Henstedt-Ulzburg. Frauen, die nach der Familienphase wieder arbeiten wollen, haben es schwer. Eine Betroffene erzählt von ihren Erfahrungen.

Schöne neue, globalisierte Welt des 21. Jahrhunderts: Der Alltag ist digital durchorganisiert, die Jobs sind weltweit vernetzt, es gibt flache Hierarchien und Home Office. Und doch: Wenn es ums Bezahlen geht, dann ist Schluss mit modern. Die Beraterinnen bei „Frau & Beruf“ in Henstedt-Ulzburg hören in so gut wie jeder Sitzung, was die Statistiker genau errechnet haben. In Deutschland erhalten Männer durchschnittlich 22 Prozent mehr Geld als Frauen – für die gleiche Arbeit. „Gender Pay Gap“ ist der international gängige Begriff hierfür, auf Deutsch bedeutet das so viel wie „geschlechterspezifisches Lohngefälle“.

Zementiert wird dieser Unterschied vor allem, wenn eine Frau aufgrund einer Familienphase pausiert hat. Das Abendblatt sprach mit einer 44 Jahre alten Henstedt-Ulzburgerin, die „Frau & Beruf“ um Hilfe gebeten hat. Die vierfache Mutter wollte anonym bleiben.

Trotz Diplom und Bachelor gab es nur einen 700-Euro-Praktikumsplatz

In der Bundesrepublik lebt die Frau seit 17 Jahren, sie stammt aus Osteuropa, wo sie mit 21 ihre erste Tochter bekam – und trotzdem ein Ökonomie-Studium mit Diplom abschloss. Für den deutschen Arbeitsmarkt qualifizierte sie das nicht, das Papier wurde nicht anerkannt, wie sich nach der Einwanderung herausstellte. „Da musste ich schlucken.“ Ihr blieb keine Wahl: Fünf Monate lang besuchte sie Sprachkurse, bewarb sich dann in Hamburg für ein BWL-Studium, das sie im Wintersemester 2000 begann.

„Nach einem Jahr wurde ich dann mit meiner zweiten Tochter schwanger, habe deswegen sechs Semester ausgesetzt. In dieser Zeit habe ich permanent deutsche Bücher gelesen, Fernsehen auf Deutsch geschaut – als ich dann mein Studium fortsetzte, konnte ich alles verstehen.“

Ganz normal war es, dass sie ihre kleine Tochter morgens um 8 Uhr beim Kindergarten auf dem Campus abgab und nachmittags um 16 Uhr wieder abholte. Stand eine späte Vorlesung auf dem Stundenplan, saß sie mit Kinderwagen in der letzten Reihe. „Das war eine heftige Herausforderung.“

Im Alter von 38 Jahren hatte die Frau schließlich alle Prüfungen bestanden, hielt den Bachelor-Abschluss in der Hand. Fachlich war sie versiert in IT-Management, SAP und Bilanzbuchhaltung – doch wieder taten sich Hindernisse auf. „Wegen meiner fehlenden Berufserfahrung war es total schwierig, eine Stelle zu finden.“ Denn während Kommilitonen Praktika absolvierten oder bereits parallel in Unternehmen jobbten, kümmerte sie sich um ihre Kinder. „Ich musste ja schon immer anderthalb Stunden nach Henstedt-Ulzburg fahren.“ Verheiratet war sie zwar, aber: „Mein Mann hat Karriere gemacht und gesagt, das Studium sei mein Hobby. Er hat nicht geglaubt, dass ich es schaffe.“

Der Einstieg in das Berufsleben war zunächst eine schlecht bezahlte Praktikumsstelle bei einer Firma in ihrer Heimatgemeinde – anfangs verdiente sie 700 Euro in einer 40-Stunden-Woche. „In der Mittagspause bin ich immer nach Hause gehetzt, habe die Kinder aus der Kita abgeholt, Essen gemacht, musste dann auch noch mit dem Hund raus. Ich hatte permanent Schuldgefühle, weil ich arbeiten und den Kindern erklären musste, warum ich nicht die Zeit mit ihnen verbringen konnte.“ Nach und nach wurde die Bezahlung zwar besser, doch das Spannungsfeld Kinder/Beruf blieb, sie fühlte sich nicht als gleichwertige Mitarbeiterin respektiert. Mittlerweile hat sie die Stelle aufgegeben. Auch weil sie noch zweimal Mutter geworden ist und ein Fulltime-Job nicht mehr zu schaffen war.

Gisela Malasch hat sich diese Lebensgeschichte angehört, so wie unzählige weitere zuvor. Die Kommunikationswissenschaftlerin arbeitet als Beraterin für „Frau & Beruf“. Das Angebot ist öffentlich gefördert vom Land Schleswig-Holstein und der EU, Träger ist die Wirtschaftsentwicklungsgesellschaft des Kreises. Unter Malaschs Gesprächspartnerinnen sind viele Akademikerinnen, die sehr gebildet sind, aber auf dem Arbeitsmarkt schlechte Chancen haben. „Die Situation ist dramatisch, wenn eine Frau zwar studiert hat, aber lange aus dem Beruf raus ist“, sagt Malasch.

Firmen sollen eine bedarfsgerechte Kinderbetreuung anbieten

Sie beschreibt ein Grundsatzproblem: „Wenn eine Frau heute sagt, sie war Hausfrau, ist das automatisch eine Abqualifizierung. Es ist das allgemeine Bild, wir definieren uns über Arbeit. Aber Frauen sollten auf keinen Fall lügen, sondern Lücken im Lebenslauf begründen. Aus Familienmanagement gewinnt man Sozialkompetenz.“

Die heutige Arbeitswelt sei „nicht kinder- und familienfreundlich“, sagt Svenja Gruber, die Gleichstellungsbeauftragte der Gemeinde Henstedt-Ulzburg. „Ich rate Frauen, immer so früh wie möglich beruflich Fuß zu fassen und Alterssicherung zu betreiben.“

Ähnliches empfiehlt Gisela Malasch. „Es ist wichtig, dass junge Frauen möglichst nur kurz in der Familienphase sind.“ Gleichermaßen fordert sie bedarfsgerechte Kinderbetreuung und mehr Flexibilität bei Unternehmen. „Ich wünsche mir mehr Arbeitgeber, die Teilzeitarbeit ermöglichen und auf die Bedürfnisse der Frauen und Familien eingehen.“

Die nächsten Beratungstermine bei
„Frau & Beruf“:
11. und 25. Februar; 10. und 24. März; 14. und 28. April in Henstedt-Ulzburg, Haus der Sozialen Beratung, Rathausplatz 3. Anmeldung unter Telefon 04551/94 40 02.