Tangstedt. Allein in den vergangenen Monaten hat es sechsmal auf der Bundesstraße 432 in der Gemeinde Tangstedt gekracht.

Peter Larsson hat irgendwann aufgehört mitzuzählen. Wie viele Unfälle er bereits vor seiner Haustür mit ansehen musste, dazu die Beinahe-Crashs, die brandgefährlichen Situationen, er weiß es nicht mehr. „Der nächste schwere Unfall ist immer nur eine Frage der Zeit“, sagt der Tangstedter. Larsson lebt seit 1989 mit seiner Familie direkt an der B 432, dort befindet sich auch seine Zimmerei, die Grundstücksausfahrt mündet auf einen Abschnitt der Verkehrsader, den Anwohner nur noch „Rennstrecke“ nennen. Sie wünschen sich, dass endlich etwas unternommen wird gegen die Raserei, möglichst durchgehend Tempo 70 und ein beidseitiges Überholverbot – doch die Anwohner finden seit Jahren kaum Gehör.

Nur 2,2 Kilometer sind es zwischen den Abzweigungen zum Puckaffer Weg und zum Wulksfelder Damm. 600 Meter hiervon haben zudem sogar die pauschal geforderten Begrenzungen auf 70 km/h und das Überholverbot – jeweils vor den Ampelkreuzungen sollen die Fahrzeuge abgebremst werden. Es bleiben also 1,6 Kilometer mit Tempo 100, wo offenbar das Recht des Stärkeren oder vielmehr Schnelleren gilt. Allein seit dem 15. Mai gab es hier sechs schwere Unfälle (siehe Infografik). Immer spielen sowohl erhöhte Geschwindigkeit als auch waghalsige Überholmanöver eine Rolle. So wie am 4. November, 13.45 Uhr: Ein 59 Jahre alter Motorradfahrer will an einer Fahrzeugkolonne in Richtung Norderstedt vorbeiziehen, kracht ungebremst in einen abbiegenden Lkw, der Biker ist auf der Stelle tot.

Am 2. Juli ist es ein Mercedes-Fahrer, 74, der sich beim Überholen verschätzt und frontal mit einem Laster zusammenstößt. Am 18. Juni geschieht ein Auffahrunfall mit drei Pkw, der Verursacher hatte einen Rückstau übersehen. Tags zuvor, 17. Juni, misslingt wieder ein Überholvorgang, der Raser muss abrupt nach rechts ziehen, kollidiert mit einem weiteren Auto. Der 11. Juni: Ein Landwirt will mit seinem Traktor in Richtung Bad Segeberg nach links auf einen Feldweg abbiegen, wartet zunächst den Gegenverkehr ab. Als er wieder anfährt, schert plötzlich ein Auto aus, will die Kolonne überholen – die Kollision ist so heftig, dass der Traktor einen Vorderreifen verliert. Tragisch ist der Vorfall vom 15. Mai: Eine Reiterin hält ihr Pferd am Zügel, will die Fahrbahn überqueren, übersieht jedoch einen Ford Mustang. Der Sportwagen erwischt das Tier – es muss eingeschläfert werden. Sachverständige ermitteln einen Bremsweg von 114 Metern – umgerechnet war der Mustang also rund 140 km/h schnell.

Peter Larsson hatte mehrfach großes Glück, als ihm Folgendes passierte: Er biegt nach rechts ab, doch auf der Straße kommt ihm ein Auto frontal entgegen, das gerade den Gegenverkehr mit hohem Tempo überholt. „Ich muss dann immer auf den Grünstreifen und den Radweg ausweichen“, so Larsson. Ein Problem ist, dass die B 432 vom Wulksfelder Damm aus leicht ansteigt, die Sicht also nicht optimal ist. „Man muss für alle mitdenken“, sagt Larsson.

Eine Einfahrt weiter lebt Hans Stödter, ein Landwirt und Ur-Tangstedter. Der am 4. November unschuldig in den erwähnten tödlichen Unfall verwickelte Lkw-Fahrer wollte auf seinen Hof fahren, auch das verunglückte Pferd stammt von dort. „Motorräder sind schön, da habe ich nichts gegen, aber manche haben hier Tempo 200 drauf. Wenn ich mit einem Trecker und zwei Hängern fahre, sehe ich nicht viel.“ Er kann sich übrigens nicht daran erinnern, jemals Geschwindigkeitsmessungen der Polizei beobachtet zu haben.

Peter Larsson zitiert einen Rettungssanitäter: „Ihr braucht hier eine durchgezogene Linie.“ Genau diese Forderung, also ein Überholverbot, hat Larsson als FDP-Gemeindevertreter zusammen mit seiner Fraktion mehrfach als Antrag eingebracht. Dazu käme ein Tempolimit. „Durchgehend 70 ist verbunden mit der Hoffnung, dass dann 100 gefahren wird, da sollte man sich nichts vormachen.“

Den letzten Vorstoß unternahm die FDP nach den Sommerferien, alle weiteren Fraktionen schlossen sich an. Nun liegt die Anfrage beim Landesbetrieb Straßenbau und Verkehr. Dass sich etwas ändern wird, ist allerdings nicht sehr wahrscheinlich. Die Verkehrsaufsicht des Kreises Stormarn hatte das bei einem Ortstermin schon einmal abgelehnt. Für die Polizeidirektion Bad Segeberg – sie ist genauso wie die Hamburger Polizei für einen Teilabschnitt zuständig – gibt es ebenso keinen Handlungsbedarf. „Aus polizeilicher Sicht ist der Abschnitt nicht als unfallträchtig anzusehen. Weitere Maßnahmen werden nicht als notwendig erachtet“, sagt Sprecherin Silke Westphal.