Agnes Chrabkowski wurde drei Jahre lang von ihrem Ehemann geschlagen. Jetzt hilft sie anderen Frauen, die Opfer häuslicher Gewalt sind
Norderstedt. Als sie Touristen, die in einem Boot an ihr vorbeifuhren und ihr winkten, zurückgrüßte, schlug er zu. Eine Ohrfeige. Mitten ins Gesicht. Eifersucht. Anschließend entschuldigte er sich. War zerknirscht. Doch die Schläge kamen immer wieder. Immer heftiger. Immer häufiger. Die Entschuldigungen wurden weniger, blieben dann ganz aus. Agnes Chrabkowski duckte sich und duldete die Prügel ihres Mannes. Sie suchte die Schuld für die Schläge bei sich. Was habe ich falsch gemacht? Damals war sie 18 Jahre alt, kam aus Polen in ein fremdes Land.
Sie sah keinen Ausweg für sich. Denn sie sprach kaum deutsch, hatte kein Geld und wollte ihren kleinen Sohn nicht verlieren. Nur ihr Schwiegervater sagte immer wieder: „Mädchen, lauf weg, sonst schlägt er dich tot!“ Tatkräftig helfen konnte er ihr nicht. Denn auch er hatte Angst. Vor seinem Sohn. Seiner Ehefrau. Die hingen immer zusammen, tranken, drangsalierten ihre Ehepartner.
„Am Anfang war alles in Ordnung, doch neun Monate, nachdem ich mit ihm bei seinen Eltern in Henstedt-Ulzburg wohnte, fing es mit der Ohrfeige an“, erzählt Agnes Chrabkowski. Zuerst konnte sie es nicht glauben, dass ihr eigener Mann sie prügelte. Sie liebten sich doch. Doch er schlug immer wieder zu. Vergewaltigte er sie auch? „Wenn die Liebe nicht mehr da ist, was ist das denn dann?“, sagt sie. Tränen. Die heute 30-Jährige ist zutiefst verletzt. Für ihr ganzes Leben.
„Er hatte eine kranke Bindung an seine Mutter“, sagt Agnes Chrabkowski. Die Mutter beschimpfte sie: „Du hast meinen Sohn nicht verdient.“ Und sie wurde immer kleiner, fühlte sich nicht nur wehr-, sondern auch wertlos. Als er erst die Wohnung zertrümmerte, dann sie verprügelte, und ihr dreijähriger Sohn sich dem Vater entgegenstellte, um sie zu schützen, wusste sie, dass sie gehen musste. Dem Sohn zuliebe. „Ich wusste plötzlich, dass mein Sohn so nicht aufwachsen sollte, dass ich die Verantwortung für ihn trage und sie auch übernehmen muss“, sagt sie. Und: „Ich wollte nach drei Jahren einfach keine Angst mehr haben vor seinen Schlägen, seiner Brutalität.“
Vor genau neun Jahren flüchtete Agnes Chrabkowski mit ihrem Sohn ins Frauenhaus Norderstedt. „In den ersten Tagen nach meiner Flucht hat er versucht, mich übers Handy zu erreichen, dann hat er es abgemeldet“, sagt sie. Erst bei der Scheidung habe sie ihn im Gericht wiedergesehen. Als er sie anfassen wollte, drohte ihre Freundin, die Polizei zu holen.
Ein Jahr dauerte es, bis sie ihr Selbstwertgefühl mit Hilfe der Mitarbeiterinnen im Norderstedter Frauenhaus wiederfand. Wieder Vertrauen zu sich aufbaute. 2006 verließ sie das Frauenhaus. Heute arbeitet sie in einer Arztpraxis und will demnächst Sozialpädagogik studieren. „Mein Sohn ist zwölf Jahre alt und ein glückliches Kind. Ich habe eine neue Beziehung und bin auch glücklich“ sagt sie.
Agnes Chrabkowski hilft jetzt anderen Frauen im Frauenhaus. Sie baute die Ausstellung „Herzschlag“ mit auf, die in der Galerie des Norderstedter Rathauses zu sehen ist. Und sie macht mit den Mitarbeiterinnen im Frauenhaus Präventivarbeit an den Schulen. „Es ist wichtig, den Kindern und Jugendlichen zu erzählen, wie häusliche Gewalt entsteht, und wie man sie vermeiden kann“, sagt Agnes Chrabkowski und freut sich, dass die Schülerinnen und Schüler an der Problematik interessiert sind und Fragen stellen. „Wir gehen in alle Schularten, denn häusliche Gewalt ist keine Frage der Gesellschaftsschicht, sie findet auch in Anwalts- und Arztfamilien statt“, sagt Chrabkowski. Nur hätten die Frauen oft andere Möglichkeiten, aus dem Gewalt-Kreislauf auszubrechen, da sie oft einen Beruf hätten und über mehr Geld und hilfreiche Kontakte verfügen würden.
Agnes Chrabkowski ist heute eine starke Frau, die über das, was ihr ein einst geliebter Mensch zufügte, sprechen kann. Auf der Eröffnung zur Ausstellung „Herzschlag“ machte sie betroffenen Frauen Mut: „Ihr schafft das, geht nach vorn! Das Leben ist schön!“ Die Frauen müssten ihr Leben selbst ändern, selbst bestimmen, damit die Kinder sicher aufwachsen könnten. „Wir müssen uns nicht schämen, und die Gewalt, die Männer uns antun, ist kein Tabu-Thema“, sagt sie und fordert Nachbarn, Freunde und Bekannte auf, nicht wegzusehen, wenn in einer Familie „etwas nicht stimmt“, wenn geprügelt wird.
Hilfe zu dieser Hilfe geben auch die Texttafeln in der Ausstellung, die unter anderem mit simplen Haushaltsgeräten zeigt, womit Männer ihre Frauen verprügeln und vergewaltigen. „Fast jede vierte Frau ist Opfer häuslicher Gewalt, das ist erschreckend“, sagte Norderstedts Stadtpräsidentin Kathrin Oehme bei der Eröffnung und lobte besonders die Aktion „Gewalt kommt nicht in die Tüte“, die Norderstedts Gleichstellungsstelle mit den Bäckereien Schmidt und Rahtjens durchführt. „Wir müssen laut über häusliche Gewalt sprechen, wir müssen dieses Tabu-Thema brechen“, forderte CDU-Landtagsabgeordnete Katja Rathje-Hoffmann.
Die Ausstellung Herzschlag im Rathaus ist am Donnerstag, 13. Februar, für die Allgemeinheit von 15 bis 18 Uhr geöffnet, für Schulklassen auch nach Vereinbarung unter der Telefonnummer 040/529 66 77.