, mit dem ich meine Familie sicher von A nach B bringen kann und nicht ständig in Sorge sein muss, auf der Autobahn liegen zu bleiben. Aber ich lebe nicht über meine Verhältnisse und lege mein verdientes Geld so an, dass ich auch über eine „Durststrecke“ hinwegkomme. Das klappte bisher immer.
Entstehen beim Drehen von längeren TV-Serien, wie zum Beispiel „Danni Lowinski“, eigentlich Freundschaften unter den Schauspielkollegen?
Mal mehr, mal weniger. Es ist wohl wie in jedem anderen Beruf auch: Es gibt Menschen, mit denen man gut funktioniert und merkt, da entsteht eine tiefere Freundschaft. Annette Frier zum Beispiel, mit der ich die 42 Folgen „Danni Lowinski“ gedreht habe, kommt jedes Jahr nach Bad Segeberg. Auch im August wieder. Danach treffen wir uns. Wenn sie irgendwo Theater spielt, schickt sie mir eine SMS. Und ich sehe mir das Stück dann auch an.