Norderstedt. Zahl der Männer, die für Kinder zeitweise beruflich kürzertreten, steigt. Zwei Norderstedter schildern, wie wertvoll die Erfahrung war.
Die ersten Wochen und Monate im Leben fast jedes Menschen werden von Frauen geprägt: Mütter am Wickeltisch, im Baby-Massage-Kursus oder beim Kinderarzt. Doch dieses Bild gehört mehr und mehr der Vergangenheit an.
Immer mehr Väter kümmern sich inzwischen selbst intensiv um die Betreuung ihres Nachwuchses – und zwar von Geburt an. Das verdeutlicht eine aktuelle Untersuchung des Statistischen Bundesamtes. Demnach entschied sich fast jeder dritte Vater, dessen Sohn oder Tochter im Jahr 2013 zur Welt kam, im Kreis Segeberg für die Elternzeit, im Durchschnitt für drei Monate. Doch wer sind diese Männer? Und was bewegt sie, eine Auszeit vom Job zu nehmen und für eine gewisse Zeit Vollzeit-Papa zu sein?
André Gajek aus Norderstedt hat sich entschieden, Elternzeit zu nehmen, – ganz bewusst. Schon als sein Sohn Philipp im Oktober 2009 auf die Welt kam, tauschte Gajek, der in der Entwicklung eines Autoteile-Zulieferers arbeitet, zwei Monate den Büro-Alltag gegen Fläschchen geben und Windeln wechseln. „Wir haben uns ein Konzept überlegt, um die ersten Wochen durchzustehen“, erinnert sich Anja Gajek, die als Bankkauffrau in den Job-Alltag zurückgekehrt ist. „Ich bin früh schlafen gegangen, André hat die Nachtschicht übernommen, so ging es ganz gut.“ Die Erfahrungen helfen, als sich erneut Nachwuchs ankündigt.
„Als Luisa im November 2013 auf die Welt kam, habe ich gleich den ersten Monat Elternzeit genommen, gemeinsam mit meiner Frau Anja. Es war uns sehr wichtig, gerade die allererste Zeit mit dem Baby zusammen zu meistern – aber auch zu genießen. Die gemeinsame Zeit hat uns zusammengeschweißt, sowohl meine Frau und mich, als auch mich und meine Kinder“, erinnert sich der gebürtige Hamburger.
Vergnügt spielt der 45-Jährige mit seiner zwei Jahre alten Tochter Luisa im Garten, hebt sie hoch und kitzelt sie. Luisa kichert ausgelassen. Wenige Augenblicke später erklimmt das blonde Mädchen die Leiter zum grünen Spielhaus, wo ihr Bruder Philipp gerade sein Modellflugzeug durch die Luft gleiten lässt. „Papa, wann fahren wir mal wieder zum Flughafen?“, fragt der Sechsjährige. „Auf jeden Fall bald“, sagt André Gajek. Flugzeuge beobachten – eine gemeinsame Leidenschaft von André Gajek und seinen Kindern.
Viele Väter befürchten berufliche Nachteile
Schaut man Vater und Kindern zu, bleibt kein Zweifel – das Trio ist ein gutes Team. Von der Möglichkeit, auch als Vater Elternzeit zu nehmen, hat André Gajek in seinem Bekanntenkreis erfahren. „Diese Erfahrung wollte ich auch machen. Meine Arbeitgeber hatten zum Glück bei beiden Elternzeiten keine Einwände.“
Das ist nicht immer so. Noch immer scheuen sich einige Männer davor, Elternzeit zu beantragen. Sie haben Angst, dadurch im Unternehmen mit beruflichen Nachteilen rechnen zu müssen. Einige versuchen dieses Dilemma zu kompensieren, indem sie während der Elternzeit von zu Hause aus arbeiten. Andere halten den Kontakt zur Firma über ihr Diensthandy und sind jederzeit erreichbar. Für André Gajek keine Option. „Ich wollte hundertprozentig für meine Frau und die Kinder da sein, nicht mit halbem Ohr immer in der Firma. Das hat sich gelohnt – ich habe die gemeinsame Zeit sehr genossen und eine tolle Beziehung zu meinem Sohn und meiner Tochter aufgebaut.“
Elterngeld kann nach der Geburt beantragt werden
Auch Jens-Alexander Nüchter, der mit seiner Familie in Norderstedt lebt, ist froh, bei seinen beiden jüngeren Kindern Elternzeit genommen zu haben. Bei seinem ältesten Sohn hat das aus beruflichen Gründen nicht geklappt. Der dreifache Vater hat sich, gemeinsam mit Ehefrau Antje, wie Anja und André Gajek für Partnermonate entschieden. In diesen bleiben beide Eltern zu Hause, das Elterngeld wird entsprechend berechnet. „Wenn es für das Paar finanziell hinhaut, kann ich es nur jedem empfehlen“, sagt Jens-Alexander Nüchter, der als Geologe bei einem internationalen Mineralölkonzern arbeitet. „In meiner Firma ist es mittlerweile Normalität, dass junge Väter Elternzeit nehmen. Die Firmenleitung unterstützt dies ausdrücklich“, sagt der 40-Jährige, während er mit Lina, ein Jahr, Mattis, zweieinhalb Jahre, und dem fünf Jahre alten Nils im Kinderzimmer Matchbox-Autos durch das bunte Spielparkhaus flitzen lässt. So wie André Gajek hat auch der gebürtige Nordrhein-Westfale die zwei Elternzeit-Monate nicht am Stück, sondern gesplittet genommen. „So konnte mein Mann zum Beispiel bei unserem Sohn Mattis die Eingewöhnung in der Krippe übernehmen oder mit unserem ältesten Sohn etwas unternehmen, während ich mich um Lina gekümmert habe. Das war für alle sehr schön“, sagt Ehefrau Antje, die gelernte Geografin ist.
Jens-Alexander Nüchter ist ebenfalls überzeugt: „Ich würde jederzeit wieder Elternzeit nehmen. Auch die meisten meiner Freunde haben die Möglichkeit genutzt. In dieser Zeit habe ich die Bindung zu unseren Kindern deutlich stärken können und auch ein besseres Verständnis für die Belastung meiner Frau entwickelt. Ohne die Zeit zu Hause wäre der Erziehungsalltag für mich sicherlich wesentlich abstrakter geblieben.“