Norderstedt . Nina Petri und Nicki von Tempelhoff spielten in dem Drama „Gift. Eine Ehegeschichte“ im Norderstedter Kulturwerk bis zur Selbstaufgabe.
Das Publikum verharrte in stiller Spannung und Mitgefühl, und im Saal des Norderstedter Kulturwerks herrschte eine Atmosphäre tiefer Betroffenheit über das dichte, berührende Spiel, mit dem die Schauspieler Nina Petri und Nicki von Tempelhoff ein Ehepaar spielen, das sich nach zehn Jahren am Grab seines Kindes zum ersten Mal wieder trifft.
„Gift. Eine Ehegeschichte“ heißt das Schauspiel von Lot Vekemans, in dem das Ehepaar versucht, sich den Tod des Kindes und die anschließende Flucht des Mannes vor dem Leid der Frau zu erklären. Das geht an die Substanz und bricht alle Wunden auf, es entblößt die tief verletzten Seelen und spült das gegenseitige Nicht-Verstehen und Nicht-Verstehen-Können empor.
Das Bühnenbild des Designers Peter Schmidt zeigt die Verlorenheit des Paares, die Musik von Johannes Huth unterstreicht das Ausweglose.
Nina Petri und Nicki von Tempelhoff setzen diesen Krieg, den beide nicht wollen, weil sie sich doch wiederfinden möchten, bis zur Aufgabe ihrer eigenen Person um. Sie leben ihre Rollen. Petri bohrt mit der Verzweiflung der verwaisten Mutter und der Wut der verlassenen Frau nach dem Warum, spielt mit dem Wissen darüber, wie sehr sie ihr Gegenüber verletzt und kann es dennoch nicht lassen. Zu tief sitzt die Trauer. Sie rennt dem Mann in die Arme und schleudert ihm Verachtung entgegen, sie lacht über seine Verletzbarkeit und will ihn heilen – ein kaum zu überwindender Zwiespalt, den Nina Petri exzessiv und voll Hingabe an den Schmerz ausspielt. Ebenso Nicki von Tempelhoff. Auch er martert in der Figur des verwaisten Vaters sich selbst und seine Frau, doch er ist endlich in der Lage, den Schmerz über den Tod des Kindes zu benennen. Von Tempelhoff ist ganz der Vater, er stürzt auf die Bühne, schreit, tobt, wütet und bricht verzweifelt in Tränen aus.
Die Erschöpfung nach dem Sturm lässt beide aufeinander zugehen. Petri und von Tempelhoff verstehen es, auch die leisen, die verzeihenden Nuancen des Stücks darzustellen, bis zu dem Moment, der zeigt, dass sie doch wieder in ihr eigenes Leben gehen müssen. Dankbarer Applaus.