Norderstedt . SPD und Linke wollen die städtische Wohnungsbaugesellschaft, um Wohnungsmangel zu beheben. Andere Fraktionen melden Bedenken an.
Miro Berbig von der Fraktion Die Linke hausiert schon lange in den Fachausschüssen der Stadt mit seinem Lieblingsthema, einer kommunalen Wohnungsbaugesellschaft, die endlich den eklatanten Mangel an günstigem Wohnraum in Norderstedt beheben soll. Berbig ließ sich dabei nicht davon beirren, dass er immer wieder von den anderen Fraktionen abgebügelt wurde.
Doch nun scheint die Lage auf dem Wohnungsmarkt so angespannt zu sein, dass Berbigs Idee plötzlich doch mehrheitsfähig wird. Laut dem Sozialbericht für Norderstedt stiegen die Durchschnittsmieten in der Stadt seit 2011 um sieben Prozent auf heute 7,65 Euro den Quadratmeter. Nur noch 1885 geförderte Wohnungen gibt es in Norderstedt, 19 Prozent weniger als 2010 (2335). Bis 2030, so die Prognose, schmelze der Bestand auf 341 Wohnungen zusammen, ein Minus von 82 Prozent – wenn nicht gegengesteuert wird.
Also greifen auch die Sozialdemokraten das Thema kommunaler Wohnungsbau auf. Da die privaten Wohnungsbauunternehmen seit Jahren nicht in der Lage seien, die Nachfrage nach günstigem Wohnraum zu decken, müsse die Stadt aktiv werden, sagt Stadtvertreter Tobias Schloo. „Wenn wir selbst bauen, können wir besser steuern, wie sich unsere Stadt entwickelt. Hierfür sind noch viele Fragen zu klären.“ Im Sozialausschuss am 21. Juli wird die SPD einen Prüfauftrag stellen. Die Stadt soll klären, wie hoch die Eigenkapitalquote für eine städtische Wohnungsbaugesellschaft sein muss, welche steuerlichen Vor- und Nachteile die Gesellschaft bietet und inwiefern das Ausschreibungsrecht davon berührt ist.
EGNO soll weiterhin gezielt den Markt steuern
„De facto ist die Stadt mit ihrer Entwicklungsgesellschaft ja schon in den kommunalen Wohnungsbau eingestiegen“, sagt SPD-Fraktionschef Nikolai Steinhau-Kühl. Die EGNO baut an der Segeberger Chaussee 233 ein Wohnhaus mit 21 geförderten Wohnungen, die mittelfristig für Flüchtlinge und langfristig als günstiger Wohnraum genutzt werden sollen. „Die EGNO zeigt, dass kommunaler Wohnungsbau finanzierbar ist“, sagt Steinhau-Kühl. Es soll also keine Neue Heimat gegründet werden und keine Konkurrenz zu Bauunternehmen vor Ort. Vielmehr könnte die EGNO weiterhin mit gezielten Projekten steuernd auf dem Markt eingreifen und den Druck im Bereich des günstigen Wohnraums abschwächen. Thomas Jäger, Vorsitzender des Sozialausschusses, ergänzt: „Wir wollen nicht, dass Sozialghettos entstehen, sondern Baugebiete mit gefördertem Anteil von 40 bis 50 Prozent.“ Für Steinhau-Kühl ist auch die Kostenfrage entscheidend: „Keiner weiß, was so eine Gesellschaft kosten könnte. Wir können nicht beliebig Geld ausgeben.“
Miro Berbig von der Linken kündigt an, den Prüfauftrag der SPD konkretisieren zu wollen. „Die Stadt soll mal ausrechnen, was der Bau von 100 Wohnungen in einem ersten Bauabschnitt und von 1000 Wohnungen in den kommenden zehn Jahren kosten würde.“ Der erste Bauabschnitt werfe dann schon Einnahmen ab, die man in weitere Projekte investieren könnte. Ein Grundstück für die ersten 100 städtischen Wohnungen hat Berbig auch schon gefunden. „Wir sind strikt gegen den Verkauf der Fläche Dunantstraße. Die eignet sich prächtig für Wohnungsbau und sollte nicht verkauft werden, um einen Teil des Bildungswerkehauses zu finanzieren.“
Detlef Grube, Fraktionschef der Grünen, tritt beim Wohnungsbau auf die Bremse. „Das muss ökologisch sein, wir brauchen keinen Wohnungsbau auf Teufel komm raus.“ Der Entwicklungsgesellschaft erweiterte Kompetenz zu geben, um Wohnungsbau in der Stadt zu betreiben, hält er aber grundsätzlich für richtig. „Wobei wir die Stadt nicht komplett zubauen sollten. Das ständige Wachstum muss Grenzen haben und darf nicht noch mehr Grün kosten.“
Bei der CDU herrscht Skepsis. „Wir sind für mehr Geschosswohnungsbau in der Stadt“, sagt Fraktionschef Gert Leiteritz. „Aber der ist bei den privaten Wohnungsbaugesellschaften gut aufgehoben, die den Beschluss der Politik, bei jedem Neubau 30 Prozent geförderten Wohnraum zu bauen, doch schon ganz gut umsetzen.“ Ein städtisches Wohnungsbauprogramm sei nicht zu finanzieren und gegen den Bürgerwillen. „Die meisten Menschen wollen Viertel mit Einzel-, Doppel- oder Reihenhäusern.“ Klaus-Peter Schroeder (FDP) findet den Prüfauftrag der SPD in Ordnung, ist aber strikt gegen eine Stadt als Bauherr. „Es macht mehr Sinn, wenn sich die Stadt Grundstücke sichert und diese kostengünstiger an Bauträger weitergibt, die dann gewisse Vorgaben umsetzen.“
Keine Denkverbote gibt es beim Thema Wohnungsbau für Reimer Rathje von Wir in Norderstedt. „Vielleicht sollten wir uns in Städten umschauen, die mit dem Thema Erfahrung haben.“