Kreis Segeberg. Handwerkskammer und Arbeitsagentur beklagen sinkende Zahlen. In Norderstedt gibt es mehr Ausbildungsplätze als Bewerber.

Der Trend zu Abitur und Studium hält an und führt im Gegenzug dazu, dass die Zahl der Auszubildenden schrumpft. „Dadurch fehlen zunehmend Bewerber für die betriebliche Ausbildung, für die Unternehmen wird die Azubisuche schwieriger“, sagt Thomas Kenntemich, Leiter der Arbeitsagentur Elmshorn zur aktuellen Situation auf dem Ausbildungsmarkt. Auch Handels- und Handwerkskammern stellen fest: Der Nachwuchs fehlt, dadurch werde sich der Fachkräftemangel verstärken.

Die Zahl der Lehrverträge im Bezirk der Handwerkskammer Lübeck liegt mit 4503 minimal über dem Vorjahresniveau (4491). Im Kreis Segeberg haben 533 Jugendliche eine Lehrstelle im Handwerk angetreten, 2014 waren es zum gleichen Zeitpunkt 544, aber: „Das Handwerk steht bereit, um mehr junge Leute auszubilden. Und die brauchen wir auch dringend“, sagt Ulf Grünke, Sprecher der Handwerkskammer Lübeck.

Schleswig-Holsteins Wirtschaftsminister Reinhard Meyer hatte sich erst vor Kurzem bei einem Besuch in einem Norderstedter Betrieb dafür ausgesprochen, stärker für die Duale Ausbildung zu werben und den seit Jahren herrschenden Trend, wonach möglichst alle studieren sollen und wollen, zu stoppen. Die Werbung für eine Ausbildung und einen Handwerksberuf müsse unter dem Motto „Nicht jeder kann Chef werden“ schon in den Schulen ansetzen. Auch Ulf Grünke fordert, dass die Berufsorientierung an den Schulen intensiviert und stärker auf einen früheren Start ins Berufsleben ausgerichtet wird.

Zahl der Bewerber und Ausblidungsstellen rückläufig

Es gebe eine nicht unerhebliche Zahl von Studienabbrechern. Die Handwerkskammer habe auf diesen Trend reagiert und biete zusammen mit Universitäten und Fachhochschulen für diese Gruppe gezielte Beratungen an. Ziel sei zum einen, den jungen Leuten klar zu machen, dass dieser Bruch in der Biografie kein Scheitern bedeute, und sie nicht an sich zweifeln müssten. „Der Hörsaal ist nur einfach nicht der richtige Weg, eine Ausbildung und eine eher praktisch orientierte Tätigkeit kann da eine befriedigende Perspektive bieten“, sagt der Sprecher der Handwerkskammer, der als Beispiel das Medizinstudium nennt. Orthopädietechniker oder Orthopädietechnik-Mechaniker, Hörgeräteakustiker oder Augenoptiker seien interessante Alternativen und weniger theoretisch angelegt. Und: Schon erworbenes Fachwissen könne eingebracht werden.

Insgesamt hat sich die Lage auf dem Ausbildungsmarkt im Kreis Segeberg im Vergleich zum Vorjahr leicht verändert. Nachdem die Zahlen der Bewerber und der Ausbildungsstellen zuvor angestiegen waren, sind sie in diesem Jahr wieder etwas rückläufig und auf dem Niveau von 2013 angekommen. Noch verzeichnet die Arbeitsagentur insgesamt mehr Bewerber als Stellen. „Mit einem gutem Schulzeugnis ist die Ausbildungsplatzsuche meistens erfolgreich“, sagt Thomas Kenntemich. Von Oktober 2014 bis September 2015 haben 1628 Jugendliche über die Berufsberater der Arbeitsagentur einen Ausbildungsplatz gesucht. Das sind 20 oder 1,2 Prozent weniger als im Vorjahreszeitraum. Die Betriebe im Kreis Segeberg meldeten der Arbeitsagentur 1393 Ausbildungsstellen, 35 oder 2,5 Prozent weniger als im vorherigen Beratungsjahr.

In Norderstedt gibt’s die meisten freien Stellen

Besonders günstig für alle, die einen Ausbildungsplatz suchen, bleibt die Situation in Norderstedt. Hier kamen – statistisch gesehen – auf jeden Bewerber 1,5 Ausbildungsstellen. Insgesamt 346 Bewerber meldeten sich bei den Berufsberatern, 20 mehr als im Jahr zuvor. Die Betriebe stellten 506 Ausbildungsplätze zur Verfügung, 77 weniger als im Herbst 2014. 16 Ausbildungsstellen waren unbesetzt, 20 Jugendliche ohne Ausbildung oder berufliche Alternative.

Am häufigsten suchen die Unternehmen im Kreis Segeberg Kaufleute im Einzelhandel, im Büro und im Groß- und Außenhandel, Fachkräfte für Lagerlogistik sowie Verkäufer und Verkäuferinnen und Köche.

Das Angebot deckt sich laut Arbeitsagentur mit der Nachfrage: Die meisten Jugendlichen suchen Jobs im Büro, beliebt sind auch Ausbildungen als Medizinische Fachangestellte und Kfz-Mechatroniker. Zu wenige Interessenten gab es für Ausbildungen zum Elektroniker, Anlagenmechaniker, Sanitär-, Heizungs- und Klimatechniker und zum Friseur oder zur Friseurin.