Der Landesverband der Augenärzte befürchtet ein wirtschaftliches Interesse am Augenscreening in den Kindergärten. Der Lions Club weist die Vorwürfe zurück und verweist auf den Untersuchungserfolg.

Henstedt-Ulzburg. Augenscreening im Kindergarten: Der Lions Club Henstedt-Ulzburg hat ein deutschlandweit einmaliges Pilotprojekt initiiert, das bei vielen Eltern auf Zustimmung stößt, von anderer Seite aber kritisiert wird. Der Berufsverband der Augenärzte in Schleswig-Holstein vermutet ein kommerzielles Interesse hinter der Aktion und weist auf die seiner Ansicht nach fehlende medizinische Ausrichtung hin.

5000 Euro hat der Lions Club investiert, um ein binokulares Skiaskop anzuschaffen. Damit können die unterschiedlichen Fehlsichtigkeiten beider Augen bei Kindern festgestellt werden. Die Gemeinde Henstedt-Ulzburg ist von der Aktion überzeugt und gestattete den Lions den Besuch der gemeindlichen Kindergärten, um die Kinder – nach Einwilligung der Eltern – zu untersuchen. Augenoptikermeisterin Tatjana Graf, selbst Mitglied des Lions Clubs, leitete die Aktion, die bisher in den Kindergärten Moorweg und Kranichstraße stattfand. Bei 70 Kindern (30 Prozent der Untersuchten) wurden Auffälligkeiten festgestellt. Den Eltern wird empfohlen, einen Augenarzt aufzusuchen.

Hinter der Aktion steht nicht alleine der Lions Club, sondern auch der im niedersächsischen Hankenbüttel ansässige Verein zur Förderung der Wahrnehmung bei Kindern (VFWK), der das Augenscreening unterstützt und fördert. Dr. Bernhard Bambas aus Bad Segeberg, Landesvorsitzender des Berufsverbandes der Augenärzte, findet es bedauerlich, dass in die Aktion keine Augenärzte eingebunden wurden. Das vom Lions Club gekaufte Skiaskop hält Bambas für „nicht iedal“, weil es zu „fehlerbehaftet“ sei. „Augenärzte kaufen dieses Gerät nicht“, sagt der Segeberger Augenarzt und Verbandsfunktionär, der allerdings auch einschränkt: „Jede Untersuchung ist besser als gar keine.“

Es gibt eine Vorsorgeuntersuchung für 36 Monate alte Kinder

Bernhard Bambas weist darauf hin, dass nach den Erfahrungen der Augenärzte etwa sechs Prozent aller Kinder im Einschulalter Fehlsichtigkeiten aufweisen. Das Ergebnis des Augenscreenings mit dem binokularen Skiaskop verunsichere die Eltern unnötig. Er verweist auf die seit etwa fünf Jahren bestehende Vorsorgeuntersuchung 7a für Kinder im Alter von 36 Monaten bei Kinderärzten. Bei dort festgestellten Auffälligkeiten würden die Eltern mit den Kindern zu Augenärzten geschickt. Nach Angaben des Verbandspräsidenten habe es sei seit Herbst vergangenen Jahres etwa drei- bis viermal Telefon- und Mailkontakt mit dem Lions Club in Henstedt-Ulzburg gegeben, wobei eine externe augenärztliche Beratung angeboten worden sei. Das aber sei abgelehnt worden. Bambas vermutet den dahinterstehenden Grund: „Weil Frau Graf Mitglied des Lions Clubs ist, gab es keinen Beratungsbedarf.“ Der Landesverbandsvorsitzende sagt auch, dass der Verein zur Förderung der Wahrnehmung von Kindern von Optikern betrieben werde. „Es stehen starke wirtschaftliche Interessen dahinter.“

Der Kaltenkirchener Unternehmer Jochen Renk, der die Aktion für den Lions Club leitet, bestätigt den Kontakt mit Bernhard Bambas. Er spricht von einer „ziemlich heftigen Unterstellung“ gegenüber der Optikermeisterin Tatjana Graf und weist kommerzielle Interessen zurück. „Wir haben darauf geachtet, dass wir nicht mit Leuten zusammenarbeiten, die auf diese Weise Werbung haben wollen.“ Der Lions Club stehe zu der Aktion und werde weitermachen. „Wir schicken die Kinder ja auch nicht zu den Optikern, sondern empfehlen, einen Augenarzt aufzusuchen.“

Aktion wurde während einer Gemeinde-Presskonferenz vorgestellt

Der Verein zur Förderung der Wahrnehmung bei Kindern ist ein Zusammenschluss von Fachleuten der verschiedensten Disziplinen, zu denen tatsächlich auch Optiker gehören. Vorsitzender Dr. Kay-Rüdiger Harms ist Professor an der Fachhochschule Ostfalia in Wolfsburg mit dem Lehrgebiet Optik/Optometrie, sein Stellvertreter Michael Hornig ist Augenoptikermeister. Er war es auch, der die Lions-Aktion zusammen mit Jochen Renk der Öffentlichkeit vorstellte – und zwar während einer Pressekonferenz der Gemeinde Henstedt-Ulzburg. Hornig bezeichnet das Gerät als einen „Baustein“ der Untersuchungen. Insgesamt würden pro Kind 13 Untersuchungen von insgesamt fünf beteiligten Fachkräften nach den Leitlinien der Deutschen Ophthalmologische Gesellschaft (DOG), der wissenschaftlichen Fachgesellschaft für Augenheilkunde in Deutschland, vorgenommen. Er schränkt allerdings ein, dass gegenüber der Presse auf den Umfang der Untersuchungen nicht hingewiesen worden sei.

Kommerzielles Interesse weist auch Michael Hornig zurück. Er verstehe jedoch die Bedenken hinsichtlich der Augenoptikermeisterin Tatjana Graf, die an der Hamburger Straße ein Geschäft betreibt. Sie sei ein Bindeglied zwischen den Lions und dem Verein.