Norderstedt. Wie die Stadtwerke den Energieverbrauch der Stadt mit Zertifikaten klimaneutral machen

Man muss schon ziemlich weit über den Tellerrand schauen, um zu begreifen, warum es dem Weltklima angeblich nicht schadet, wenn ein Kunde der Norderstedter Stadtwerke Strom oder Gas in beliebiger Menge verbraucht.

Zum Beispiel in ein Werk für Klinkersteine in Thailand. Dort, so sagt Theo Weirich, Werkleiter bei den Stadtwerken, werde Schweröl zum Heizen von Öfen verwendet. Damit die Thais moderne Technik anschaffen können, die ihnen den Umstieg auf umweltfreundliche Brennstoffe ermöglicht, fließen Investitionen des Verified Carbon Standard (VCS), ein internationales Treibhausgas-Reduzierungsprogramm. Oder man blickt nach Indonesien, wo ein ähnliches Projekt verhindert, dass ein lokaler Ölförderer den Beifang Erdgas einfach abfackelt und stattdessen speichert und nutzt.

Finanziert werden die VCS-Projekte wiederum mit Geldern aus dem Handel mit CO2-Zertifikaten. Und so schließt sich der Klima-Kreislauf in Norderstedt. Die Stadtwerke kaufen für jedes Gramm Kohlendioxid, dass in der Stadt durch Strom oder Gas verursacht wird, Zertifikate. Was ein Norderstedter also im Kreis Segeberg in die Umwelt pustet, wird in Indonesien oder Thailand wieder eingespart. „Die Stadt allein verfügt nicht über die Möglichkeiten, die Emissionen vollständig zu kompensieren“, sagt Weirich. „Aber wenn die Emissionen in der Atmosphäre an der Stadtgrenze nicht Halt machen – warum sollten wir es bei unserem Engagement tun?“

182.009 Tonnen CO2 erzeugten die Kunden der Stadtwerke im Jahr 2014 über ihren Stromverbrauch und durch das Verbrennen von Erdgas. Und die Stadtwerke kaufen dafür Zertifikate in einer Gesamtsumme von 144.961 Euro. Das sind 79 Cent pro Tonne CO 2 beim Strom und 81 Cent pro Tonne beim Gas. Dazu kommen weitere Zertifikate für über 63.393 Tonnen CO 2 , die die Stadtwerke über ihren Betrieb erzeugen. Dafür sind Zertifikate im Wert von 49.789 Euro eingekauft worden. „Wir gehen damit in unserem Engagement weiter, als es der Gesetzgeber fordert“, sagt Theo Weirich. „Wir übernehmen nicht nur für unseren Verbrauch, sondern auch für den unserer Kunden die Verantwortung.“ Verpflichtet sind die Stadtwerke nur, den eignen Verbrauch zu bilanzieren, nicht aber den Verbrauch der Kunden und ihrer „Feuerstellen“. „Doch wir gehen ganz bewusst diesen Schritt weiter. Wir sind auch überzeugt, dass es bald vom Gesetzgeber gefordert wird“, sagt Weirich. Im Ergebnis bedeutet das: Die Stadtwerke sind klimaneutral und ebenso der gesamte Primärenergieverbrauch der Stadt. Zumindest auf dem Papier.

Denn die umweltpolitische Wirksamkeit des Emissionshandels ist umstritten. Obwohl es Studien gibt, die einen Zusammenhang zwischen dem sinkenden CO2-Aufkommen in Deutschland und dem Emissionshandel ziehen, sehen die Kritiker im Zertifikate-Handel nur einen intransparenten Ablasshandel.

Weirich hingegen sieht im Zertifikate-Kauf die derzeit effizienteste Form des Klimaschutzes. Natürlich könne man darüber diskutieren, ob der indonesische Ölförderer und der Klinkerstein-Produzent in Thailand nicht durch Landesgesetzgebung gezwungen werden müsste, aus eigenen Gewinnen die umweltfreundliche Förderung und Produktion zu gewährleisten. Doch so lange, wie es dauern würde, diese Gesetze zu verbessern, hat die Welt bei ihren Zielen zur weltweiten CO2-Reduktion nicht Zeit. Aber die Stadtwerke wollen es beim Kauf von Zertifikaten auch nicht bewenden lassen. Das klar definierte Ziel sei die Nullemissionsstadt Norderstedt bis 2040. Dazu wollen die Stadtwerke auch ihr Engagement bei den regenerativen Energien ausbauen.

Als erstes Stadtwerk Deutschlands wollen die Norderstedter im kommenden Jahr auch den Wasser- und den Flächenverbrauch des Unternehmens bewerten lassen.