Unterwegs mit Julia Boll. Die 27-Jährige unterrichtet an der Norderstedter Grundschule Immenhorst. Seit 2014 hat sie eine eigene Klasse.

Guten Morgen, Frau Boll.“ „Guten Morgen, Alessandro.“ „Guten Morgen, Frau Boll. Weißt Du, was ich am Wochenende gemacht habe?“ „Leg doch erst mal deine Sachen an deinem Platz ab Fiona, dann kannst du es mir erzählen.“ – Es ist kurz vor acht in der Norderstedter Grundschule Immenhorst und die Schülerinnen und Schüler der 1b trudeln langsam in ihrem Klassenraum ein. Während die einen sich noch ein wenig müde den Schlaf aus den Augen reiben, sind andere bereits hellwach, beim Blick auf ihre Klassenlehrerin Julia Boll sprudeln die Worte nur so aus ihnen heraus. Die 27-Jährige nimmt es mit Humor, begrüßt jeden einzelnen, lauscht den kleinen Geschichten vom Wochenende, die für jedes Kind so wichtig sind, dass sie sie hört, während sie nebenher schon mal die Materialien für die erste Stunde zurecht legt: Deutsch, heute mit der Geschichte vom „Löwen, der nicht schreiben konnte“.

Die Stimmung ist fröhlich in dem hellen und freundlichen Klassenzimmer, an dessen Wänden bunte Arbeitsblätter hängen, damit die Erstklässler die Buchstaben des Alphabets und die Zahlen, die sie gerade gelernt haben, stets vor Augen haben. Vor den großen Fenstern, die zum Pausenhof hinaus gehen, baumeln schwarz-gelbe Bienen aus Pappkarton, an deren runden Bäuchen jedes Kind sein Foto samt Geburtsdatum gehängt hat: Wir sind zu Besuch in der Bienenklasse, 23 Mädchen und Jungen zwischen sechs und acht Jahren, die sich nun auf dem weichen beigefarbenen Wollteppich, der zwischen Tafel und Sitzreihen liegt, versammeln. Mit lauter Stimme liest Julia Boll die Geschichte des Löwen vor, der seiner Liebsten einen Brief schreiben möchte, und die Tiere um sich herum bittet, ihm zu helfen. Die Kinder hören gespannt zu, entwickeln zusammen den kleinen Brieftext, den sie später von der Tafel abschreiben werden. Kaum einer, der in die Worte des anderen Kindes reinquatscht, rumzappelt oder sonst wie den Unterricht stört. „Wir melden uns“, „Wir sind freundlich“, „Wir hören zu“ – die Kinder der Bienenklasse kennen die Regeln, die auf einem großen roten Plakat an der Wand hängen. „Ich habe eine wirklich tolle Klasse, die zusammen eine schöne Gemeinschaft bildet“, schwärmt Julia Boll. Es ist ihre erste Zeit als Klassenlehrerin, ihre erste Klasse, die sie vergangenen Sommer nach ihrem Referendariat übernommen hat.

Dass sie einmal Lehrerin sein wird, war für die gebürtige Norderstedterin, schon früh klar. „Ich komme aus einer Lehrerfamilie, meine Mutter ist Lehrerin, mein Opa unterrichtete ebenfalls“, erzählt sie. Selber hat sie in Lüneburg Deutsch und Sachunterricht mit Schwerpunkt Biologie studiert. Dass sie dann für das Referendariat ausgerechnet in ihrer Heimatstadt angenommen und später auch übernommen wurde, freut sie sehr.

„Ich fühle mich in Norderstedt und an der Schule sehr wohl, und die Kinder habe ich längst ins Herz geschlossen.“ Umgekehrt scheint es ebenfalls so zu sein – zu ihrem Geburtstag vor Kurzem schenkte ihr jedes Kind eine rote Rose. Als Klassenlehrerin muss Julia Boll neben ihren Studienfächern auch Kunst, Religion und Soziales Lernen, ein relativ neues Fach, in dem die Kinder in ihrer Sozialkompetenz geschult werden, unterrichten. „Und auch Sport“, lacht Boll, während sie in der Turnhalle den großen Kasten noch mal in den richtigen Abstand zu Seilen und Weichboden bringt. Nach Deutsch- und Sachunterricht steht als dritte Stunde Geräteturnen auf dem Programm. Unterstützt wird die Pädagogin dabei von Praktikantin Mareike und FSJlerin Denise Loeck. Die Kinder robben über die Bank, klettern auf den großen Kasten, ergreifen das Seil, das davor hängt, und lassen sich mit Schwung auf den Weichboden fallen. Dann geht es weiter zum Stufenbarren, den manche schwungvoll, andere wieder nur mit viel Unterstützung durch ihre Lehrerin nehmen.

„Puh, kurze Pause“, sagt Julia Boll erleichtert und lässt sich für einen Moment auf ihren Stuhl im Lehrerzimmer plumpsen. Mittlerweile ist es kurz nach 11 Uhr, für sie der erste Moment zum Durchatmen. 28 Wochenstunden unterrichtet die junge Grundschullehrerin in der Woche, neben der 1b gibt sie noch Englisch in der 4. Klasse und leitet mehrere Arbeitsgruppen wie Schülerzeitung, Schulgarten und die Meerschweinchen-AG. Dazu kommen Telefonate mit Eltern und Behörden, Ergotherapeuten, Fachlehrern oder dem Zentrum für Deutsch als Zweitsprache; Vorbereitung des Klassenraumes, Meerschweinchen füttern sowie Arbeitsmaterialien vorbereiten. Am Nachmittag stehen neben der Unterrichtsvorbereitung und Korrekturen noch das Ausfüllen der Lernzielbogen und die Hausaufgabenkontrolle an. Den Spruch „Ach, als Lehrerin hast du ja jeden Nachmittag frei und andauernd Ferien“ kennt Julia Boll nur zu gut. „Viele wünschen mir um 14.30 Uhr, beim Verlassen der Schule, auch schon einen schönen Feierabend. Die Wirklichkeit sieht aber ganz anders aus.“ Trotzdem, einen anderen Job könnte sie sich nicht vorstellen. Zum Ausgleich schwingt sich die ausgebildete Imkerin für einen ausgiebigen Ausritt auf Pferd Sina oder geht mit Hund Janosch spazieren. Einfach nur Natur, Ruhe und die Tiere, die keine Fragen stellen. Zeit zum Auftanken, bevor es am nächsten Morgen wieder trubelig weiter geht.