Nützen. Das Erbe von Ritchie Blackmore lastet auf Jürgen R. Blackmore. “Smoke on the Water“ hat ihm Türen geöffnet – aber auch verschlossen.

Das rote Backsteinhaus passt zu Nützen: In seiner Unauffälligkeit strahlt es gediegene Bürgerlichkeit aus. Nichts Besonderes – abgesehen vom Namensschild unter dem Klingelknopf. Blackmore: Dieser Name passt nicht in die Straße Mäusling, wo die Menschen normale deutsche Namen haben. Wer hier klingelt, wird von einem freundlichen Herrn im mittleren Alter begrüßt. Die schwarzen Haare fallen locker ins Gesicht, an der Halskette hängt ein großer Anhänger, auf dem die Buchstaben JRB zu erkennen sind. Das ist auch noch nicht besonders auffällig. Aber die Ähnlichkeit. Diese Ähnlichkeit. Es steht Jürgen R. Blackmore förmlich ins Gesicht geschrieben, wessen Sohn er ist: Ritchie Blackmore ist der Vater dieses Mannes mit dem melancholischen Gesichtsausdruck, der den Besucher in das modern eingerichtete Wohnzimmer des Hauses bittet. Hier lebt er mit Freundin Anja und seiner 21-jährigen Tochter aus erster Ehe.

Der Name Ritchie Blackmore sagt allen etwas, die sich in der Rockgeschichte der vergangenen 50 Jahre auskennen. Er war 1968 Mitgründer und Leadgitarrist der Band Deep Purple. Der von ihm mitgeschriebene Song „Smoke on the water“ gehört zum musikalischen Weltkulturerbe, verkaufte sich zwölf Millionen Mal und gilt laut Umfrage in den USA nach der Nationalhymne als zweitbekanntestes Lied. Deep Purple füllt noch heute die Arenen der Welt – allerdings ohne Papa Ritchie, 70, der sich längst anderen musikalischen Projekten widmet.

Als Sohn einer Rocklegende hätte Jürgen R. Blackmore eigentlich ein sorgloses Leben führen können. Aber vom Ruhm und vom Geld des Vaters hat er wenig. Eigentlich nichts. Nur der Name ist ihm geblieben. Denn Vater und Sohn haben schon seit Jahren keinen direkten Kontakt mehr und erfahren höchstens über einen gemeinsamen Freund, wie es im Leben des jeweils anderen aussieht.

Legende der Rockgeschichte

Songs wie „Child In Time“, „Smoke On The Water“ und „Highway Star“ haben Deep Purple zu den einflussreichsten Vertretern des Hard Rock gemacht.

Die Bandmitglieder aus der erfolgreichen Ära nach 1969 sind Legenden der Rockmusik: Ritchie Blackmore, Jon Lord, Ian Gillan, Roger Glover, Ian Paice.

Die Band zählte von Anfang an zu den bekanntesten und am meist tourenden Liveacts der Rockgeschichte.

Heute spielen noch Glover, Gillan und Paice in der Band. Lord verstarb 2012.

Deep Purple ist ein Slangausdruck für LSD.

Blackmore verließ die Band 1975, spielte aber von 1984 bis 1993 wieder mit Deep Purple in einer Reunion zusammen.

In der Zwischenzeit gründete er die Band Rainbow, mit der er ebenfalls große kommerzielle Erfolge feiern konnte. Heute widmet er sich der Stilrichtung Renaissance Rock.kn

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Von 1964 bis 1969 war Ritchie Blackmore mit der Hamburgerin Margit Volkmar verheiratet. Sie kannte sich in der britischen Musikszene aus, knüpfte Kontakte zu einflussreichen Musikern wie Paul McCartney, zu Produzenten und ebnete so ihrem begabten jungen Mann den Weg zu einer großen Karriere. Sohn Jürgen Richard kam am 7. Oktober 1964 in London zur Welt. Nach der Trennung der Eltern kam es nur noch zu sporadischen Kontakten mit dem Vater, die Großeltern in London aber besuchte Jürgen R. Blackmore auch weiterhin regelmäßig.

Dass er einen berühmten Vater hat, merkte der Sohn, der inzwischen in Eimsbüttel lebte, erst mit etwa zehn Jahren – auf eher unangenehme Weise: „In der Schule wurde ich oft beleidigt, weil die Mitschüler meinten, ich wäre wegen meines berühmten Vaters eingebildet und etwas Besseres.“ Etwa um diese Zeit begann sich Jürgen R. Blackmoore mit der Musik seines Vaters auseinanderzusetzen. Er durfte Deep Purple in den Ferien gelegentlich auf Tourneen begleiten, und der Papa schenkte ihm nach einem Konzert in Hamburg seine Fender Stratocaster, die im Nützener Blackmore-Haus noch heute wie ein Schatz gehütet wird.

Die musikalischen Gene hat der Vater an den Sohn auch weitergegeben., Jürgen R. lernte Gitarrenbauer, brachte sich das Spielen weitgehend selbst bei und stand bald auch auf der Bühne. Der Name Blackmore half ihm allerdings wenig: „Viele Produzenten blockten sofort ab, wenn sie meinen Namen hörten“, sagt Jürgen R. Blackmore. „Es wurden zwar Türen geöffnet, andere aber auch verschlossen.“ Mit dem Nachnamen hat er einen Stempel fürs Leben auf die Stirn gedrückt bekommen.

Bei einem Deep-Purple-Konzert in Hamburg stand Jürgen auf der Bühne

Immerhin spielt er die Gitarre so gut, dass er mit Vaters Segen als Leadgitarrist in die Band „Over the Rainbow“ einstieg. Mit dabei waren Mitglieder der einstigen Heavy-Metal-Band Rainbow, die Ritchie Blackmore nach seinem Abschied von Deep Purple gründete und zu Weltruhm führte. Jürgen R. erlebte ein paar Jahre, wie es ist, als Musiker umjubelt zu werden: Die Band tourte um die Welt und spielte in großen Hallen.

Einen weiteren Höhepunkt gab es während des letzten Deep-Purple-Gastspiels in Hamburg: Die Musiker baten Ritchies Sohn, den sie alle schon als kleinen Jungen kennengelernt hatten, auf die Bühne und spielten mit ihm als Leadgitarristen „Smoke on the Water“. Ein Youtube-Video beweist es: Der Jubel in der Halle war grenzenlos. Jürgen war im Geschäft.

Dann allerdings kam der Rückschlag: Seit zwei Jahren leidet Jürgen R. Blackmore an schwerer Borreliose, ausgelöst vermutlich durch einen Zeckenbiss. Ärzte und Heilpraktiker können nicht helfen. Auf die Bühne kann er zurzeit nicht, seine musikalischen Ambitionen lebt er auf ander Weise aus: Er bietet im Internet unter www.musikerei.de personalisierte Musik für jeden Anlass an. Goldene Schallplatten und CDs, auf Wunsch individuell zusammengestellt für Privatleute und Firmen.

Ein schwacher Ersatz für die musikalische Leidenschaft, die in ihm brodelt. Aber mehr geht einfach nicht. „Manchmal geht es mir gut, aber von einer Minute auf die andere haut es mich um“, sagt er. „Ich bin schlapp, kann mich kaum rühren, habe Schweißausbrüche.“

Sein Leben lang beschäftigt ihn auch die Frage, warum sein Vater nicht nur ihn verstoßen hat, sondern auch viele seiner besten Freunde. „Ich kann nicht nachvollziehen, dass er keine Kontakte will.“ Die Telefonnummer seines berühmten und reichen Vaters hat er nicht, er könnte ihn vermutlich über sein Büro oder seine Agentur erreichen. Aber diese Blöße will sich Jürgen R. Blackmore nicht geben – auch wenn es ihm, wie jetzt, nicht gut geht. „Ich wollte nie einen berühmten Vater haben, ich hätte viel lieber einen gehabt, der mit mir Angeln geht oder Fußball spielt.“

Im Augenblick beschäftigt ihn auch die Krankheit seiner in Quickborn lebenden Mutter: Sie liegt in Schnelsen im Krankenhaus, der Sohn besucht sie täglich. Kontakte zu ihrem früheren Mann hat Margit Blackmore auch nicht mehr. Dabei war sie es, die ihm in seinen musikalischen Anfangsjahren finanziell den Rücken freihielt und die Familie zusammengehalten hat. Aber Jürgen hat nicht nur schlechte Erinnerungen an seinen Vater: „Wir waren eine richtige Familie, als ich klein war.“