Norderstedt. Echte und virtuelle Freund treffen - das wollen Norderstedts Jugendliche. Jugendarbeit soll moderner werden.

Die Jugendarbeit in Norderstedt muss sich ändern, muss moderner werden, sich stärker an der Lebenswirklichkeit von Kindern und Jugendlichen orientieren. Darin sind sich Verwaltung und Politiker einig, denn: Kinder und Jugendliche haben den Angeboten in der Stadt schlechte Noten verpasst. Das ist eines der Ergebnisse der Umfrage, die die Stadt in Auftrag gegeben hatte. Ziel war, herauszufinden, was sich Kinder und Jugendliche für die Freizeit wünschen.

663 Schüler an den weiterführenden Schulen haben geantwortet

Was gibt es schon, was fehlt? Wie verbringen Jüngere und Ältere ihren Tag, was ist ihnen wichtig? Um Antworten zu finden, haben Verwaltung und Politiker einen Experten beauftragt, der sich bundesweit einen Namen gemacht und schon viele Kommunen zum Thema beraten hat: Professor Ulrich Deinet vom Institut für sozialraumorientierte Praxisforschung und Entwicklung in Nordrhein-Westfalen hat die Interviews entwickelt und ausgewertet. Studierende der Universität Hamburg haben die Schüler an den weiterführenden Schulen in Norderstedt befragt.

663 Schüler von 5406 an den vier Norderstedter Gymnasien, den vier Gemeinschaftsschulen und am Berufsbildungszentrum haben die Fragen beantwortet. Zudem haben die Lehrer die Kinder an fünf Grundschulen befragt. „Mit mehr als zehn Prozent Beteiligung stehen die Ergebnisse auf einer soliden Basis“, sagt die zuständige Dezernentin Anette Reinders, die zur Kenntnis nehmen musste, dass die städtischen Angebote beim Nachwuchs auf wenig Resonanz stoßen. Vier von fünf Jugendlichen (81,6 Prozent) gehen nie in einen der städtischen Jugendtreffs, nur knapp jeder Zehnte besucht die Einrichtungen häufiger.

Die Grundschüler sind altersbedingt eher auf den drei Bauspielplätzen zu finden. Auf dem Kreativspielplatz Fossi in Glashütte findet sich jeder Fünfte mal ein, fast so gut schneidet der Abenteuerspielplatz Holzwurm am Garstedter Müllberg ab. Der Bauspielplatz Falkenhorst, die Keimzelle der Plätze in Norderstedt, auf denen Kinder und Jugendliche werkeln, spielen und „etwas erleben“ können, wird von jedem Achten der Befragten genutzt. Insgesamt bleibt das ernüchternde Fazit: Die 2,3 Millionen Euro, die die Stadt pro Jahr in die Jugendarbeit investiert, verpuffen weitgehend. Dass die Jugendhäuser in Norderstedt nur wenig besucht werden, liege wohl eher daran, dass die Einrichtungen wie die Angebote zu wenig bekannt sind, heißt es in der Studie. Das sieht beim beliebtesten Treffpunkt ganz anders aus: „Das Herold-Center ist das größte Jugendzentrum, das wir in Norderstedt haben“, sagte Anette Reinders. Jeder Fünfte der Befragten hält sich täglich im Einkaufszentrum auf, jeder Zweite mindestens einmal pro Woche.

Die Jugendlichen sind da, wo diestädtischen Angebote nicht sind

Ohnehin sind die Jugendlichen überwiegend da, wo die städtischen Angebote gerade nicht sind: Bevorzugt werden die zentralen Orte in den Stadtteilen, der ZOB in Norderstedt-Mitte, der Harksheider Markt oder der Müllberg in Glashütte. Beliebt sind aber auch städtische Flächen wie der Stadtpark und der Willy-Brandt-Park.

Bei den Angeboten rangiert das Spectrum-Kino ganz oben in der Beliebtheitsskala. 93,5 Prozent der Befragten geben an, das Norderstedter Kino häufig und „ab und zu“ zu besuchen. Auch die Nummer zwei in der Favoritentabelle ist ein kommerzielles Angebot: 88,6 Prozent sind Stammgast im Arriba-Schwimmbad. Die Stadtbücherei schafft es mit 62,5 Prozent immerhin auf Platz drei. Damit schneidet die kommunale Bibliothek deutlich besser ab als vergleichbare Einrichtungen in anderen Kommunen, heißt es in der Studie, aber: Fast jeder Dritte gibt an, nie zu lesen – „eine erschreckende Erkenntnis“, sagt Anette Reinders.

Wenn sich Jugendliche im Herold-Center treffen, geht es weniger ums Shoppen. Im Vordergrund steht laut Studie, Freunde zu treffen – ohnehin die Freizeitaktivität, die ganz oben auf der Wunschliste steht. „Allerdings hat sich da eine Mischform herausgebildet: Die Jugendlichen treffen sich real und kommunizieren in den sozialen Medien gleichzeitig mit anderen“, sagt die Dezernentin, die darin eine Herausforderung sieht: Die Stadt müsse in den neuen Medien präsent sein und für ihre Angebote werben, die Jugendhäuser mit WLAN ausstatten. Nur so sei die Zielgruppe zu erreichen.

Klar sei auch, dass die rund 30 Mitarbeiter nicht in den Einrichtungen darauf warten können, dass mal ein Besucher reinkomme. „Sie müssen dahin gehen, wo die Jugendlichen sind“, sagt die Jugenddezernentin. Klaus Struckmann verweist auf das Spielmobil, das bei den Kindern gut ankomme. „Vielleicht fährt ja demnächst ein Jugendbus mit guter Musik, WLAN und tollen Angeboten durch die Stadt.“ Die Bauspielplätze sollen stärker ausgelastet, die Kooperation mit den Grundschulen ausgebaut werden.

Klaus Struckmann wie Anette Reinders wollen zurzeit nichts ausschließen, auch nicht, dass Einrichtungen in Norderstedt geschlossen werden. Ob es tatsächlich dazu kommt, wird sich in den nächsten Wochen und Monaten zeigen. Bis Mitte September sollen die Mitarbeiter Ideen entwickeln, Ende Oktober soll ein Konzept vorliegen, das die Fachpolitiker noch in diesem Jahr im Jugendhilfeausschuss beschließen sollen