Norderstedt/Tangstedt . Amtsgericht Norderstedt verurteilt zwei junge Männer wegen illegaler Knallerei mit Polenböllern zu Geld- und Bewährungsstrafen.

Wie gefährlich das Zünden von illegaler Pyrotechnik ist, zeigte jüngst der tödliche Unfall zum Jahreswechsel 2014/15 in Alveslohe, wo sich ein 18-Jähriger mit einer Kugelbombe quasi in die Luft sprengte. Das Amtsgericht Norderstedt hat jetzt zwei 23 Jahre alte Norderstedter und Tangstedter zu einer Bewährungs- und Geldstrafe verurteilt, die in der Nacht zum 16. April 2013 das halbe Dorf Tangstedt/Wilstedt mit ihrer illegalen Knallerei aufgeschreckt und dabei auch zwei abgestellte Fahrzeuge beschädigt hatten.

Kevin W., der die sogenannten Polenböller im Wohnhaus seiner Eltern in Tangstedt deponiert hatte, wurde von Amtsrichterin Dagmar Goraj zu vier Monaten Freiheitsstrafe verurteilt, die auf zwei Jahre zur Bewährung ausgesetzt sind. Zudem muss er 1000 Euro in 20 Monatsraten an das Willkommens-Team der Stadt Norderstedt überweisen, das Flüchtlinge betreut.

„Bewährung muss man spüren“, begründete die Richterin das Strafmaß. Sein Kumpel Martin L. aus Norderstedt kam mit einer Geldstrafe davon, die 4800 Euro beträgt, die er monatlich mit 200 Euro abtragen muss.

Für ihn hatte Oberstaatsanwalt Bernd Winterfeldt sogar eine Haftstrafe ohne Bewährung gefordert, weil die Sozialprognose für Martin L. nicht so gut aussehe wie für seinen Kollegen W., der demnächst eine Ausbildung beginnen wird, sich in einer betreuten Wohngruppe befindet und seit dem Vorfall im April 2013 nicht mehr straffällig geworden ist, obwohl er davor auch wegen Sachbeschädigungen und gefährlicher Körperverletzungen mehrfach vor Gericht stand. Doch das Norderstedter Schöffengericht war anderer Auffassung.

Gericht hält erstmalige empfindliche Geldstrafe für wirkungsvoller als Haft

Zwar wurde L. in den letzten acht Jahren wegen zahlreicher Delikte wie Betrug, Urkundenfälschung, Sachbeschädigung und Körperverletzung zu mehrmonatigen Jugendarreststrafen verurteilt und müsse sogar demnächst wegen eines höchstrichterlichen Urteils des Oberlandesgerichts Schleswig in einem anderen Fall eine viermonatige Haftstrafe antreten.

Aber all das habe ihn offenbar bislang nicht abgeschreckt, „sodass wir zu der Auffassung gekommen sind, dass eine erstmalige empfindliche Geldstrafe bei ihnen mehr bewirken kann“, erläuterte die Richterin diesen Abwägungsprozess.

An den Vorfall selbst konnten sich die jungen Männer kaum noch erinnern. Sie hätten sich am Abend des 15. April am Busbahnhof Glashütte getroffen, sagten sie, und seien dann nach Tangstedt zu W. gefahren, wo sie Wodka und anderen Schnaps zu sich nahmen. Gegen 2 Uhr nachts waren sie dann stark angetrunken, der Blutalkoholwert betrug 2,2 Promille, mit einem Rucksack nach draußen gegangen und hatten in mehreren Dorfstraßen die illegalen Polenböller der Kategorie IV gezündet, solange, bis ein Anwohner das Duo zur Rede stellte. Da liefen sie schnell wieder zurück zu W.s Wohnung.

Dort wartete bereits die Polizei auf sie, die Beamten waren von drei Anwohnern wegen des ohrenbetäubenden Lärms alarmiert worden. „Ich bin mitten in der Nacht aus dem Bett hochgeschreckt, weil ich dachte, eine Bombe sei direkt vor meinem Haus hochgegangen“, erinnert sich eine Zeugin. Ein anderer Zeuge sagte aus: „Ich dachte, die schießen draußen.“

Die Polizei brauchte allerdings eine Weile, mehr als eine Stunde, um der beiden grölend und lachend des Nachts umher knallenden jungen Männer endlich habhaft zu werden. Sie würden Silvester feiern, lachten sie die Beamten dann auf der Wache aus.

Das ist kein Spaß, sondern eine Aktion mit sehr hohem Gefahrenwert

„Illegale Pyrotechnik anzuzünden, ist kein Spaß“, redete Oberstaatsanwalt Winterfeldt den beiden Angeklagten ins Gewissen. „Das ist eine Straftat und eine armselige Freizeitbeschäftigung mit sehr hohem Gefahrenpotenzial.“

Immerhin: Kevin W. zeigte sich vor der Urteilsverkündung einsichtig und gestand ein: „Das war dumm, was wir gemacht haben.“ Sein Kumpel Martin L., dessen Vater die Verhandlung im Gerichtssaal verfolgte, müsse aber unbedingt die Geldstrafe allein bezahlen, betonte Richterin Dagmar Goraj in Richtung des Vaters.

Der gab artig zurück: „Das zahlt der selber. Ich bin nur ein armer Rentner.“ Die Beschädigung der beiden Autos blieb ungesühnt, weil nicht bewiesen werden konnte, wer von den beiden die Windschutzscheibe gesprengt hatte.

Auch denen, die dem 18-Jährigen die tödliche Kugelbombe verkauft hatten, droht ein Strafverfahren. Wer eine solche Bombe zünde, müsse mit einer Freiheitsstrafe von mindestens einem Jahr rechnen, hatte das Landeskriminalamt gesagt.