Todesfelde. Beim SV Todesfelde wird nach ein Abpfiff ein Auto durch Pyrotechnik angezündet. Polizei verdächtigt Fans des Gästeclubs VfR Neumünster.

Einen derartigen Vorfall hat es im schleswig-holsteinischen Amateurfußball und erst recht im Kreis Segeberg bisher nicht gegeben. Die Begegnung in der Schleswig-Holstein-Liga zwischen dem heimischen SV Todesfelde und dem VfR Neumünster (1:0) ist erst seit einer Minute beendet, als auf dem Parkplatz am Randes des Joda-Sportparks um 20.40 Uhr dichte Flammen meterhochschlagen. Ein Mercedes GLA mit Segeberger Kennzeichen ist in Brand geraten und nicht mehr zu retten. Die Freiwillige Feuerwehr der Gemeinde ist zwar schnell am Einsatzort und kann verhindern, dass die Flammen auf weitere Fahrzeuge wie etwa den Kleinbus des Gästeclubs übergreifen, der Mercedes wird aber zerstört. Der Schaden beträgt rund 50.000 Euro.

Schnell melden sich Zeugen, die schildern, was passiert ist. Es seien Fans aus Neumünster gewesen, die mit einem bengalischen Feuer, also verbotener Pyrotechnik, das Auto eines 81 Jahre alten Todesfelde-Anhängers angezündet hätten. Drei Männer, jeweils zwischen 20 und 25 Jahren alt und zwischen 1,75 und 1,80 Meter groß, werden als Verdächtige genannt und derzeit von der Kriminalpolizei gesucht: eine Person mit Glatze und dunkelblauem T-Shirt, eine mit weißem T-Shirt und einem markant schiefen Mund sowie ein dritter Mann, der ein bordeauxfarbenes T-Shirt trug. Ebenso sagen Zeugen, dass dieses Trio mit einem fünftürigen, blauen Kleinwagen angereist sei, in dessen Innenraum sich eine Fahne des VfR Neumünster befunden habe.

Die Polizei sicherte Spuren. Mehrere Zeugen beschrieben drei junge Männer, die den Anhängern des VfR Neumünster zugeordnet werden, als Täter. Nach diesen wird gesucht
Die Polizei sicherte Spuren. Mehrere Zeugen beschrieben drei junge Männer, die den Anhängern des VfR Neumünster zugeordnet werden, als Täter. Nach diesen wird gesucht © 54°/Felix König | Felix König

Brennende Fahrzeuge, diese Bilder sind sonst eher bekannt von Krawallen am 1. Mai in der Sternschanze oder von Globalisierungsgegnern im Frankfurter Bankenviertel. Und Fanausschreitungen mit derartiger Zerstörungswut sind normalerweise – wenn überhaupt – im Umfeld publikumsträchtigerer Spiele als jetzt in Todesfelde vorgekommen. „Das ist in der Tat eine neue Qualität“, sagt Eberhard Münch aus Norderstedt, Sicherheitsbeauftrager des Schleswig-Holsteinischen Fußball-Verbandes (SHFV). Er betont: „Jeder Verein ist für seine Fans verantwortlich.“ Der Verband erwartet nun einen Bericht des Todesfelder Sicherheitsbeauftragten Andreas Grandt und könnte unabhängig der polizeilichen Ermittlungen durchaus Sanktionen gegen Neumünster aussprechen. Der Strafenkatalog geht von Geldstrafen bis hin zu Punktabzügen für Clubs, dessen Anhänger wiederholt negativ auffallen

Im nördlichsten Bundesland nehmen aktuell die Probleme zwischen Gruppierungen von Holstein Kiel und dem VfB Lübeck zu. So wurde vor wenigen Tagen Christopher Kramer, Stürmer aus Lübeck und Siegtorschütze im Landespokalfinale gegen Kiel, in einem Billardsalon von Holstein-Fans verprügelt. Die Sicherheitsmaßnahmen bei direkten Duellen dieser beiden Erzrivalen sind entsprechend hoch und dürften künftig weiter verschärft werden. Die unpopuläre Ultima Ratio wäre hier der Ausschluss von Gästefans.

In Todesfelde wollen die Zuschauer eigentlich bloß entspannt Fußball gucken, frei Schnauze Sprüche klopfen, sich aber keineswegs Sorgen um die eigene Sicherheit oder um die eigenen Fahrzeuge machen. Holger Böhm, Vorsitzender des Sportvereins, ist entsprechend fassungslos. „Die Täter sind Schwachköpfe. Es gibt eine Problematik, für die weder der VfR Neumünster noch irgendein anderer Verein etwas kann, sondern die gesellschaftlich ist. Im Fußball befinden sich bevorzugt einige dieser Menschen. Wir haben noch lange mit Verantwortlichen aus Neumünster zusammengesessen, die waren alle am Boden zerstört.“

Thorsten Wandelt ist Sicherheitsbeauftragter des VfR, auch er war in Todesfelde vor Ort und sah beispielsweise, wie schon zum Anpfiff eine Rauchbombe gezündet wurde. „Das sind Anhänger, aber keine Fans, davon distanzieren wir uns massiv“, sagt er. Bis zum Sommer spielte Neumünster noch in der Regionalliga Nord, war unter anderem Kontrahent von Eintracht Norderstedt. In der vierten Liga, wo Partien mit mehr als 1000 Besuchern keine Seltenheit sind, gelten eindeutige Sicherheitsrichtlinien, eine Liga tiefer gibt es einen niedrigeren Standard. Und das nicht ohne Grund, denn bei den vielen Dorfclubs wie etwa Todesfelde ist die Atmosphäre traditionell familiär.

„In vier Jahren Regionalliga hatte ich nie so viel Ärger wie jetzt schon in der Schleswig-Holstein-Liga, wo die Einlasskontrollen nicht so gut organisiert sind“, so Wandelt. „Es ist nicht unbekannt, dass der VfR Neumünster als einer der wenigen Vereine Fangruppierungen hat. Darauf muss man sich einstellen. Trotzdem rechtfertigt das nicht, dass ein Auto angezündet wird.“

Aufgrund der genauen Zeugenaussagen und weil vom Fußballspiel zahlreiche Fotos vorliegen, stehen die Chancen gut, dass die Verdächtigen sehr bald identifiziert werden können. Der VfR Neumünster hat hierbei seine Hilfe zugesagt. Wer weitere Hinweise zum Tathergang oder zur Identität der Brandstifter liefern kann, sollte sich bei der Kripo Bad Segeberg unter Telefon 04551/8840 melden.