Das Novolino am Tarpenufer weigert sich, auszuziehen – jetzt wird der Investor Bruhn um die Spielhalle herum abreißen
Norderstedt. Einsam ist es geworden um das Spielcasino Novolino am Tarpenufer im Einkaufsquartier Schmuggelstieg. Während die Automatenzocker munter daddeln, zogen nach und nach fast sämtliche Nachbarn aus den Geschäften des Hauses. Kein Wunder. Denn spätestens im Sommer kommt die Abrissbirne und macht hier alles für einen schmucken Neubau dem Erdboden gleich. Alles? Nicht ganz: Wenn die Mauern der übrigen Geschäfte einfallen, wird das Novolino auf jeden Fall stehen bleiben. Denn der Spielhallenbetreiber Novomatic mit Sitz in Pfullendorf in Baden-Württemberg hat sich geweigert, auszuziehen. Das schleswig-holsteinische Spielhallengesetz treibt am Tarpenufer eine seltsame Blüte.
Im Gesetz steht, dass Spielhallen nur dann zugelassen werden, wenn zwischen den Daddelhallen ein Mindestabstand von 300 Metern Luftlinie besteht, und in diesem Radius dürfen auch keine Kinder- und Jugendeinrichtungen vorhanden sein.
Wer vom Standort des Novolino am Tarpenufer den 300-Meter-Luftlinie-Radius zieht, der stößt an der Ecke zur Ulzburger Straße auf einen Spielhallen-Konkurrenzbetrieb. Eigentlich dürfte es die beiden Spielhallen also nicht nebeneinander geben. Doch bei Inkrafttreten des Gesetzes 2012 wurde bestehenden, rechtmäßig betriebenen Spielhallen ein Bestandsschutz eingeräumt. Alle neu zu errichtenden Spielhallen aber sind an die 300-Meter-Abstandsregelung gebunden.
Würde Novolino aus dem Altgebäude am Tarpenufer ausziehen und wollte das Casino hinterher in den entstehenden Neubau wieder einziehen, müsste es eine neue Konzession beantragen. Und die würde aufgrund der 300-Meter-Regel verweigert werden. Also muss Novolino unter allen Umständen in seinen Räumen verharren, will es weiter das Geschäft mit den Norderstedter Daddlern machen.
„Die Spielhallenbranche ist ein sehr umkämpfter Bereich“, sagt Kai Brahmst, Prokurist der Bruhn Unternehmensgruppe. Bruhn ist der Vermieter von Novolino am Tarpenufer. „Die Konkurrenten schauen immer ganz genau hin, ob sie sich gegenseitig in die Suppe spucken können.“ Monatelang hat Bruhn mit den Betreibern des Novolino über die Situation verhandelt. Neben der politischen Diskussion um den fehlenden geförderten Wohnraum in dem geplanten Neubau hat das Problem Novolino die Planung für das Projekt am Tarpenufer zurückgeworfen. Um dem Bestandsmieter den weiteren Betrieb auch im Neubau zu ermöglichen, einigte man sich jetzt auf eine besonders kreative Form des Abrisses.
Das Novolino wird einfach bleiben, wo es ist, während alles um es herum zusammenbricht. Das sei ein Abriss mit erhöhtem Schwierigkeitsgrad für das Abbruchunternehmen, sagt Brahmst, aber absolut machbar. Es müsse natürlich peinlich genau darauf geachtet werden, dass die Novolino-Räume unversehrt blieben. Nur wenn der Betrieb der Spielhalle gewährleistet ist, bleibt die Konzession bestehen.
Schwer vorstellbar, dass die Zocker im Novolino sich auf die drehenden Scheiben in den Automaten konzentrieren können, wenn nebenan Presslufthammer die Betonwände wegmeißeln. Für die besonders widrigen Abrissphasen müsse der Spielhallenbetreiber wahrscheinlich auch „Betriebsferien“ machen, sagt Brahmst. Doch drohende Umsatzeinbrüche und temporäre Schließungen scheinen immer noch besser zu sein, als den gesamten Standort aufzugeben und das Feld der Daddel-Konkurrenz zu überlassen.
Bruhn plant den kompletten Abriss des in den 60er-Jahren entstandenen Geschäftsgebäudes. „Was wir neu planen unterscheidet sich aber nicht zu sehr von dem, was jetzt steht“, sagt Brahmst. Das Novolino kann also nahtlos in die neue Planung einverleibt werden. Entstehen soll ein einstöckiges Gewerbe-Erdgeschoss mit 300 Quadratmetern Fläche. Der Projektname ist „Schmuggelstieg Center“.
Zur Straße Am Tarpenufer soll eine moderne Flaniermeile mit Glasfronten und einer sandfarbenen Ziegelfassade entstehen. Auf das Dach der Geschäfte würde erneut ein Parkdeck mit 98 Stellplätzen kommen, davon 30 öffentlich nutzbar. Aus der schon bestehenden Kellerfläche soll im neuen Gebäude eine Tiefgarage mit 89 Stellplätzen werden. Im rückwärtigen Bereich des Erdgeschosses sollen drei Vollgeschosse und ein Staffelgeschoss mit insgesamt 41 Wohnungen zur Tarpenbek und der Stadtgrenze zu Hamburg entstehen, vorwiegend 1,5- und 3-Zimmer-Wohnungen.
Wann Bruhn mit dem Abriss am Schmuggelstieg beginnen kann, ist noch nicht klar. „Der Bauantrag ist bei der Stadt Norderstedt eingereicht. Aber es gibt noch erheblichen Abstimmungsbedarf mit der Stadt Hamburg und wegen der Abstände des Neubaus zu den Nachbarn“, sagt Brahmst. Frühestens im Sommer rechnet er damit, dass die Abrissbirne schwingen kann – immer schön am Novolino vorbei, versteht sich.