Familie Schichler aus Henstedt-Ulzburg bekam zehn Tage keine Post, dann traf sie massenweise ein

Henstedt-Ulzburg. Zehn Tage keine Post – das ist besonders dann ärgerlich, wenn dadurch Termine verpasst werden. Das ist der Familie Schichler aus Henstedt-Ulzburg passiert: Eine Trauerkarte erreichte ihren Briefkasten in der Straße Am Rodelberg erst nach erfolgter Beerdigung. Ihre Proteste gegen die ausbleibende Post wurden in einem Callcenter freundlich entgegengenommen, genützt haben sie aber nichts. Für die Gewerkschaft Ver.di ist dieses Problem symptomatisch: Die Briefzusteller der Deutschen Post DHL hätten zunehmend Schwierigkeiten, alle Briefe während ihrer Arbeitszeit zuzustellen.

Wenn Briefe und sonstige Postsachen ausbleiben, merken es die meisten nicht sofort. Erst nach Tagen ohne Briefkasteninhalt werden viele aufmerksam. In der Straße am Rodelberg direkt neben dem Alstergymnasium haben Siegfried und Margot Schichler zurückgerechnet: Mindestens zehn Tage hatten sie keinen Besuch vom Briefträger. Den Nachbarn erging es genauso. Wahrscheinlich war es sogar ein längerer Zeitraum: Als die Post schließlich wieder eintrudelte, kam sie in Massen – 13 Tage rückwirkend auf einen Schlag.

Der Anruf beim Kundentelefon der Deutschen Post (0228/433 31 11) blieb ergebnislos. Im Bonner Callcenter der Post antwortete eine Dame nett, aber belanglos. „Wir haben hier keine Chance, eine direkte Auskunft zu bekommen“, sagt Siegfried Schichler. Im Henstedt-Ulzburger Postamt wurde er auf die Nummer des Post-Kundentelefons aufmerksam gemacht.

In Norderstedt machte das First-Reisebüro an der Rathausallee unliebsame Erfahrungen mit der Post: Pünktlich abgeschickte Bahn-Tickets zum Sonderpreis trafen erst acht Tage später bei einem Kunden ein, der sein Büro gleich um die Ecke am Langenharmer Weg hat. Nachfragen bei der Post blieben ergebnislos.

Das sind Einzelfälle, aber nach den Erkenntnissen von Lars-Uwe Rieck, Landesbezirksfachbereichsleiter für Post, Spedition und Logistik bei der Gewerkschaft Ver.di, häufen sie sich. „Der Arbeitgeber versucht, das Maximum aus den Menschen herauszuholen“, sagt der Post-Experte. „Das Zustellsystem der Deutschen Post stimmt hinten und vorne nicht.“ Seit drei bis vier Jahren beobachtet er nach eigenen Angaben, dass die Zustellbezirke größer werden, sodass es für die Zusteller das Arbeitspensum kaum schaffen könnten.

„Früher sind die Zusteller nach Hause gegangen, wenn ihre Briefe ausgetragen waren, heute reicht die Arbeitszeit oft nicht aus, um alle Briefe zuzustellen.“ Er wisse von jüngeren Zustellern, die morgens freiwillig zwei Stunden früher mit ihrer Arbeit beginnen, um das Pensum zu schaffen. Der Krankenstand sei bei Zustellern durch diesen Druck sehr hoch, viele könnten nicht bis zum Rentenalter arbeiten.

Martin Grundler, Pressesprecher der Deutschen Post für Hamburg, Mecklenburg-Vorpommern und Schleswig-Holstein, bestätigt dieses System: Wenn die Arbeitszeit von 7,42 Stunden pro Tag abgelaufen sei, werde Feierabend gemacht. „Abbruch“, nennt der Post-Sprecher dieses Vorgehen, wenn noch nicht alle Briefe zugestellt worden seien. Das müsse dann am nächsten Tag geschehen – wie auch immer. Am Rodelberg sei es während der beanstandeten Zeit zweimal geschehen.

Nach seinen Erkenntnissen ist aber nicht nachvollziehbar, dass es über einen längeren Zeitraum keine Zustellung gegeben haben soll. Die Bezirke seien so geschnitten, dass alle Briefe während der Arbeitszeit ausgeliefert werden können. „In der Vorweihnachtszeit kann es mal eng werden“, räumt Martin Grundler ein. Generell sei das Sortieren der Briefe automatisiert worden, sodass mehr Zeit für das Austeilen der Post bleibe. Während der Vorweihnachtszeit werde der Paketzustelldienst durch Aushilfskräfte personell verstärkt, nicht aber der Briefzustelldienst.

Für die Familie Schichler und ihre Nachbarn sind diese Erklärungen wenig plausibel. „Wenn die Post zehn Tage nicht ausgeteilt wird, stimmt irgendetwas nicht.“ Lars-Uwe Rieck von Ver.di sieht es genauso: „Wenn ein Zusteller krank wird, reißt das ganze System in diesem Gebiet.“