Das Motiv der Bluttat von Quickborn ist nach wie vor rätselhaft. Der junge Mann, der seine Eltern mit einem Hammer attackierte, war offenbar in die Drogenszene abgeglitten.
Quickborn/Norderstedt. Was trieb den 20-jährigen Norderstedter Levin S. dazu, seine Eltern Ute, 56, und Peter, 64, mit einem Hammer fast tot zu schlagen? Das fragen sich drei Tage nach der Bluttat nicht nur die Nachbarn in der schmucken Wohnsiedlung an der Dorfstraße in Quickborn-Renzel, in der sich am Sonnabendnachmittag das Familiendrama abspielte.
Gegen den Täter, der fünf Stunden nach der Attacke in Norderstedt festgenommen wurde, ist Haftbefehl wegen zweifachen versuchten Totschlags erlassen worden. Dass der 20-Jährige im Drogenrausch handelte, wie es ein großes Boulevardblatt berichtete, gilt in Ermittlerkreisen indes als wenig wahrscheinlich.
Offiziell will sich auch am Montag niemand zur Motivlage äußern. „Dazu machen wir keine Angaben, das ist noch Gegenstand der Ermittlungen“, sagt Peter Müller-Rakow, Sprecher der Staatsanwaltschaft Itzehoe. Er bestätigte, dass Ute und Peter S. noch im Krankenhaus behandelt werden. Müller-Rakow: „Sie schweben aber nicht mehr in Lebensgefahr.“ Beide hätten aufgrund der Attacke erhebliche Kopfverletzungen erlitten. Sie werden vermutlich noch einige Zeit im Krankenhaus bleiben müssen.
Ute S. hatte am Sonnabend gegen 16.20 Uhr noch selbst über die Nummer 112 Hilfe rufen können. Sie schilderte der Elmshorner Rettungsleitstelle, dass sie und ihr Mann von ihrem Sohn mit einem Hammer attackiert worden seien und dringend ärztliche Hilfe benötigten. Die ersten Einsatzkräfte von Polizei und Rettungsdienst, die wenig später an der Doppelhaushälfte im Friesenstil eintrafen, fanden das Ehepaar schwer verletzt im Gebäude vor. Levin S. war geflüchtet. Er soll auch die Tatwaffe mitgenommen haben.
Auch zu dieser Frage gibt sich Staatsanwaltschaft Müller-Rakow wortkarg. „Wir machen weder Angaben zur Tatwaffe noch teilen wir mit, ob wir diese sichergestellt haben.“ Laut dem Staatsanwaltschaft ist der Haftbefehl gegen Levin S. mit Fluchtgefahr begründet. Den 20-Jährigen erwartet eine lange Gefängnisstrafe.
Selbst wenn er unter das mildere Jugendstrafrecht fiele, läge die mögliche Höchststrafe noch bei zehn Jahren. Ob es strafrechtlich beim Vorwurf des versuchten Totschlags bleibt, ist noch völlig offen. „Die rechtliche Einordnung ergibt sich aus den weiteren Ermittlungen, insbesondere zur Motivlage“, so der Sprecher der Staatsanwaltschaft.
Sollte der 20-Jährige etwa aus Habgier oder Heimtücke gehandelt haben, wäre auch eine Anklage wegen versuchten Mordes möglich. Müller-Rakow: „Noch stehen die Ermittlungen am Anfang.“ Ob sich der mutmaßliche Täter zu den Vorwürfen eingelassen hat, will die Staatsanwaltschaft ebenfalls nicht preisgeben.
Laut Ermittlerkreisen ist aber offenbar klar, dass die Bluttat auf das Konto von Levin S. geht. Unklar ist dagegen das Warum. Ein möglicher Erklärungsansatz könnte der Drogenkonsum des 20-Jährigen sein. Seine Sucht hatte offenbar mehrfach zu Auseinandersetzungen in der Familie geführt. So soll Levin S. mehrfach seine Eltern bestohlen haben, um sich von dem Geld Drogen kaufen zu können.
Fakt allerdings ist, dass Ute und Peter S. ihr einziges Kind trotzdem nicht fallen ließen. Zwar lebte der 20-jährige nicht mehr im Haus der Eltern. Die Wohnung in Norderstedt allerdings, in der Levin S. wohnte und in der er auch festgenommen wurde, gehört den Eltern. Dort durfte der 20-Jährige offenbar mietfrei wohnen. Bei ihm soll es sich nach allerdings unbestätigten Angaben um ein Adoptivkind handeln.
Levin S. wuchs in Quickborn auf, ging auch dort zur Schule. In seiner Jugend war er auch in vielen örtlichen Vereinen aktiv. Er spielte Tennis und war Mitglied im Schützenverein Quickborn-Renzel, für den er auch bei mehreren Jugendmeisterschaften antrat. Inzwischen gehört der 20-jährige den Vereinen nicht mehr an.
Der Polizei ist der junge Mann als Drogenkonsument bekannt. Dabei ging es jedoch eher um weiche Drogen wie etwa Cannabis. Auch kleinere Straftaten wie Diebstähle soll der 20-Jährige in den vergangenen Jahren begangen haben, um an Geld zu gelangen. Schwere Straftaten waren indes nicht aktenkundig – bis zum vergangenen Sonnabend.
Ein Tag, der den Nachbarn in mehrfacher Hinsicht in schlechter Erinnerung bleiben wird. Erst die Bluttat, dann das Großaufgebot der Polizei- und Rettungskräfte. Und zu guter Letzt die vielen Pressevertreter, die vor Ort auf Spurensuche gehen. Um sie zu verscheuchen, haben die Nachbarn per handschriftlichem Zettel die Zufahrt zum Tathaus zur Privatstraße erklärt.
Zuletzt hatte im Kreis Pinneberg vor mehr als viereinhalb Jahren ein Sohn versucht, seine Eltern zu töten. In Elmshorn griff am 14. März 2008 Hans-Werner St. zum Messer und erstach seine 80-jährige Mutter, seinen gleichaltrigen Vater verletzte er schwer. Das Gericht erkannte auf Mord, begangen im Zustand der Schuldunfähigkeit, und wies den damals 53-Jährigen dauerhaft in die Psychiatrie ein.