Vor 60 Jahren verhalf Ernst Bader Freddy zum Durchbruch. Bader war wohl der erfolgreichste deutsche Schlagertexter, der fast 50 Jahre in Garstedt zu Hause war.

Freitag, 22. Februar 1956. In der Hamburger Musikhalle treffen sich um 10 Uhr morgens Musiker, Techniker und ein bis dahin unbekannter Sänger, um Aufnahmen für eine Schallplatte zu machen. Unter den Anwesenden ist auch ein Mann aus Norderstedt, der gespannt beobachtet, was auf der Bühne geschieht: Ernst Bader, damals 38 Jahre alt, hatte den Text für eines der beiden Lieder geschrieben. „Heimweh“ soll auf die B-Seite der Platte. „Sie hieß Mary Ann“ ist für die A-Seite vorgesehen. Vor dem Mikrofon steht Freddy Quinn, ein in der Gesangsausbildung stehender junger Mann, der im Prinzip eigentlich gar nicht als Interpret vorgesehen war. Der populäre René Carol war gebucht, ist jedoch aus besonderen Gründen unabkömmlich: Er sitzt, so wird gemunkelte, nach einer Trunkenheitsfahrt in Haft. Also muss der 21 Jahre alte Gesangsschüler Freddy, der 1954 von Jürgen Roland und Werner Baecker in der Washington Bar auf St. Pauli entdeckt worden war, als Ersatz herhalten.

Freddy Quinn und Ernst Bader schufen den Schlager des Jahrzehnts

Für Ernst Bader und Freddy Quinn ist das eine Entscheidung, die das Leben beider entscheidend beeinflussen sollte. „Heimweh“, die deutsche Fassung des Dean-Martin-Hits „Memories Are Made Of This“, entwickelt sich nach zögerlichem Start und zunächst schlechten Kritiken zum Schlager des Jahrzehnts. Rund sechs Millionen verkaufte Singles, unzählige Coverversionen, monatelang Platz eins der damaligen Hitparade. Mehr geht nicht. Die deutsche Fassung wird erfolgreicher als die Originalversion. Ernst Bader und Freddy Quinn kreieren einen Song, der den Nerv der Menschen trifft. „Ich sollte einen Legionärstext ohne das Wort Legionär schreiben“, sagte Ernst Bader später. Stattdessen dichtete er: „Brennend heißer Wüstensand…“

Diese erste Zusammenarbeit macht aus Ernst Bader und Freddy Quinn Freunde fürs Leben. Der Schlagerstar singt später einige weitere Lieder, die zu großen Erfolgen werden. 1966 schaffen sie mit dem Anti-Kriegs-Lied „Hundert Mann und ein Befehl“ einen weiteren Nummer-eins-Hit. Bis zu Baders Tod im Jahre 1999 stehen sich die beiden Männer nahe. Der Schlagertexter gehört zum engsten Freundeskreis von Freddy Quinn.

Als Schauspieler wirkte Ernst Bader in bedeutungslosen Filmen mit

Ernst Bader, 1914 in Stettin geboren, besucht die Schauspielschule, erkennt aber schon als Schüler seine lyrische Begabung. Er wirkt in einigen Filmen mit, die während der Kriegswirren in der Bedeutungslosigkeit versinken, tritt nach 1945 als Alleinunterhalter, Pianist, Kabarettist und Conférencier in Varietés auf, bevor 1949 das von ihm getextete und komponierte „Totolied“ von Friedel Hensch und den Cypris populär gemacht wird. 1951 wechselt Bader als Werbechef in einen Musikverlag, wo er auf Anraten seines Chefs Hans Sikorski beginnt, im großen Stile Schlagertexte zu schreiben. „Schreiben Sie Texte, dann werden Sie reich “, sagt ihm der Chef. Er behält recht. 900 Liedertexte schreibt Ernst Bader, die meisten in den 50er- und 60er- Jahren. Viele werden große Hits. Bis 1967 hat er damit so viel Geld verdient, dass er sich aus dem aktuellen Schlagergeschäft zurückzieht und sein Haus mit Garten in Norderstedt genießen kann.

Ernst Bader gehört zu den Verfassern von Schlagertexten, in denen er das Lebensgefühl der damaligen Generation einfängt. Es geht um die Sehnsucht nach der Ferne („Tiritomba“„ Blue Bayou“), andererseits um die Hoffnung, nach den Kriegserlebnissen endlich wieder ein ruhiges Zuhause zu haben („Übers Jahr, wenn die Kornblumen blühen“). „Am Tag als der Regen kam“ gehört zu seinen größten Erfolgen. Bader textet zunächst „Am Tag als die Sonne kam“, aber der Musikverleger will unbedingt den Regen in der Titelzeile. Tatsächlich landet der Titel zunächst in der Schublade, da die Plattenfirma nicht an den Erfolg eines Schlechtwetter-Liedes glauben. Aber dann tritt Petrus auf den Plan: Der Sommer 1959 ist einer der heißesten Sommer seit Menschengedenken, wochenlang bleibt es trocken – und dann kommt die Platte mit der rauchigen Stimme der in Kairo geborenen Italo-Französin Dalida auf den Markt. Das Ergebnis: Millionenauflage, sieben Wochen Spitze in den Charts, ein Evergreen, der im Ohr geblieben ist. Bader kassiert Pfennigbeträge für jede verkaufte Schallplatte oder für jeden Rundfunk- und Konzerteinsatz. Aber die Masse macht’s: Er wird Millionär.

„Tulpen aus Amsterdam“ hat sich zu einer wahren Hymne entwickelt

Dazu trägt vor allem ein Lied bei, das sich bis heute in den Herzen der Menschen gehalten hat: „Tulpen aus Amsterdam“. 1956 geschrieben, ursprünglich aufgenommen von der niederländischen Sängerin Mieke Telkamp. Das Lied mit der Melodie von Ralf Arnie entwickelt eine Strahlkraft, die einer Hymne gleichkommt. Bei der Feier zur Silberhochzeit des niederländischen Königspaares im Jahre 1962 stimmen Tausende das Lied an, selbst die Königin singt mit.

Ernst Bader ist glücklich, zumal er damit etwas ganz Besonderes schafft: Amsterdam war eigentlich eine ziemlich tulpenlose Stadt. Das ändert sich erst nach dem Erfolg dieses Liedes. „Die ganze Nation hat gelacht“, sagt Ernst Bader später. „Aber man sieht ja, was daraus geworden ist.“

Er arbeit mit Edith Piaf und Charles Aznavour zusammen. Mit Marlene Dietrich hält er Kontakt bis zu ihrem Tod 1992: Ernst Bader gehört zu den wenigen, die ihre Pariser Telefonnummer kennen und mit denen die zurückgezogen lebende Diva regelmäßig telefoniert. Der Autor dieser Zeilen darf einmal mithören. „Ach, der Bader“, sagt die Dietrich mit ihrer rauchig-herben Stimme. Dann tauschen beide Alltagserlebnisse aus. Jedes Jahr schickt er ihr einen Baumkuchen.

Im Frühling 1952 kauft Ernst Bader ein Grundstück am Binsenstieg in Garstedt, im Sommer beginnt der Hausbau. Immer, wenn die Kasse knapp ist, wird der Bau für einige Zeit stillgelegt. Kommen 50 Mark herein, kauft er 1000 Steine. So zieht sich der Bau bis 1956 hin, aber dann kann er ein schuldenfreies Haus beziehen, das für ihn ein Stück heile Welt wird, über die er in Liedern wie „Ich bin so gern zu Hause“ schreibt. Das Haus bleibt 40 Jahre sein Lebensmittelpunkt, Garstedt seine neue Heimat. Legendär werden seine „heiligen Dienstage“: In der urig eingerichteten Kellerbar treffen sich jede Woche viele Prominente und „normale“ Freunde. Einladungen werden nie ausgesprochen, aber immer ist es gerammelt voll. Auch als Millionär denkt er nicht daran wegzuziehen. In seinen Memoiren schreibt er: „Ich ziehe nicht nach Blankenese oder an die Alster oder bau‘ mir ein Haus in irgendeinem fernen Steuerparadies. Nein, ich bin in Norderstedt-Garstedt angewurzelt.“

Seine Lieder haben Ernst Baderreich gemacht

Selbstverständlich bleibt Ernst Bader bis kurz vor seinem Tod aktiv. Nun schreibt er keine Schlager mehr, sondern arbeitet an Musicals („Der Junge von St. Pauli“) mit und schreibt Bücher, ist Professor an der Musikhochschule. Seine Lieder haben ihn reich gemacht, sein Vermögen investiert er jedoch nicht vorrangig in den eigenen Wohlstand, sondern, seinen sozialistischen Neigungen folgend, in Menschen und in Ideen für eine bessere Welt. Er unterstützt den Bau eines Krankenhauses in Israel, finanziert aber auch eine Druckmaschine für die Anti-Springer-Aktivisten, damit sie ihre Botschaft auf Flugblättern verbreiten können, anstatt Steine als Argumente zu missbrauchen. Der tiefgläubige Christ Ernst Bader beschenkt viele Organisationen, in seinem Testament bedenkt er auch die SOS-Kinderdörfer. Die Gründung des St.-Pauli-Museums ist seiner Spendenbereitschaft zu verdanken. Die letzten Lebensjahre verbringt er im Seniorenheim Scheel in Norderstedt, wo er Musiknachmittage veranstaltet, bei denen Ilse Werner und Su Kramer auftreten.

Hamburg ehrt Ernst Bader auf besondere Weise: 1994 erhält er in Anerkennung seiner kulturellen Leistungen die Biermann-Ratjen-Medaille. Noch vor Freddy Quinn übrigens, der damit erst später ausgezeichnet wird. In Norderstedt wurde ihm bisher noch keine Ehrung zuteil. Das sollte sich ändern, meint Heimatforscher Gerd Meincke: Er setzt sich dafür ein, dass demnächst eine Straße oder ein Platz nach Ernst Bader benannt werden.