Sülfeld. Zwei Gemeindemitarbeiter hatten das tote Kind in Sülfeld im Kreis Segeberg an der B 432 gefunden. Die Todesursache ist noch unklar.
Zwei Mitarbeiter des Bauhofes in Sülfeld haben am Donnerstag eine grausige Entdeckung gemacht: In einem Mülleimer an einer Bushaltestelle an der Bundesstraße 432, kurz vor der Abzweigung nach Borstel, lag der leblose Körper eines Säuglings. Einfach weggeworfen. Wer auch immer das Kind in dem zerbeulten Drahtnetzeimer mit dem Schild „Abfälle“ unter dem Dach des gelben Wartehäuschens abgelegt hat, muss die Stelle mit Bedacht gewählt haben. Denn sie liegt abgelegen an der Bundesstraße, die von der Autobahn A 7 in Richtung Bad Segeberg führt. Und ein gutes Stück entfernt von den nächsten Häusern im kleinen Dorf Borstel.
Gegen 8.45 Uhr waren die Sülfelder Gemeindemitarbeiter Jochen M. und Björn S. auf ihrer Tour über die Gemeindestraßen. „Immer donnerstags leeren wir die Mülleimer an den Bushaltestellen“, sagt Jochen M. Doch diesen Donnerstag werden er und sein Kollege so schnell nicht vergessen. „Ahnungslos geht man zu dem Papierkorb und schreckt zurück“, erinnert sich M. an Bild, das sich wohl für immer in sein Gehirn eingebrannt hat.
Völlig schockiert alarmieren die Männer die Polizei. Die Beamten sperren die Bundesstraße zeitweise ab und rufen die Feuerwehren aus den Ortschaften Seth und Oering um Hilfe. Die freiwilligen Helfer sollen ein Zelt um das Bushaltestellenhäuschen bauen, damit die Beamten der Spurensicherung geschützt vor Blicken und dem Regen arbeiten konnten. Und um die Babyleiche zu untersuchen.
Welche Spuren die Mitarbeiter des Landeskriminalamtes (LKA) vor Ort sichern konnten, ist bisher noch unklar. Die zuständige Segeberger Polizei und die ermittelnde Staatsanwaltschaft in Kiel hielten sich am Donnerstag in der Sache noch sehr bedeckt. „Wir wissen zum jetzigen Zeitpunkt so gut wie gar nichts“, sagte Oberstaatsanwältin Birgit Heß am Donnerstagnachmittag. Noch nicht einmal das Geschlecht des Kindes wollte Heß nennen. Und auch auf die vielleicht wichtigste Frage gab es bislang keine endgültige Antwort. „Wir können nicht sagen, ob das Kind zum Zeitpunkt der Ablage in den Mülleimer noch lebte oder schon tot war“, sagt die Oberstaatsanwältin.
Eine Antwort auf diese Frage erhoffen sich die Ermittler durch die Obduktion. Nachdem die Spurensicherung ihre Arbeit am Fundort abgeschlossen hatte, wurde der Leichnam in die Rechtsmedizin nach Kiel gebracht. Ersten unbestätigten Erkenntnissen zufolge soll der Säugling schon länger tot sein. Ob eine Totgeburt oder ein Gewaltverbrechen vorliegt, müssen jetzt die Forensiker klären. „Ich glaube nicht, dass wir vor Freitag ein Ergebnis bekommen“, sagt Heß.
Die Spurensicherung suchte am Ablageort auch die nähere Umgebung, also die Straßengräben und die anliegenden Ackerflächen nach möglichen Beweisstücken ab. Es wird schwierig sein, die Herkunft des Babys zu ermitteln, sagt die Oberstaatsanwältin: „Das ist in diesen Fällen immer so.“
Der Bürgermeister der Gemeinde Sülfeld kann am Donnerstag kaum fassen, was passiert ist. „Ich bin immer noch geschockt“, sagt Karl-Heinz Wegner. Kurz nach dem Fund des Babys war er an die Bundesstraße gefahren. „Da sah ich meine Mitarbeiter, wie sie auf der Straße standen und zitterten. Die waren völlig fertig“, erinnert sich Wegner. Natürlich hat er seinen Männern sofort frei gegeben. „Ich habe sie nach Hause geschickt und ihnen psychologische Hilfe angeboten, falls sie mit der Sache nicht zurecht kommen.“ In Sülfeld sei bei der Feuerwehr eine Einheit der Notfallhelfer stationiert, die vor Ort war und sich um die Mitarbeiter kümmerte. „Jetzt hilft erstmal reden, um das alles zu verarbeiten“, sagt Jochen M.
Wegner: „Man mag sich gar nicht vorstellen, wie verzweifelt die Mutter des Kindes gewesen sein muss. Das muss heute doch nicht mehr sein: Es gibt Babyklappen und so viele Hilfsangebote.“ Ihn treibt jetzt die Frage um, ob das Kind vielleicht aus seiner Gemeinde stammt.
Auch die Menschen in Sülfeld und den umliegenden Gemeinden sind über den grausigen Fund bestürzt. „So etwas geht einem zu Herzen. Es ist grausam, man kann es sich einfach nicht vorstellen“, sagt ein 79-Jähriger aus Sülfeld und schüttelt den Kopf. Auch Marko Lampe, der als Fahrerlehrer in Sülfeld arbeitet, sagt: „Unfassbar, ich bin gegen 10 Uhr an der Bushaltestelle vorbeigefahren und habe die Streifenwagen gesehen. Ich dachte an eine Polizeikontrolle.“ Doch die traurige Gewissheit kommt einige Stunden später. „Eine Bekannte hat mir geschrieben“, sagt Lape, der seinem Kollegen Ingo Eschstruth davon erzählt. Eschstruths Miene wirkt versteinert. „Ich bin schockiert“, sagt der Fahrlehrer. Fassungslos ist auch ein 18-Jähriger, der in der Nähe des Fundorts wohnt und arbeitet: „Es ist traurig, aber leider kommt so etwas immer wieder vor.“