Norderstedt. Arbeitsagentur baut Angebot für Wiedereinstieg in Beruf aus, um Fachkräftemängel entgegenzuwirken. Ulfia Lenfers aus Norderstedt hat es geholfen.

Jahrelang hat sich Ulfia Lenfers um ihre Familie gekümmert. Sie hat Geburtstage organisiert, den Haushalt geschmissen, die Mutter gepflegt, ihre zwei Kinder versorgt und ihrem Mann den Rücken frei gehalten. Doch nach mehr als zehn Jahren hatte sie genug. 2010 beschloss sie: „Ich will es noch einmal wissen.“ Die damals 41-Jährige wollte zurück ins Berufsleben. Die Diplom-Geografin meldete sich bei der Fernuni an, studierte halbtags. Nach vier Jahren hatte sie einen Master als Umweltwissenschaftlerin in der Tasche und zwei Wochen später einen Job.

Heute arbeitet Lenfers an der Hochschule für angewandte Wissenschaften in Hamburg. In den kommenden drei Jahren wirkt sie an einem Forschungsprojekt mit, das sich mit den Auswirkungen des Klimawandels auf die Savannen Afrikas befasst. Ihre Aufgabe ist es, ein mathematisches System zur Erfassung der Savannen-Ökologie zu entwickeln. Mehrfach reiste sie dafür bereits nach Südafrika. Das Projekt soll auch in eine Doktorarbeit münden. Das hätte Lenfers sich so nicht träumen lassen. „Ich habe nicht mal daran geglaubt, dass ich es überhaupt schaffe, das zweite Studium abzuschließen“, sagt die heute 46 Jahre alte Umweltwissenschaftlerin.

Vielen Frauen fehlt es an Selbstvertrauen

„Ein typisches Frauenphänomen“, wie Birgit Fritsche von der Arbeitsagentur in Elmshorn weiß. Sie stand der in Norderstedt lebenden Lenfers in den vergangenen zwei Jahren bei, beriet sie, gab Tipps und vermittelte ihr vor allem den Kontakt zu einem Stammtisch von Frauen in einer ähnlicher Situation. Bis zu 20 Akademikerinnen, die zurück ins Berufsleben wollen, zählen zu der offenen Gesprächsrunde, deren Teilnehmer sich vor allem gegenseitig beistehen und sich stärken. Denn vielen Frauen, die nach langer Zeit den Wiedereinstieg wagen wollen, fehlt es an Selbstvertrauen. „Die meisten Wiedereinsteiger sind Frauen, die teilweise auch sehr qualifiziert sind. Aber sie machen sich klein, wollen ihre Qualifikation immer weiter verbessern und trauen sich den Schritt in die Praxis nicht zu“, berichtet Fritsche.

Ihnen helfen, den Absprung zu finden, ist Ziel von Fritsche und ihrer Kollegin Stefanie Lötzer. Beide gehören zum Team der Arbeitsagentur in Elmshorn, die für die Kreise Pinneberg und Segeberg zuständig ist. Fritsche und Lötzer sind Beauftragte für die Chancengleichheit am Arbeitsmarkt der Arbeitsagentur. Seit Januar dieses Jahres wirken sie vor allem an einer neuen Initiative mit. Denn seit Anfang 2015 hat die Arbeitsagentur ihr Angebot für Berufsrückkehrer massiv ausgebaut. „Wir haben uns auf den Weg gemacht, etwas gegen den drohenden Fachkräftemangel zu tun. Denn wir können es uns nicht leisten, dieses Potenzial an Arbeitskraft und Know-how zu verschenken“, erklärt Gerold Melson als Pressesprecher der hiesigen Arbeitsagentur.

In Zahlen bedeutet das: Habe es bislang wenig bis gar keine Veranstaltungen für Berufsrückkehrer gegeben, bot die Arbeitsagentur allein in den vergangenen fünf Monaten 26 zusätzliche Veranstaltungen für diese Zielgruppe an. Etwa 100 Teilnehmer beteiligten sich. Mitmachen können ausdrücklich auch Interessierte, die nicht arbeitssuchend gemeldet sind. Im Kreis Pinneberg waren im April 179 arbeitslose Berufsrückkehrer gemeldet, im angrenzenden Kreis Segeberg sind es 126. Melson dazu: „Das ist nur ein Bruchteil derer, die wir erreichen könnten.“ Letztlich sei jedes Elternteil und jeder pflegender Angehörige, der schneller auf den Arbeitsmarkt zurückkehre, ein Erfolg.

„Weniger zaudern, einfach machen“

Bis Juni stehen noch acht Termine an, darunter sind auch Workshops wie am 3. und 10. Juni in Elmshorn zum Thema „Erfolg ist kein Zufall“, eine Informationsveranstaltung am 17. Juni in Elmshorn mit dem Titel „Einstieg oder Wiedereinstieg in Handwerk und Technik“ sowie eine Jobbörse in Pinneberg am 23. Juni. Kontakt und weitere Infos unter 04121/48 08 00.

Der Akademiker-Stammtisch existiert weiterhin. Lenfers hat noch Kontakt zu ihren Mitstreitern. „Wir bilden ein Netzwerk, schustern uns Informationen zu und machen denen Mut, die noch keinen Job gefunden haben“, berichtet sie. Der beste Tipp, den sie damals dank den Erfahrungen der anderen und der Berater der Arbeitsagentur für sich mitnahm: „Wir Frauen müssen mehr wie Männer denken. Weniger zaudern, einfach machen.“