Norderstedt. Kampf gegen das Vergessen ist gesichert. Die Förderrung ist für fünf Jahre Betreuung von Betroffenen, Angehörigen und Pflegekräften.
Walter Jens, Rudi Assauer und jetzt Gerd Müller – immer mehr ältere Menschen leiden an Demenz. Die Krankheit, die vor allem das Erinnerungsvermögen der Betroffenen einschränkt und deren ausgeprägte Form Alzheimer ist, nimmt rapide zu. Landesweit sind es inzwischen 53.353 Demenz-Erkrankte, fast 50 Prozent mehr als vor zehn Jahren. Kreisweit sind nach Angaben von Ulrich Mildenberger vom Pflegestützpunkt des Kreises Segeberg 4500 Männer und Frauen an Demenz erkrankt, etwa jeder 60. Bürger. In Norderstedt sind es demnach 1300 Demenzkranke zurzeit.
Um den Patienten und ihren Angehörigen das Leben in der Krankheit leichter und menschenwürdiger zu gestalten, gibt es inzwischen landesweit 13 Pflegestützpunkte der Alzheimergesellschaft wie in Norderstedt. Um deren Angebote besser zu vernetzen und bekannter zu machen, Pflegekräfte und Angehörige fortzubilden und weiße Flecken der Hilfsangebote mit Informationen zu füllen, hat die Landesregierung zusammen mit den Pflegekassen vor fünf Jahren das Kompetenzzentrum Demenz der Alzheimer-Gesellschaft mit Sitz in Norderstedt geschaffen, das mit sieben Mitarbeitern auf 4,5 Vollzeitstellen für ganz Schleswig-Holstein zuständig ist. Es hat seinen Sitz im sechsten Stock des früheren Rathauses von Harksheide am Alten Kirchenweg 33.
Bei einer Feierstunde in Kiel würdigte Sozialministerin Kristin Alheit jetzt das fünfjährige Bestehen dieser Beratungsstelle am Harksheider Markt. „Demenz ist eine gesellschaftliche Herausforderung, der wir uns gemeinsam stellen müssen“, betonte die Ministerin. „Das gelingt nicht durch Zufall oder nebenbei, sondern mit einem klaren Ziel und einem Konzept und engagierten Menschen, die sich für gemeinsame Projekte begeistern können und Kontinuität sicherstellen.“ Das Kompetenzzentrum Demenz trage mit seiner engagierten Arbeit von Norderstedt aus dazu bei und solle dies auch weiterhin tun.
Norbert Adermann sagte im Namen der Landesverbände der Pflegekassen: „Demenzkranke aus der Isolation und Tabuzone herauszuholen und Angebote für ein lebenswertes Leben zu schaffen, dem hat sich das Kompetenzzentrum Demenz verschrieben – und hat damit nicht nur Pionierarbeit geleistet, sondern auch landes- und bundesweite Anerkennung erfahren.“
Da die erste Förderperiode Ende des Jahres ausläuft, konnte Ministerin Alheit den Demenz-Experten um Geschäftsführer Swen Staack gleich ein schönes Geschenk machen. Auch bis 2020 ist die Arbeit gesichert. Das Fördergeld wird sogar für die Periode von 1,3 auf 1,5 Millionen Euro erhöht, erklärt Staack. Künftig soll die Arbeit noch mehr die Lebenssituation alleinlebender Menschen und die der Betroffenen im ländlichen Raum sowie die häusliche Betreuung berücksichtigen, so die ministerielle Vorgabe aus Kiel.
Die Demenzberater in Norderstedt haben alle Hände voll zu tun. In den knapp fünf Jahren hätten sie 284 Schulungen angeboten und Vorträge gehalten, berichtet Cornelia Prepernau. 121 Info- und Aufklärungsveranstaltungen seien organisiert, 135 Workshops und Fortbildungen gemacht worden. Zudem seien 370 persönliche und rund 1000 telefonische Beratungsgespräche angefallen.
Es gebe in allen Regionen des Landes Selbsthilfegruppen für Betroffene und Angehörige, auf die das Kompetenzzentrum im Internet hinweise. Pflegende Angehörige erhielten in den Pflegestützpunkten Rat und Unterstützung, wie sie sich verhalten und selber von der anstrengenden Rund-um-die-Uhr-Betreuung des geliebten Menschen erholen können, der oft völlig orientierungs- und hilflos dem Alltag gegenüber steht, erläutert Prepernau. Sogar betreute Urlaubsreisen an Nord- und Ostsee würden vermittelt.
„Die wichtigsten Eigenschaften für den betreuenden Angehörigen sind Geduld und das Bestärken des Kranken in dem, was er noch kann.“ Ihn dagegen ständig auf seine Wissenslücken hinzuweisen oder ihm gar Vorwürfe zu machen, sei kontraproduktiv. „Der Demenzkranke nimmt Gefühlsregungen noch stärker wahr als ein gesunder Mensch. Er hat sehr feine Antennen“, weiß Cornelia Prepernau.
Neben seinen Büroräumen hat das Kompetenzzentrum vor drei Jahren von Sponsoren und Fördergeldern sogar eine Musterwohnung einrichten lassen, die aufzeigen soll, wie dem Demenzkranken allein schon bei der Einrichtung geholfen werden kann. So sollten Spiegelungen auf Kacheln oder Wänden vermieden werden, weil sie dem Kranken Angst machen können, berichtet Prepernau. Ein Foto des Inhalts auf dem Kühlschrank zeige dem Kranken, das das kein Kleiderschrank ist. Türen, die nicht geöffnet werden sollen, sollten verdeckt oder übertapeziert werden. Schubladen sollten beschriftet, Familienfotos an die Wand gehängt, Telefone mit großen Nummern versehen, scharfe Kanten abgerundet werden und die Teller sich vom Untergrund des Tisches abheben, damit sie besser erkannt werden können.
„Ziel ist es dabei, dass die Menschen mit Demenz möglichst lange selbstständig zu Hause wohnen bleiben können“, sagt Cornelia Preperanu. Das Kompetenzzentrum organisiert für Interessierte regelmäßig geführte Rundgänge durch die Musterwohnung. Anmeldungen unter der Telefonnummer 040/60 92 64 -20 oder -24.
www.demenz-sh.de