Norderstedt. Verkleidung als Nutten und Zuhälter gehört zum Standardprogramm. Doch für einige Schulleiter ist eine solche Garderobe absolut tabu.

Dürfen sich Schüler als Prostituierte und Zuhälter verkleiden und mit entsprechenden Klamotten am Unterricht teilnehmen? Diese Frage wird in den Norderstedter Schulen unterschiedlich beantwort, das Spek­trum reicht von „auf keinen Fall“ bis zu einem deutlichen Ja. Das hat unsere Umfrage unter Schulleitern und Schülersprechern ergeben.

Anlass ist das Hick-Hack um die Mottowoche an der Gemeinschaftsschule Rhen in Henstedt-Ulzburg (wir berichteten). Dort wollten die Zehntklässler unter dem Motto „Nutten und Zuhälter“ in den Unterricht gehen. Damit lösten sie einen Streit aus, der bis ins schleswig-holsteinische Bildungsministerium reichte.

Das Bildungsministerium verbot das Motto zunächst

Ein besorgter Vater wandte sich ans Kreisschulamt und das Ministerium. Er fürchtete, dass Bilder, auf denen seine minderjährige Tochter möglicherweise leicht bekleidet zu sehen ist, in den sozialen Medien auftauchen. Die Schulaufsicht des Landes untersagte zunächst den Auftritt in der Annahme, die Schule habe das Motto vorgegeben. Doch die Schüler hatten sich ihr Leitmotiv selbst gewählt. So kam dann doch noch die Erlaubnis aus Kiel, zu spät, denn die Schüler hatten sich aus Protest gar nicht verkleidet.

„Ein solches Motto würde ich verbieten“, sagt Barbara Schirrmacher, Leiterin der Gemeinschaftsschule Harksheide. Zuhälterei sei strafbar und somit nichts, was an die Schulen gehöre. Die Schüler müssten angemessen gekleidet zum Unterricht kommen. Die Schüler stimmen die Mottotage mit der Schulleiterin ab und hätten auch ohne solche Extremmottos ihren Spaß, wenn sie sich äußerlich in die 70er-Jahre, in die Zeit des eigenen Schulstarts zurückversetzen oder im Business-Look die Zukunft vorwegnehmen.

„Das hätte ich nie im Leben genehmigt“, sagt auch Siegfried Hesse, Leiter der Gemeinschaftsschule Ossenmoorpark. Er sieht die Grenzen des guten Geschmacks überschritten, wenn die Schüler und Schülerinnen als Prostituierte und Zuhälter „sehr anzüglich“ unterwegs seien. Mit der Zuhälterei ziehe ein Modell in die Normalität des Schullebens ein, das mit Zwang arbeite. „Außerdem müssen sowohl wir als Verantwortliche als auch die Schüler sich die Frage stellen, wie die Schule und wie sie selbst auf Fotos in den sozialen Medien gesehen werden wollen“, sagt Hesse. Da könne das Motto „Nutten und Zuhälter“ ein falsches Bild zeichnen.

Schirrmachers und Hesses Kollegin Anke Schermer von der Gemeinschaftsschule Friedrichsgabe hat kein Problem, wenn die Schüler mit ihrer Kleidung „ins anzügliche Milieu“ wechseln. „Beim Fasching gibt es ja auch kein Kostümverbot“, sagt die Pädagogin. Auch Carsten Apsel, Leiter des benachbarten Lessing-Gymnasiums, lässt den Abiturienten in spe ihren Spaß, allerdings nach Absprache. „Wir haben noch nie erlebt, dass jemand derart unbekleidet kommt, dass er oder sie sich erkältet“, sagt er, weist aber darauf hin, dass es Ärger geben könnte, wenn die Schülerinnen leicht bekleidet und stark geschminkt außerhalb des Schulgeländes unterwegs sind. Derart provozierende Auftritte sollten vermieden werden.

Noch drastischer zeigt sich das Problem am Coppernicus-Gymnasium, wo Schulleiterin Heike Schlesselmann den künftigen Abiturienten weitgehend freie Hand lässt. Auch hier gehört das Motto „Nutten und Zuhälter“ zum Standard-Repertoire der lustigen Tage vor den entscheidenden Klausuren. Den Schülerinnen gelingt der Rollenwechsel offenbar so gut, dass sie angesprochen werden und eindeutige Angebote erhalten, wenn sie in ihren kurzen Röcken durch das nahe Herold-Center stöckeln. „Daher bitte ich die Mädchen darum, nicht allein, sondern nur in Gruppen zum Einkaufszentrum zu gehen“, sagt die Schulleiterin.

Warum der Kostümwechsel? „Die Schüler finden es gut, sich zu verkleiden und mal von einer ganz anderen Seite zu zeigen“, sagt Schlesselmann. Henrik Schneider, Schülersprecher des Gymnasiums Harksheide und Vorsitzender des Abi-Komitees, das die Mottotage organisiert, bestätigt das: „Wir gehen jeden Tag ordentlich gekleidet in die Schule und genießen es, die Normalität zu durchbrechen.“ Die Harksheider hätten das Motto „Nutten und Zuhälter“ mit dem Thema „Asi“ (Asozial) kombiniert, um denjenigen, die sich dem Hauptthema nicht anschließen wollen, eine Ausweichmöglichkeit zu geben. „Der Hauptgrund ist aber, dass es in der Verkleidung tolle Erinnerungsfotos gibt, die viel eher im Gedächtnis bleiben als die üblichen Bilder“, sagt der Schülersprecher.

Die Mottotage sind eine freiwillige Aktion der Schüler

„Es wird ja niemand gezwungen, sich zu verkleiden“, sagt Lars Meyn, Schülersprecher des Lessing-Gymnasiums. Die Mottotage seien eine Aktion der Schüler, die Teilnahme freiwillig. Auch an seiner Schule sei es Tradition, dass die künftigen Abiturienten als Nutten und Zuhälter am Unterricht teilnehmen. Probleme habe es deswegen noch nie gegeben.