Experten fürchten, die erneute Verzögerung könnte die bisherigen Zeitplanungen endgültig ins Wanken bringen. Endgültige Kosten-Nutzen-Analyse liegt immer noch nicht vor.
Kaltenkirchen. Die S-Bahn nach Kaltenkirchen kommt möglicherweise noch später als geplant. Die endgültige Kosten-Nutzen-Analyse für das Verkehrsprojekt verzögere sich um ein weiteres halbes Jahr, berichtet das Internetportal Nahverkehrhamburg.de. An der Analyse wird bereits seit dem Jahr 2011 gearbeitet. Sie sollte zunächst Ende 2012 vorliegen, dann wurde das Frühjahr 2014 genannt. In einer Senatsantwort auf eine Anfrage des Hamburger CDU-Verkehrspolitikers Klaus-Peter Hesse ist jetzt von der zweiten Hälfte dieses Jahres die Rede. Als Grund nennt der Senat „weiteren Untersuchungsbedarf“, ohne Einzelheiten zu nennen.
Experten fürchten, die erneute Verzögerung könnte die bisherigen Zeitplanungen endgültig ins Wanken bringen. Ursprünglich sollte im kommenden Frühjahr das Planfeststellungsverfahren beginnen, so dass ab 2017 der Bau starten kann. Noch vor wenigen Monaten verkündeten Schleswig-Holsteins Ministerpräsident Torsten Albig (SPD) und Hamburgs Bürgermeister Olaf Scholz (SPD), dass 2020 der erste Zug elektrisch von Hamburg über Quickborn und Henstedt-Ulzburg nach Kaltenkirchen fahren solle.
Auch die Finanzierung könnte in Gefahr geraten. Die Elektrifizierung der AKN-Strecke zwischen Hamburg-Eidelstedt und Kaltenkirchen inklusive Verlängerung der Bahnsteige und anderer Arbeiten würde bis zu 80 Millionen Euro kosten und wäre nur mit Zuschüssen den Bundes zu finanzieren. Der Zuschuss für die Investitionen wird nach Angaben von Verkehrsminister Reinhard Meyer (SPD) bei rund 60 Prozent liegen, den Rest müssen die Länder zahlen. Die Bundes-Fördergelder des Gemeindeverkehrsfinanzierungsgesetz (GVFG) laufen jedoch 2019 aus. Eine Nachfolgeregelung ist noch nicht in Sicht. Erst 2016 will die Bundesregierung darüber beraten.
Kaltenkirchens Bürgermeister Hanno Krause hatte bereits vor einem halben Jahr die Verzögerungen als „unverständlich“ bezeichnet und in Briefen an die Landesregierungen Hamburgs und Schleswig-Holsteins sowie an Bundeskanzlerin Angela Merkel um Unterstützung gebeten. Auch die erneute Verzögerung löst in Kaltenkirchen Unverständnis aus. Hauke von Essen, Erster Stadtrat und derzeit amtierender Bürgermeister, sagte: „Die Stadt Kaltenkirchen bedauert die Verzögerung sehr.“ Ursprünglich sollte die Wirtschaftlichkeitsberechnung Ende 2012 fertig sein. Die jetzt vorgesehene Fertigstellung im dritten Quartal dieses Jahres sei kaum hinnehmbar. „Die Stadt hofft, dass durch die Verzögerungen nicht auch noch die Fördergelder des Bundes wegfallen, die nur bis Ende 2019 bereit stehen“, sagte von Essen.
Die vorläufige Analyse des Unternehmens Intraplan für die S-Bahn nach Kaltenkirchen hatte im Dezember 2013 einen sehr günstigen Faktor bei Kosten und Nutzen ergeben, so dass die Unterstützung des Bundes als sicher galt. Intraplan hatte Details des Verkehrsprojekts untersucht. Dazu gehörten die Elektrifizierung sowie der zweigleisige Ausbau im Bereich Quickborn/Ellerau und in Eidelstedt. Nach Abendblatt-Informationen sind sich inzwischen Hamburg und Schleswig-Holstein einig, dass die Linie komplett zweigleisig ausgebaut werden soll.
Einige Bewertungsergebnisse aus dem Dezember sind jedoch inzwischen hinfällig, weil Hamburg Änderungswünsche angemeldet habe, hieß aus dem Verkehrsministerium in Kiel. Inzwischen seien die Planungen jedoch so weit fortgeschritten, dass an den Anträgen für die Zuschüsse des Bundes gearbeitet werde. Der Bund habe bereits einige Änderungen akzeptiert, die sich hauptsächlich auf Umstellungen im Hamburger S-Bahnnetz beziehen. Eine Gefahr für den Zeitplan sieht das Ministerium nicht. „Damit kann das Ziel, die Baumaßnahme 2019 abzuschließen und in 2020 den Betrieb aufzunehmen, erreicht werden“, sagte Ministeriumssprecher Harald Haase auf Anfrage.
Für Unsicherheit sorgen jedoch nicht nur die Zuschüsse für die Investition, sondern auch das Geld, das Berlin für den Betrieb des Nahverkehrs zahlt. Die deutschen Verkehrsminister konnten sich bei ihren Verhandlungen über diese sogenannten Regionalisierungsmittel nicht einigen, so dass bislang unklar unklar ist, mit welchen Summe Hamburg und Schleswig-Holstein rechnen dürfen. Im April hatte Verkehrsminister Meyer gesagt, die bislang diskutieren Zuschüsse reichten nicht einmal aus, um das bisherige Angebot im Öffentlichen Nahverkehr aufrecht zu erhalten.
Die Anschaffung der Züge wird bei den Plänen der Ministerien nicht berücksichtigt. Sie werden von der Hamburger S-Bahn beschafft, die auf der Strecke fahren soll. Ihre Investitionen werden sich voraussichtlich auf etwa 50 Millionen Euro belaufen.