Henstedt-Ulzburg. Vater schaltet Bildungsministerium ein, weil seine Tochter als Prostituierte verkleidet zum Unterricht wollte. Doch das ist erlaubt.

Es sollte eine lustige Veranstaltung werden, stattdessen gab es einen Streit, der bis ins Kieler Landeshaus für Aufmerksamkeit sorgte. An der Gemeinschaftsschule Rhen in Henstedt-Ulzburg wollten sich die Schüler am vergangenen Freitag zum Abschluss der Mottowoche, die traditionell am Ende des Schuljahres von den Schülern organisiert wird, verkleiden. Thema: Nutten und Zuhälter. Doch dazu kam es nicht, weil ein besorgter Vater das Kreisschulamt und das Kieler Bildungsministerium einschaltete.

Mottowochen gibt es mittlerweile an vielen Schulen Deutschlands: Mal lautet das Motto an einem Schultag der Woche „70er-Jahre“, an einem anderen Tag vielleicht „Märchen“ – und auch als „Nutten und Zuhälter“ (oder auf Englisch „Pimps and Bitches“) verkleidet erscheinen Schülerinnen und Schüler an einem Tag zum Unterricht. „An vielen Schulen finden Mottotage zu diesem Thema statt“, bestätigte Patricia Zimnik, stellvertretende Sprecherin des Bildungsministeriums. „Natürlich kann man sich fragen, ob sie politisch korrekt sind.“

An der Gemeinschaftsschule Rhen fanden die Zehntklässler die Idee offensichtlich prima. Sie konfrontierten die Schulleitung damit, die schließlich zustimmte. „Ich fand es eigentlich nicht so toll“, sagte der kommissarische Schulleiter Hanno Schmedes in einem TV-Beitrag des „Schleswig-Holstein-Magazins“. „Es war aber nicht so, dass man den Mottotag hätte verhindern müssen.“

“Ich konnte die Bedenken des Vaters nicht teilen“, sagt Schulrat Jürgen Hübner.
“Ich konnte die Bedenken des Vaters nicht teilen“, sagt Schulrat Jürgen Hübner. © Frank Knittermeier | Frank Knittermeier

Anders sah es ein besorgter Vater, der unter anderem Angst hatte, dass Bilder, auf denen seine minderjährige Tochter möglicherweise leicht bekleidet zu sehen ist, in den sozialen Medien auftauchen. Er wandte sich gleichzeitig an das Kreisschulamt und an die Schulaufsicht der Kieler Landesregierung und bat, die Veranstaltung zu untersagen.

Damit begann ein Behördendurcheinander, das die Schüler schließlich zur Aufgabe der Pläne veranlasste. Der Segeberger Kreisschulrat Jürgen Hübner genehmigte die Party zunächst. „Ich konnte die Bedenken des Vaters nicht teilen“, sagte der Schulrat. Hübner sah „vom Grundsatz“ her keine Gefahr für die Schülerinnen und Schüler und vertraute dem Lehrerkollegium an der Rhener Schule. Natürlich weiß der Schulrat um die Gefahren des Cybermobbings, ausgelöst etwa durch Bilder von leicht bekleideten Mädchen und Jungen. „Solche Fotos sollten in der Schule natürlich nicht gemacht werden, ganz ausschließen kann man es aber nicht“, betont Hübner.

Bei der Schulaufsicht des Landes wurde das Thema zunächst anders beurteilt: Die Veranstaltung wurde untersagt. Schulrat Jürgen Hübner musste sich dieser Anordnung der übergeordneten Behörde fügen und sprach zugleich eine vorläufige Untersagung des Mottotages aus. So schildert es Thomas Schunck, der Pressesprecher des Ministeriums, Jürgen Hübner bestätigt die Aussage.

Von Hollywood bis Bad Taste

Die Sitte, zum Abschluss des Schuljahres Mottotage zu veranstalten, ist relativ neu.

Sie ergänzen die traditionellen Abistreiche, die veranstaltet werden, um durch ein besonderes Spektakel den Schultag zu beeinflussen.

An den Mottotagen verkleiden sich die Schüler, nehmen aber in der Regel ganz normal am Unterricht teil.

Dem Einfallsreichtum der Schüler sind dabei kaum Grenzen gesetzt.

Mögliche Mottos: Hollywood, Geschlechtertausch, Zeichentrick , Business-Look, Pyjama, Erster Schultag, Zombies & Hexen, Bad Taste – so hässlich es geht!

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Doch dann kam alles anders: „Die Schulaufsicht schaute sich die Sache genauer an“, so Schunck. „Zunächst hatte es geheißen, die Schule habe das Motto vorgegeben.“ Das entsprach allerdings nicht den Tatsachen. „Die Schüler hatten sich das Motto selbst ausgesucht“, so der Sprecher. Damit sei der Mottotag eine freiwillige Veranstaltung gewesen. „Ministerin Britta Ernst hat deshalb am Freitag entschieden, die Untersagung zurückzunehmen.“

Heike Franzen, die bildungspolitische Sprecherin der CDU-Landtagsfraktion, kritisiert das Motto dieses Tages – und ruft zu mehr Sensibilität auf. „Zuhälterei ist strafbar“, sagt sie. Es könne nicht angehen, dass man eine solche Straftat „zu Spaßzwecken“ idealisiere. „Da hätte auch die Schulleitung einschreiten müssen“, findet sie. „Zusammen mit den Eltern hätte man die Kuh vom Eis bringen müssen.“ Die Ministerin habe vermutlich rein juristisch richtig entschieden. Dennoch: „Dieser Mottotag ist mit Sicherheit eine Geschmacklosigkeit“, sagt Franzen. „Wir erwarten von jungen Leuten, dass sie reflektiert sind. Da steht auch die Schule in der Verantwortung.“ Sie überlege, die Gemeinschaftsschule zu besuchen. „Ich will wissen, was junge Leute dazu bringt, ein solches Motto auszuwählen?“

Für die Schüler der Henstedt-Ulzburger Gemeinschaftsschule kam die ministerielle Erlaubnis im Übrigen zu spät. Aus Protest haben sie sich gar nicht mehr verkleidet.