Der Friedhof von Tangstedt erfüllt nicht alle Grundsätze der Barrierefreiheit – gerade Rollstuhlfahrer haben Probleme, Grabstätten zu erreichen. Die Verwaltung will im nächsten Jahr einen neuen, gepflasterten Weg anlegen.
Tangstedt. Zunächst geht es noch voran. Zwar etwas holprig, doch wer den Rollstuhl mit beiden Händen fest im Griff hat, sollte normalerweise die Kontrolle behalten. Vermeintlich. Allerdings dauert es nur wenige Meter, bis Udo Linde festgefahren ist. Die Vorderräder stecken in mehrere Zentimeter tiefen Furchen, sodass das Gefährt mühselig und unter keinesfalls geringem Kraftaufwand aus dem aufgeweichten Sand befreit werden muss.
Dabei gerät der Rollstuhl sogar kurzzeitig in Schieflage – keine ungefährliche Situation. Die Grabstätte seiner Eltern, die der 66 Jahre alte Norderstedter auf dem Friedhof Tangstedt erreichen möchte, ist immer noch gut 50 Meter entfernt. Doch hätte Linde keine Hilfe, würde es ihm nicht gelingen, den Ort zu erreichen.
Das Problem ist dem Friedhof schon seit mehreren Jahren bekannt
„Es ist mir nicht möglich, so oft wie ich mir wünsche, zum Friedhof zu kommen. Bei einer Schlechtwetterlage weiß ich, dass für Tage nichts geht“, sagt er. Multiple Sklerose, dieses Schicksal teilt er mit mehr als 100.000 Menschen in Deutschland. Das Autofahren ist noch möglich, aber im öffentlichen Raum ist Linde darauf angewiesen, dass Wege, sanitäre Einrichtungen und Gebäude barrierefrei sind.
Auf dem Friedhof in Tangstedt trifft dies nur bedingt zu. Die Toiletten sind zwar behindertengerecht, doch nicht alle Grabfelder sind problemlos zu erreichen. „Meine Frau Lana schafft es nicht, mich zu schieben“, sagt Udo Linde. Denn der Pfad, der kurz hinter dem Eingang auf der Südseite rechts vom Hauptweg abzweigt, ist nicht gepflastert, dazu abschüssig, besteht anfangs aus Sand, später hat er eine Rasenoberfläche.
Das Problem ist hoch sensibel – und seit Langem bekannt. Viele betroffene Besucher, nicht nur Udo Linde, fordern eine Pflasterung, das hat auch die Friedhofsverwaltung oft gehört. Deren Leiterin Maren Fuehr arbeitet seit 2010 in der Einrichtung, doch schon als sie neu anfing, hatte es bereits drei Jahre lang Gespräche über eine notwendige Umgestaltung gegeben.
„Das Sandgemisch nutzt sich schnell ab, weil es an dieser Stelle so abschüssig ist. Die Politik wurde immer wieder gefragt, ob die Gemeinde als Geldgeber einsteigen könnte. Es hieß aber stets, dass der Friedhof sich selbst tragen müsse“, sagt Maren Fuehr.
Dessen Haushalt setzt sich ausschließlich aus Gebühren zusammen; Kirchensteuereinnahmen bekommt der Friedhof nicht. Jährlich stehen rund 130.000 Euro zur Verfügung, es ist eine Herausforderung, mit diesem Etat den laufenden Betrieb und geplante wie auch kurzfristig anfallende Ausgaben abzudecken.
Mehrfach mussten in den vergangenen Jahren Reparaturen vorgenommen werden, die unvorhergesehene Kosten verursachten – ein Orkan hatte den Baumbestand beschädigt, ein Bagger ging kaputt, ein Dach musste instand gesetzt werden. Das wiederum bedeutete jeweils, dass finanzielle Mittel für andere Maßnahmen fehlten.
2012 wurden die Nutzungsgebühren um 30 Prozent erhöht
Dabei ist es grundsätzlich gesetzlich vorgeschrieben, dass Hindernisse wie im Fall Tangstedt behoben werden. Ausschlaggebend ist die Landesbauordnung von Schleswig-Holstein. Darin heißt es unter Paragraf 52: „Bauliche Anlagen, die öffentlich zugänglich sind, müssen [...] barrierefrei erreicht und ohne fremde Hilfe zweckentsprechend genutzt werden können.“
Auf 2,3 Hektar Friedhofsfläche befinden sich in Tangstedt 3000 belegte Grabstätten; jährlich finden im Schnitt 60 Beisetzungen statt. Um einem drohenden Defizit vorzubeugen, erhöhte die Verwaltung bereits 2012 die Gebühren um 30 Prozent. Allerdings wurde ebenso investiert. „Ein Friedhof muss attraktiv sein, da es in der Umgebung auch Alternativen gibt“, sagt Maren Fuehr. Für Tangstedt sprächen die Möglichkeit einer Baumbestattung und das Naturgrabfeld.
Von drei Firmen liegen bereits Kostenvoranschläge vor
Nach den Sommerferien sollen endgültig die nötigen Entscheidungen getroffen werden, damit im Frühjahr 2015 die Pflasterarbeiten starten können. Das Kuratorium – darin sitzen Gemeindevertreter, der Kirchenbeirat, Pastor Hartmut Quast und Maren Fuehr – wird einen Antrag im Finanzausschuss stellen, dessen Beschluss geht als Vorlage in die Gemeindevertretung. Die Kostenvoranschläge von drei Baufirmen liegen bereits vor, es geht um ein Volumen von zirka 13.000 Euro. Diese Last soll verteilt werden mittels einer Drittelfinanzierung – neben der Verwaltung und der Gemeinde Tangstedt wäre der Förderverein der Kirche ein wahrscheinlicher dritter Partner.
„In jedem Jahr ist eine größere Baumaßnahme möglich“, sagt Maren Fuehr. „Jetzt hat der Weg die höchste Priorität. Die Dringlichkeit ist erkannt worden. Es sollte jetzt im Herbst beschlossen werden, weil ich es für 2015 einplanen möchte.“