Henstedt-Ulzburg. Helmuth Morgenroth ist einer von etwa 500 Männern, die jährlich an dieser Krebsart erkranken.
Wollen Sie meine nicht vorhandene Brust mal sehen?“ Helmut Morgenroth macht sich frei. Ohne Scheu und Zögern zieht er sein Hemd aus und präsentiert, was von seiner rechten Brust noch übrig geblieben ist. Bei einem Mann ist ohnehin nur wenig zu sehen, bei dem 72-jährigen Rentner aus Borstel ist praktisch gar nichts mehr. Die Brustwarze fehlt, eine Narbe ist mehr zu erahnen als zu erkennen. Helmut Morgenroth gehört zu den wenigen Männern, die an Brustkrebs erkrankt sind. Etwa ein Prozent aller Brustkrebsdiagnosen betrifft Männer – durchschnittlich 500 Neuerkrankungen werden in Deutschland pro Jahr registriert.
Helmut Morgenroth kann sich noch genau an den Tag erinnern, als er den Knoten in der Brust zum ersten Mal bemerkte. Es war vor vier Jahren während eines Urlaubs in Masuren. Beim Duschen entdeckte er einen „Gnubbel“ hinter der rechten Brustwarze. Eigentlich unauffällig, aber immerhin erbsengroß. „Ich habe überlegt, ob ich mich irgendwo gestoßen hatte“, sagt der ehemalige Kfz-Mechanikermeister, der 25 Jahre lang selbstständig war. Aber erinnern konnte er sich nicht. Er hatte keine Schmerzen, ein leichtes Misstrauen gegenüber dem Gewächs in der Brust konnte er jedoch nicht unterdrücken.
Helmut Morgenroth verlor nieden Glauben an eine Heilung
Direkt nach dem Urlaub meldete sich Helmut Morgenroth bei seinem Hausarzt, der ihm unverzüglich einen Termin in der Paracelsus-Klinik verschaffte. Dann ging alles ganz schnell: Mammografie, Entnahme einer Gewebeprobe, die im Forschungszentrum Borstel untersucht wurde – Diagnose Brustkrebs. Das Ergebnis stand an einem Freitag fest, bereits am Dienstag darauf erfolgte die Operation mit der Brustamputation. Eile war geboten.
Anschließend die Chemotherapie mit sechs Behandlungen, Bestrahlung, Haarausfall, empfindlichen Schleimhäuten. Das volle Programm für Helmut Morgenroth, der dabei nie den Glauben an eine Heilung verlor.
Für Dr. Tobias Zeiser gehören Männer, die Brustkrebs haben, nicht zum Alltag. Aber der Chefarzt der Gynäkologie und Geburtshilfe der Henstedt-Ulzburger Paracelsus-Klinik hat dennoch Erfahrungen mit diesem Thema: Etwa alle zwei Jahre muss er Männerbrustkrebs behandeln. Das Thema allerdings ist gegenwärtiger als viele vermuten. „Ein bis zwei Männer kommen pro Woche zu uns, die in der Brust Schmerzen verspüren oder glauben, einen Knoten ertastet zu haben“, sagt der Arzt. Meistens jedoch steckt keine Krebserkrankung dahinter.
Männer mit einem größerenBrustansatz sind häufiger betroffen
Tobias Zeiser weiß, dass Männer für dieses Thema nicht sonderlich sensibilisiert sind. „Brustkrebs wird von Männern oft verschleppt, weil sie einfach nicht glauben, dass da etwas sein könnte.“ Sein subjektiver Eindruck als Gynäkologie: „Brustkrebs bei Männern ist häufiger geworden.“
Der Auslöser der Erkrankung lässt sich bei Männern noch weniger bestimmen als bei Frauen. Tobias Zeiser weiß, dass Männer mit einem größeren Brustansatz häufiger betroffen sind. Wer übergewichtig ist, viel Alkohol trinkt oder Anabolika zu sich nimmt, neigt zu einer großen Brust. Auch auch hormonelle Gründe können ausschlaggebend sein: Das bestimmende Geschlechtshormon ist bei Männern das Testosteron, aber der männliche Körper produziert in geringen Teilen auch immer Östrogene – weibliche Geschlechtshormone. Ein Ungleichgewicht der Hormone kann zu einem verstärkten Wachstum des Brustgewebes führen. Meist ist ein Gendefekt die Ursache für Brustkrebs bei Männern. Wird bei einem Mann eine erbliche Belastung festgestellt, sollten sich auch seine Geschwister genetisch untersuchen lassen. In der Familie von Helmut Morgenroth hatte eine Nichte Brustkrebs, worauf sie sich vorsorglich die andere Brust, die Schwester vorsorglich beide Brüste entfernen ließ.
Der Chefarzt empfiehlt, bei auftretenden Symptomen sofort einen Arzt, am besten den Hausarzt, zu konsultieren und auch keine Scheu davor zu haben, sich nach einer Überweisung in das Wartezimmer eines Gynäkologen zu setzen – auch wenn die anwesenden Frauen mit Unverständnis reagieren sollten. Denn ein Gynäkologie – und nicht etwa ein Urologe – ist auch für die Männerbrust zuständig. Aber auch dem Mammazentrum in der Paracelsus-Klinik kann ein Besuch abgestattet werden. Dort gibt es regelmäßige Brustsprechstunden. Tobias Zeiser betont: „Mit Ultraschall und der Entnahme einer Gewebeprobe, was ohne großen Aufwand möglich ist, kann der Sache schnell auf den Grund gegangen werden.“
Diese Symptome sollten bei einem Arzt abgeklärt werden: Veränderte Brustwarze oder veränderter Brustwarzenhof, Entzündung oder Ausfluss aus der Brustwarze, Knoten oder Verhärtung, Vergrößerte oder verhärtete Lymphknoten in der Achselhöhle.
Helmut Morgenroth weiß zwar, dass ergeheilt ist, bleibt aber vorsichtig
Bei Männern wird, aufgrund des geringen Fettgewebes, fast immer eine Mastektomie (operative Entfernung der Brust) durchgeführt. Eine spezielle Ausbildung für Männerbrustkrebs gibt es für die Gynäkologen nicht, auch Spezialisten wird man vergeblich suchen. Vorhanden sind Datenbanken, aber es gibt keine speziellen Studien. „Männerbrustkrebs wird genau wie Brustkrebs bei Frauen behandelt“, sagt Tobias Zeiser. „Die Fähigkeiten dafür eignet man sich als Arzt an.“
Helmut Morgenroth weiß zwar, dass er geheilt ist, aber trotzdem ist er nach wie vor vorsichtig: Weil er leichte Schmerzen in der noch verbliebenen Brustwarze hatte, begab er sich vorsichtshalber zur Untersuchung in die Klinik. Die Untersuchung der Gewebeprobe fiel glücklicherweise negativ aus – Entwarnung.
An die Öffentlichkeit haben sich Helmut Morgenroth und sein Arzt gewandt, um auf diese Krankheit aufmerksam zu machen. Er selbst steht gelassen im Leben. „Ich bin alt geworden und hatte eine unglaubliche Zeit.“