Boostedt. Spender finanzieren das Gastspiel des Zirkus „Ubuntu“ im Erstaufnahmelager für Flüchtlinge in Boostedt

Die Blicke verraten Neugier. Diszipliniert sitzen die Kleinen ganz vorn. Noch dauert es, bis die Vorstellung beginnt. Die Jungen und Mädchen bleiben still. Sie schauen nach vorn in Richtung Bühne. Viele fragen sich vermutlich, was auf sie zukommen wird. Sie haben gehört, dass ein Zirkus in der Erstaufnahmeeinrichtung für Flüchtlinge in Boostedt auftreten wird. Doch was ist ein Zirkus, fragen sich viele der Kinder. Sie kommen aus Syrien, dem Irak und aus Afghanistan, sind vor Not und Krieg geflohen und sollen in der schmucklosen Turnhalle der früheren Kaserne eine besondere Erfahrung erleben – Spaß.

„Sie sollen hier voll und ganz Kind sein; dafür gibt es nichts Besseres als Zirkus“, sagt Maria von Glischinski vom Roten Kreuz, die das Betreuungsprogramm in der Unterkunft leitet und den Mitmachzirkus „Ubuntu“ engagiert hat. Die Auftritte der jungen Truppe gehören zum Projekt „Auszeit“, das vom Roten Kreuz in Neumünster für Flüchtlingskinder gegründet wurde. Unternehmen und Privatpersonen spenden für die jüngsten Bewohner der Unterkünfte in Boostedt und Neumünster.

„Die Idee, den Zirkus einzuladen,ist spontan entstanden“

Die Auftritte von „Ubuntu“ hat die VR Bank finanziert. 2500 Euro kostet das Spektakel der Zirkusleute, die bei dem nasskalten Aprilwetter froh sind, statt im Zelt in der Halle auftreten zu können. Jahrzehnte lang haben dort Soldaten ihre Fitness trainiert. Jetzt heißt es hier „Manege frei!“

Hinter dem Vorhang gehen die Vorbereitungen weiter. Immer noch warten die Kinder auf den Plastikmatten im Zuschauerraum still und aufmerksam auf das Spektakel, das Zirkus heißt. Und dann geht es los: Aus den Lautsprechern ertönt Musik. Junge Menschen jonglieren auf dem Turnhallenboden mit Bällen, balancieren Rollen und Brettern und zeigen, wie gut sie mit den Springseilen umgehen. Die Kleinen schauen gebannt nach vorn und applaudieren eifrig jeden Auftritt. Die älteren Zuschauer zeichnen mit Smartphones die komplette Vorstellung auf.

„Die Idee, den Zirkus einzuladen, ist spontan entstanden“, sagt Magdalena Drywa vom Landesamt für Ausländerangelegenheiten. Erst in der Woche zuvor sei die Planung konkret geworden. Das Landesamt betreut in Boostedt deutlich weniger Flüchtlinge als noch vor einigen Monaten. Zum Jahreswechsel waren es weit über 1000, jetzt schwanken die Zahlen zwischen 400 und 500. Davon sind 30 Prozent Kinder.

Beim Auftritt des Jongleurs mit der bunten Nase läuft es nicht rund. Die Bälle fallen herunter, doch er bewegt sich weiter, als wäre nichts passiert – die Einlage eines Clowns aus der Zirkustruppe. Die kleinen Zuschauer klatschen, einige lächeln.

Demnächst besuchen die Kinder eine Märchenvorstellung in Neumünster

Sechs bis acht Wochen sind die Kinder in der Regel in der Erstaufnahme. Sie können Spielzimmer nutzen, gehen in der Unterkunft in eine der sechs Klassen und bekommen Deutschunterricht. „Das Angebot für die Kinder ist vielfältig“, sagt Marian von Glischinski. „Wir müssen uns darum kümmern, dass sie immer wieder aus dem Flüchtlingsalltag herauskommen und eine Auszeit bekommen.“ Demnächst besuchen Kinder die Vorstellung des Märchens „Kalif Storch“ in der Stadthalle von Neumünster.

Fast alle Jungen und Mädchen haben Krieg und Flucht hinter sich. „Manche Kinder haben nicht den Gesichtsausdruck eines Kindes, sondern eines alten Menschen“, hat die Rot-Kreuz-Helferin festgestellt. Haben sie und ihre Kollegen den Verdacht, dass ein Kind unter einem Trauma leidet, bitten sie den ärztlichen Dienst in der Unterkunft um Hilfe. Das Team sei sehr nah an den Kindern dran, sagt von Glischinski.

Nach jeder Vorstellung bittet der Zirkus die Zuschauer mitzumachen

Die Darsteller von „Ubuntu“ sind kaum älter als viele ihrer Zuschauer. Die zwölf- bis 15-jährigen Jungen und Mädchen leben in einer Jugendhilfeeinrichtung in Horst bei Elmshorn. Zu den Fächern in ihrer Schule gehören auch Jonglage und Handstand. Die jungen Artisten sind viel unterwegs. Nach jeder Vorstellung bitten sie die Zuschauer mitzumachen. Auch die Kinder in Boostedt testeten ihr Talent beim Jonglieren und ließen sich grellbunt schminken.

Das „Ubuntu“-Ensemble freut sich über das ungewöhnliche Gastspiel in Boostedt. „Das Publikum war toll“, sagt die 14-jährige Ebro über das Gastspiel in Boostedt. „Ich freue mich, wenn die Zuschauer begeistert und beeindruckt sind.“