Kaltenkirchen/Kiel. Motiv für die Tat war vermutlich Rache. 2009 tobte in Schleswig-Holstein ein Bandenkrieg zwischen den Hells Angels und Bandidos.
Sechs Jahre nach einer Schießerei in Kaltenkirchen beginnt am Mittwoch, 9. September, der Prozess gegen den mutmaßlichen Drahtzieher der Tat.
Ab 9 Uhr steht der 42 Jahre alte Dennis F. in Kiel vor Gericht, der für die Bluttat im Januar 2009 auf dem Parkplatz der Holstentherme verantwortlich sein soll. Die Anklage wirft F. vor, mehrere Männer angeheuert zu haben, die einen damals 32 Jahre alten Mann mit fünf Schüssen in den Oberschenkel verletzt haben. Die Anklagegegen den 42-jährigen F. lautet auf schwere Körperverletzung.
Motiv für die Bluttat war vermutlich Rache. 2009 tobte in Schleswig-Holstein ein Bandenkrieg zwischen den verfeindeten Rockergruppen Hells Angels und den Bandidos. Tätowierer Dennis F. wurde den „Höllenengeln“ zugeordnet. Sein Opfer André D. galt als Anhänger der Bandidos und war als Rechtsradikaler bekannt.
Dass der Prozess erst jetzt beginnt, ist auf gravierende personelle Engpässe im Kieler Landgericht zurückzuführen. Nachdem die Staatsanwaltschaft bereits im Jahr 2010 Anklage gegen Dennis F. erhoben hatte, schaffte es das Landgericht fünf Jahre lang nicht, sich auf den Prozess vorzubereiten und Termine festzusetzen.
Gerichtssprecher Sebastian Brommann sprach von einer „überlasteten Strafkammer“, die für den Fall zuständig gewesen sei. Die Kammer habe immer wieder Fälle vorziehen müssen, bei denen der mutmaßliche Täter in Untersuchungshaft saß.
Solche Fälle müssen von der Justiz mit Priorität erledigt werden. Dennis F. war jedoch trotz der Schwere der Tat in Kaltenkirchen und umfangreicher Vorstrafen frei.
„Inzwischen haben wir das Problem personell in den Griff bekommen“, sagte Brommann. Eine Hilfsstrafkammer arbeitet jetzt die Fälle ab, die liegen geblieben sind. Brommann räumte ein, dass die jahrelange Verzögerung des Prozesses Auswirkungen auf die Höhe der Strafe haben könne. In solchen Fällen schreibe der Bundesgerichtshof einen Strafnachlass vor.
Der Gerichtssprecher kündigte erhöhte Sicherheitsvorkehrungen während des Prozesses in der Landeshauptstadt an, um Auseinandersetzungen zwischen rivalisierenden Gruppen zu verhindern. Das Opfer André D. wird als Nebenkläger an dem Prozess teilnehmen. Er leidet noch heute unter schwersten Beinverletzungen.
Die damalige Verlobte soll André D. nach Kaltenkirchen gelockt haben
Die Ankläger halten es für erwiesen, dass Bea F., die damalige Verlobte des Angeklagten, André D. nach Kaltenkirchen gelockt hat, weil sie angeblich mit ihm die Holstentherme besuchen wollte. Tatsächlich habe sie den Mann jedoch in einen Hinterhalt geführt. „Nach Absprache mit dem Angeklagten soll die Verlobte den Geschädigten am Tattag abgeholt und dann auf einen entlegenen und nach außen durch Hecken und einen Erdwall sichtgeschützten Parkplatz der Therme geführt haben“, sagte eine Sprecherin der Staatsanwaltschaft. Im Auftrag von Dennis F. sollen maskierte Männer auf den Bandido gefeuert haben. Die Identität der Schützen ist bis heute unklar.
Die Schießerei in Kaltenkirchen gehörte zu den blutigen Höhepunkten des sogenannten Küstenkriegs in Schleswig-Holstein. Die Tat hatte bundesweit Schlagzeilen gemacht und für Entsetzen in der Region gesorgt. Schon früh stand fest, dass das Opfer nicht getötet, sondern nur schwer verletzt werden sollte. Die Polizei ermittelte ohne Beteiligung der Mordkommission.
„Höllenengel“ F. hatte mehrereAngriffe nur knapp überlebt
Die Staatsanwaltschaft geht davon aus, dass Dennis F. sich an D. nach diversen Prügeleien und Messerstechereien zwischen den Banden rächen wollte. „Höllenengel“ F. hatte mehrere Angriffe nur knapp überlebt. Tatorte waren eine Kieler Diskothek und der Platz vor dem Kieler Amtsgericht.
Wegen anderer Gewaltdelikte im Rockermilieu hatte F. nach dem Überfall in Kaltenkirchen mehr als zwei Jahre in Haft gesessen. Seine damalige Verlobte und heutige Ehefrau Bea F. wurde wegen der Tat vor der Holstentherme bereits rechtskräftig verurteilt.
Das Landgericht hat acht Termine für den Prozess angesetzt.