Knapp 10.000 Besucher amüsierten sich in der nicht ganz ausverkauften Segeberger Open-Air-Arena am Kalkberg. Denn sie alle eint die Liebe zum Schlager.
Der NDR ist nicht mehr dabei, aber die Stimmung ist geblieben: Knapp 10.000 Besucher amüsierten sich in der nicht ganz ausverkauften Segeberger Open-Air-Arena am Kalkberg. Denn sie alle eint die Liebe zum Schlager – und den gibt es an diesem Abend reichlich. Mal klassisch, mal trashig, aber immer so, dass sich alle großartig amüsieren. Schlechte Beiträge werden einfach weggetrunken. Trotz reichlichem Alkoholgenuss bleibt die Veranstaltung „Kalkberg 2015 – Schlager, Kult & Party“ friedlich.
Zum 21. Mal singen die Schlagerrecken auf der Bühne. Obwohl deutsche Schlager im Radio kaum gespielt werden, ist die Musik Kult geblieben. Zumindest für all jene, die sich wieder zum Kalkberg aufgemacht hatten.
Und es hat sich ja auch wenig geändert: Die alten Barden stehen, teilweise hochbetagt, immer noch auf der Bühne, manchmal unterstützt von ihren Kindern. Egal, einem alten Schlagerhasen wie Costa Cordalis kann keiner etwas vormachen. Er macht tapfer weiter, das Lächeln eingefroren, singt seine altbekannten Schlager und hat die Menge im Griff. In diversen TV-Beiträgen wirkte er zuletzt oft etwas abseits und apathisch, auf der Bühne war davon wenig zu merken. Sein Sohn Luca, etwas verloren neben ihm, stört dabei nur wenig. Aber seine eigentliche Aufgabe ist es wohl, den alternden Vater optisch zu unterstützen.
Wer selbst nicht kommen kann, schickt seine Kinder: Achim Petry singt die Lieder seines Vaters Wolfgang und bringt die Menge mit „Das ist Wahnsinn“ zum Kochen. Seine eigenen Songs werden vom Publikum gerade noch geduldet. Blöde, wenn der Vater einen überlangen Schatten wirft. Aber Geld kann man damit auch verdienen.
Ob Papa oder Sohn, Christian Petersen aus Nordfriesland hat sich die Wolle-Perücke übergestülpt, die Wolle-Freundschaftsbänder geknüpft und hüpft ausgelassen vor der Bühne umher. Das karierte Hemd fehlt auch nicht. „Wahnsinn“, johlt er. Und: „Hölle, Hölle, Hölle…“
Statt Papa Gunter Gabriel stürzt sich Tochter Patricia Gabriela auf die Bühne in Bad Segeberg – Schwamm drüber. Aber immerhin: Die Lieder ihres Vaters singt sie nicht.
„Wir sind jedes Jahr dabei“, sagt Nicole Müller aus Lübeck, die zusammen mit ihrer Freundin Bettina Hilmer aus Schönberg nach Bad Segeberg gekommen ist. Beide haben einen Stehplatz und können das Geschehen auf der Bühne von oben sehen. Aber immerhin aus der ersten Reihe. „Und es ist jedes Mal wirklich ganz toll hier.“ Jan Omnitz aus Neumünster und seine Gang haben ihre Plastikgitarren mitgebracht und rocken damit mal ganz locker den Kalkberg.
Ireen Sheer schafft es routiniert,die Menge in Schwung zu halten
Die aktuellen Stars des deutschen Schlagers stehen hier nicht auf der Bühne. Denn alle Gagen der hier auftretenden Künstler gemeinsam würden nicht ausreichen, um sie zu bezahlen. Dafür hat eine andere Szene in Bad Segeberg Fuß gefasst: Der Ballermann schwappt herüber. Anna Maria Zimmermann und Peter Wackel singen Mitklatsch-Songs im Fremdschäm-Modus („Aber scheiß‘ drauf, Kalkberg ist nur einmal im Jahr!“) und bringen die Menge damit natürlich zum Kochen. Jürgen Drews gehört auch zu den Mallorca-Stars, aber er ist ein Sänger mit Charisma, der nicht viel tun muss, um gepflegtes Brodeln auszulösen. Mit seinem Alter kokettiert er unverhohlen. „Der König wird 70“ steht auf seinem T-Shirt. Allerdings auf dem Rücken. Die Majestät wickelt die Menge um den Finger.
Ireen Sheer, auch schon 66, ist ganz bei sich und schafft es routiniert, die Menge in Schwung zu bringen. „Heut‘ Abend hab‘ ich Kopfweh“ ist ihr Gassenhauer, den sie vermutlich auch bei der 50. Schlagernacht am Kalkberg noch singt. Ihre hautengen Lederjeans sind absolut zeitlos und machen sie vermutlich auch in einem weit reiferen Alter noch recht knackig. Diese Lady ist ihr Geld wert – 66 Jahre, na und…? Da geht noch was.
Sehr erfrischend der britische Entertainer Ross Anthony. Mit ihm verbindet niemand einen bestimmten Song, aber seine muntere und bisweilen sehr ironische Art machen ihn am Bad Segeberg zum Publikumsliebling. Ganz anders der alte Haudegen Chris Andrews, der gleich nach Ireen Sheer auftritt und auf immer noch „Kopfweh“-selige Massen trifft. Natürlich singt er „Pretty Belinda“ und „Yesterday Man“, bemerkenswerter aber ist seine nur mit der eigenen Gitarre begleitete Interpretation von Belafontes „Banana Boat Song“: Damit schafft er es, jeden zum Mitsingen zu bewegen. Schwungvoll auch sein Buddy-Holy-Medley. Er bringt ein Kontrastprogramm und macht als ausgefuchster Entertainer eine gute Show. Das Duo Baccara, immerhin mit Gründungsmitglied Maria Mendiola am Start, singt Klassiker wie „Yes Sir, I Can Boogie“, Björn Landberg sieht so aus wie Willy Hagara vor 50 Jahren und singt auch so: Klassischer Schlager mit viel Schmelz in der Stimme. Dass es so etwas heute noch gibt… Andreas Ellermann – na ja, der war auch da. Moderator Christian Schröder wirkte lockerer als 2014. Er hat in Bad Segeberg längst einen unantastbaren Kultstatus.
2016 geht es übrigens weiter am Kalkberg. Tiedemann art production, Veranstalter aller bisherigen Schlagernächte am Kalkberg, kündigt die nächste Kalkberg Open Air für den 3. Mai nächsten Jahres an. Dabei sind Gildo Horn, Michael Wendler, Oli P. – und natürlich Jürgen Drews…