Kattendorf. Charlotte Richter-Peill hat zum dritten Mal den Literaturförderpreis der Stadt Hamburg erhalten – für ein unveröffentlichtes Manuskript

Charlotte Richter-Peill gehört eher nicht zu den Menschen, die durch übertriebenes Selbstbewusstsein auffallen. Sie wirkt zart, sensibel, zurückhaltend – aber nicht scheu. Fragen beantwortet sie schnell und sehr direkt. Wie ein Engel schwebt sie durch den Raum, aber in ihrem Inneren scheint es etwas zu geben, das manche vielleicht als „dunkle Seite“ bezeichnen würden. Sie hadert nicht damit, sondern zieht Nutzen daraus: Die 47 Jahre alte Kattendorferin ist Schriftstellerin. Und das in Vollzeit: Sie schreibt tendenziell mystische Geschichten, die von großen Verlagen veröffentlicht wurden. Dafür bekommt sie Anerkennung: In der vergangenen Woche erhielt Charlotte Richter-Peill den Literaturförderpreis der Stadt Hamburg – nach 2001 und 2008 bereits zum dritten Mal.

Die 47-Jährige schreibt oft am Esstisch im Wohnzimmer oder im Hofcafé Ehlers

In der gemütlichen kleinen Wohnung in einer Hinterhofwohnanlage, die draußen viel Platz für gemeinsame Aktivitäten der Bewohner bietet, lebt und arbeitet Charlotte Richter-Peill, die nur wenige mit Namen kennen, die aber doch Spuren im literarischen Leben der Republik setzt. Vornehmlich am Esstisch im Wohnzimmer – manchmal auch im Hofcafé Ehlers an der B 206 in Hasenmoor oder im Hamburger Writers Room in einer ehemaligen Dosenfabrik in Bahrenfeld – entstehen Geschichten für große, kleine und nicht mehr ganz kleine, aber noch nicht ganz große Leute. Die Autorin hat sich einerseits der Gattung „Gothic Novel“ verschrieben, die von den Verlagen wahlweise als Jugend- oder Erwachsenenliteratur eingestuft werden, andererseits der Gattung „Kindergeschichten“. Bei Goldmann und Rowohlt sind drei Romane erschienen, für die Hörfunksendung „Ohrenbär“, wochentags ausgestrahlt unter anderem von NDR Info (19.50 Uhr), schreibt sie seit vielen Jahren „Radiogeschichten für kleine Leute“ in Fortsetzung.

Warum schreibt eine zarte Frau Geschichten, die irgendwo in der Geisterwelt angesiedelt sind? „Jeder Autor hat wahrscheinlich sein Lebensthema“, sagt Charlotte Richter-Peill. „Bei mir ist es eben die dunkle Seite, mit der ich mich schon immer beschäftigt habe.“ Als Kind hat sie sich zum Beispiel mit Märchenfiguren identifiziert, die eher abseits standen und das Dunkle symbolisierten. Bei Aschenputtel interessierte sie nicht die Hauptfiguren, sondern die bösen Stiefschwestern.

Aus diesem Hang hat sie einen Beruf gemacht. Zwar studierte sie zunächst dieses und jenes, das meiste nie sehr lang, aber der Wunsch, als Autorin den Lebensunterhalt zu verdienen, verdichtete sich schon während dieser Zeit. Und irgendwann setzte sie ihn um. Bis ausreichend Geld aus der schriftstellerischen Tätigkeit floss, arbeitete sie nebenbei als Kellnerin und sparte Geld an. Nach den ersten Romanveröffentlichungen konnte sie diesen Brotjob aufgeben.

Charlotte Richter-Peill legt Wert auf die Festellung, dass ihre Romane zwar als „Gothic Novel“ bezeichnet werden, bei aller Mystik aber niemals ins Esoterische abgleiten. Die beiden ersten Romane „Die Köchin“ und „Das letzte Zimmer“, bei Goldmann erschienen, sind nicht mehr im Handel erhältlich, erscheinen aber als E-Books neu. In diesen beiden Fällen bediente sich die Autorin des Self-Publishing-Models, ist also ihre eigene Verlegerin. Das ist eine bewährte Methode: Es gibt Autoren, die machen damit Millionenumsätze. Hohe Auflagen, niedrige Preise – das ist das Erfolgsmodell. Das Buch „Magoria – Das Haus der Schatten“ ist 2013 bei Rowohlt erschienen und wird weiterhin verkauft.

Den Literaturpreis gewann sie für ein noch unveröffentlichtes Manuskript

Die Arbeit an den nächsten drei Büchern, die als Trilogie erscheinen, hat ihre Literatur-Agentur an einen „richtigen“ E-Book-Verlag verkauft. Die Arbeitstitel sind „Elysium“, „Nordland“ und „Eden“. Vor einer Woche hat sie den letzten Satz geschrieben. Während „Magoria“ nach dem bewährten Muster geschrieben wurde – junges Mädchen sieht „Schattenmenschen“ –, widmet sich Charlotte Richter-Peill in ihren nächsten drei Büchern der Gattung „Dystopie“: Es sind also fiktionale, in der Zukunft spielende Erzählungen mit eher negativem Ausgang.

Den Hamburger Literaturpreis gewann sie für ein noch unveröffentlichtes Manuskript – natürlich eine mystische Geschichte mit dem Titel „Die Reise“. Die Juroren waren begeistert.

Es gibt nicht viele Schriftsteller in Deutschland, die von ihrer Tätigkeit leben können, aber Charlotte Richter-Peill gehört dazu: Kindergeschichten für den Hörfunk, Kurzgeschichten in Anthologien, Romane, E-Books, Lesungen, Workshops, Coaching von Hobby-Autoren, Lektorate, gelegentliche Stipendien und Preise – all das zusammen genommen ist nicht üppig, aber es reicht für Lebensunterhalt und Auto.

Die Kattendorfer Autorin hat sich mit großer Disziplin ihren Lebenstraum erfüllt. Sie vergleicht es mit Berufsmusikern: „Wie ein Pianist der täglich seine Fingerübungen macht, ist es auch bei mir: Ich schreibe jeden Tag mehrere Stunden, egal ob mir wirklich etwas einfällt, ob ich gut oder schlecht drauf bin.“ Ideen sammelt sie nicht per Notizzettel, die kommen spontan, wenn sie am Schreibtisch sitzt. Nicht immer sind die Einfälle und das Geschriebene genial: Mit Absagen hat sie zu leben gelernt. Die werfen sie nicht zurück, auch wenn es ihr zunächst schwer fällt, damit fertig zu werden.

Im Laufe der Jahre hat Charlotte Richter-Peill an sich selbst einen Reifeprozess festgestellt, ausgelöst durch stetige Arbeit. „Ich bin im Laufe der Jahre besser geworden, zwischen der Anfangszeit und jetzt liegen Welten.“

Der Roman „Magoria – Das Haus der Schatten“ ist im Rowohlt Verlag erschienen, ISBN-10: 3499200139, 12,99 Euro. „Die Köchin“ und „Das letzte Zimmer“ gibt es bei Amazon in der Kindle Edition für 3,45 und 3,99 Euro. Die Roman-Trilogie mit den Arbeitstiteln „Elysium“, „Nordland“ und „Eden“ erscheint demnächst als E-Books bei dotbooks.