In Nahe bemerken die Anwohner entlang der Landesstraße 75 zunehmend Schäden an ihren Häusern. Sie führen dies auf schlechte Straßenverhältnisse und den Schwerlastverkehr zurück, fordern eine baldige Sanierung.

Nahe. Sie fühlen sich als Verlierer großer Infrastrukturprojekte, als Bürger, deren Befürchtungen nicht ernst genommen werden. Die Menschen in Nahe, insbesondere die Anlieger der Wakendorfer Straße (L 75), sehen, wie sich ihre Gemeinde verändert und die Lebensqualität sinkt. Schäden an den Häusern, Lärmbelästigung bereits nachts und Geschwindigkeitsüberschreitungen gehören hier zur bitteren Realität. Genauso wie die Ohnmacht.

Ortstermin bei Hausnummer 25: Marina Dassau, die dort mit ihrem Lebensgefährten Udo Plischke lebt, führt den Besuch in ihr Wohnzimmer, zeigt stumm zur Decke. Gerade erst wieder hat sie eine dieser schwarzen Stelle entdeckt, wo die Wand einen hässlichen Riss offenbart. Vielleicht könnte der Schaden kosmetisch überpinselt werden, eine Lösung wäre das jedoch nicht. „Wir wohnen jetzt seit 16 Jahren hier, haben viel Herzblut hineingesteckt. Aber jetzt überlegt man schon, ob man noch einmal renoviert. Was bringt es, wenn alles nur drei Wochen hält?“

Marina Dassau berichtet davon, wie der Dachstuhl wackelt, wenn schwere Laster vorbeifahren, wie es knackt im Gebälk und das Geschirr im Regal klirrt. Das Haus selbst ist bereits 100 Jahre alt und wie das gesamte Grundstück mit vielen liebevollen Details versehen – aber nur wenige Meter entfernt verläuft die Wakendorfer Straße.

Dass die Fundamente kontinuierlich erschüttert werden, ist keine Einbildung. Vielmehr ist Dassau wie auch andere Nachbarn davon überzeugt, dass die Risse an den Wänden nur vom Verkehr verursacht sein könnten. „Ich würde mir schon wünschen, dass die Straße endlich saniert wird, damit es nicht mehr so donnert“, sagt Marina Dassau. Am liebsten hätte sie eine Ortsumgehung, aber das bleibt wohl ein Traum. Die Wakendorfer Straße ist keine klassische Dorfstraße, sondern mittlerweile ein wichtiges Verbindungsstück, das Nahe zu einem Knotenpunkt werden lässt. Aus Norden von Henstedt-Ulzburg kommend, trifft der Verkehr auf die Bundesstraße 432, diese führt in Richtung Ostsee oder leitet weiter auf die Autobahnen 1 und 21. Die letzte Zählung ergab, dass täglich rund 5000 Autos, Lkw, Motorräder oder landwirtschaftliche Fahrzeuge die L 75 nutzen. Geeignet hierfür sei die Fahrbahn nicht, sagen die Naher.

In jüngster Vergangenheit gab es drei Wasserrohrbrüche, die Straßendecke wurde jeweils provisorisch mit Pflastersteinen geflickt. Das trägt ebenso zu Erschütterungen bei. Auch direkt vor der Hausnummer 23, wo Carolin und Bodo Asbeck seit 1992 wohnen, sind die Leitungen schon einmal aufgebrochen. „Die Straße ist ein Dauerbrenner in Sachen Zerstörung“, sagt Carolin Asbeck. Sie und ihr Mann befinden sich im Epizentrum. Über zwei Meter vom Fliesenboden bis zur Decke zieht sich im Keller ein Riss die Wand entlang, eine Tür lässt sich deswegen nicht mehr schließen. „Seit fünf, sechs Jahren tauchen die Risse auf“, so Carolin Asbeck. Fast noch schlimmer sei der Lärm. „Nachts können wir nicht bei offenem Fenster schlafen, weil ab 3.30 Uhr die erste Verkehrswelle rollt. An Tempo 30 hält sich ja sowieso keiner.“

Viele der Lkw gehören zur Firma Eggers aus Tangstedt. Dort hatten die Anwohner vor kurzem ein Gespräch – die Geschäftsführung versprach, die Fahrer ausdrücklich daran zu erinnern, sich an die Geschwindigkeitsbeschränkung zu halten. Aber Eggers ist eben nur eines von diversen Unternehmen.

Als Landesstraße fällt die L 75 in den Zuständigkeitsbereich des Landesbetriebes Straßenbau und Verkehr (LBV). Der Sanierungsbedarf ist dort zwar bekannt, hat aber nicht höchste Priorität. „Eigentlich steht der Zeitplan, man geht von einer 16-monatigen Bauzeit aus. Aber es gibt nichts Neues“, sagt Nahes Bürgermeister Holger Fischer. „Erst hieß es Ende 2014, das klang hervorragend. Aber jetzt klingt das nicht mehr so.“ Voraussichtlich 2016 könnten die Arbeiten beginnen, aber auch das ist nicht gewiss.

Parallel würde die Gemeinde gerne den Fußweg sanieren, dazu neue Schmutz- und Regenwasserleitungen verlegen; die Kosten liegen im siebenstelligen Bereich. All das macht jedoch nur Sinn, wenn parallel die Wakendorfer Straße repariert wird. Fischer möchte nun möglichst bald eine Anliegerversammlung einberufen und hat den LBV um eine Teilnahme gebeten. Hinsichtlich der Gebäudeschäden rät Fischer den Bürgern, zumindest juristisch prüfen zu lassen, ob der LBV in Verantwortung gezogen werden könnte. Die Menschen sind jedoch skeptisch, befürchten einen teuren und letztlich erfolglosen Rechtsstreit. Denn die Beweislast liegt auch in diesem Fall bei den Geschädigten. Ein Entgegenkommen vom LBV können die Anwohner nicht erwarten – die Behörde vertritt den Standpunkt, dass Erschütterungen, die vom normalen Verkehr stammen, hingenommen werden müssen.