Norderstedt. Bei der ersten Gartenpraxis im Norderstedter Stadtpark drehte sich alles um die Bepflanzung von Balkonkästen und Kübeln.
Also, ich oute mich jetzt mal. Nur damit Sie wissen mit wem sie es hier gartentechnisch zu tun haben. Ich. Habe. Keine. Ahnung. Von. Der. Gärtnerei!
Zwar wurde ich als Jugendlicher von meinem Vater regelmäßig zum Rasenmähen auf unserem nicht unbeträchtlich großen und gartenarchitektonisch hochwertig gestalteten Grundstück verdonnert. Aber aus dieser Zeit habe ich nicht mehr mitgenommen als eine Palette an nicht jugendfreien Verunglimpfungen, die ich mir für den störrischen Elektrorasenmäher während der zweistündigen Mäh-Tortur überlegt hatte und einen Mount Everest an schlechtem Gewissen, weil ich fälschlicherweise wegrasierte, was stehenbleiben sollte und weil ich einmal einen riesigen Terrakotta-Topf mit allerhand buntem Gewächs drin so anfuhr, dass er in interessant viele Teile zersprang.
Wenn ich heute auf meinem Balkon stehe und wie ein Besessener in meinen Balkonkästen Blumenarten oder Kräuter arrangiere, denke ich mit einem Lächeln an diese Zeit. Es hat mich Jahrzehnte gekostet, zu verstehen, wie nett es ist, wenn es draußen vor der Tür blüht und duftet und warum man sich mit der Gestaltung der Flora eine Menge Arbeit machen sollte – ohne jetzt pathetisch werden zu wollen, muss doch gesagt werden: Die Pflanzen geben einem viel von der Liebe zurück, die man in sie hinein steckt. Und das kann man selbst von etlichen Menschen nicht sagen.
Da ich autodidaktisch und nach Anweisung auf den Anleitungen gärtnere, war der Auftakt der Reihe Gartenpraxis im Norderstedter Stadtpark am Donnerstag eine Offenbarung für mich. Da stand Matthias Langehein von der Firma Lüdemann Pflanzen und Floristik vor der Runde der etwa 40 Hobbygärtner und -gärtnerinnen und empfahl sich mit der lapidaren Feststellung, dass er als ausgebildeter Experte mehr als 1000 Gewächse quasi persönlich kenne, also nicht nur ihren deutschen und lateinischen Namen aus dem Effeff beherrsche, sondern auch auf Zuruf die Eigenschaften von jeder Pflanze beschreiben könne. Langehein weiß, ob Pflanzen zickig sind, ob sie gerne saufen oder sich eher auf trockene zurückziehen, ob sie einen großen Kleiderschrank haben und sich mehrmals im Jahr umziehen, ob sie verschwenderisch umgehen mit ihren Reizen oder eher knauserig und ob sie das pralle Rampenlicht suchen oder sich eher im Halbschatten zurückziehen und anderen das Angeben überlassen. „Pflanzen sind wie Lebewesen“, sagt Langehein, „sie brauchen unsere Zuneigung und sie brauchen regelmäßig Nahrung.“
Klar, dass man sie also nicht einfach nach Gutdünken in einem Balkonkasten oder dekorativen Topf zusammenpferchen sollte. Sondern nach gut abgewägten Argumenten und mit viel floral-diplomatischem Geschick. Und so führte Langehein die Hobbygärtner ein, in die Gesellschaftsordnung der blühenden Familie und empfahl Wohngemeinschaften für die Habitate Schattig, Halbschattig und Sonnig.
Im Schatten arrangiert Langehein niedlich buschige und winterharte Koniferen mit Efeu und leuchtenden Fleißigen Lieschen, den feingliedrigen Schneeflöckchen (Bacopa), dazu fließende Begonien, lachsfarbene Adonis-Röschen und Fuchsien. Als Tipp empfiehlt er die Verwendung von Edel-Lieschen, die sonst nur für den Innen-Bereich Verwendung finden, sich im schattigen Kasten aber durchaus gut machen können.
Wer Blumenpracht im Halbschatten will, also in Bereichen, in denen es nicht mehr als vier Stunden Sonne am Tag gibt, der sollte auf die Purpurglöckchen, die Heuchera, zurückgreifen, sagt Langehein. Dazu ließen sich gut Ziergräser und abermals Efeu in grün-gelb geflammt kombinieren. Für die bunten Akzente könnten Begonien mit kleinen, doppelt gefüllten Blüten sorgen , dazu die Wolfsmilch (Euphorbia), zweifarbige Fuchsien, Lobelien und die Husarenköpfchen. „Bei praller Sonne lassen die gerne Mal die Köpfchen hängen. Aber keine Sorge: Abends stellen die sich wieder auf“, sagt Langehein.
Bleibt noch das fette Rampenlicht, die pralle Sonne. Nicht wenige denken nun gleich an den Klassiker, die Geranie. „Aber die klassische Geranie ist nicht mehr In“, klärt Langehein auf. „Es gibt jetzt Züchtungen mit ausgefallenen Blattfarben und eher weniger beeindruckenden Blüten. Die bringen mit ihren Blättern aber ganz schön Leben in den Kasten.“ Auch die Bacopa in Rosa kommen in der Sonne gut zurecht, abermals die super-unempfindliche Wolfsmilch und die kleinblütigen Petunien, die Zauberglöckchen. Dunkelrote Dahlien hat Langehein in seinem Sonnen-Kasten. „Ohne Knolle, denn die werden heute aus Stecklingen gezüchtet.“ Daneben steht das Wandelröschen in gelb-orange und auch die Blume des Jahres im Norden 2015, die Wolken-Lene (Verbene) lässt sich gut kombinieren.
Die Gartenpraxis wäre nicht die Gartenpraxis, wenn die Teilnehmer nicht auch selbst Hand anlegen dürften. Langehein bepflanzt zum Schluss gemeinsam mit seinen Zuhörern ein paar der großen Blumenkübel, die entlang der Birkenallee auf der Seepromenade stehen. Und das ist der Moment, in dem ich mich schließlich verliebe. Und zwar in einen Kanarischen Hornklee, Lotus berthelotii, tieforange, zackige Blüten blassgrünen, nadelförmigen Blättern. So einer muss her. Ich werde also das komplette Wochenende damit verbringen, meine Balkonkästen neu zu arrangieren. Schönen Dank, Herr Langehein. Eigentlich wollte ich mal wieder Laufen gehen.