Die Mieter am Friedrichsgaber Weg haben Angst, dass die Mieten unbezahlbar werden, wenn die Wohnungen wie geplant auf den aktuellen Stand gebracht und durch Neubauten ersetzt werden.
Norderstedt. Kein Abriss unserer Häuser, kein neues Haus auf unserem Rasen, keine Parkgarage unter unserem Rasen, keine Modernisierung auf unsere Kosten – das fordern Mieter der Wohnblocks und Hochhäuser am Friedrichsgaber Weg, die sich zu einer Mieterinitiative zusammengeschlossen haben. Sie befürchten, dass die Mieten drastisch steigen und die Wohnqualität im gleichen Maße sinken könnte, wenn die Wohnungsgenossenschaft Neue Lübecker ihre Pläne wie vorgesehen realisiert. Die sehen vor, einen Teil der insgesamt 133 ehemaligen Werkswohnungen von Jungheinrich zu modernisieren und die Wohnblocks vorne am Friedrichsgaber Weg abzureißen und durch Neubauten zu ersetzen. Zudem sollen weitere Wohnungen in zweiter Reihe und weiter hinten gebaut werden, die Zahl soll auf 164 steigen. Nach den Plänen sollen die meisten Autos in einer neuen Tiefgarage mit 155 Stellplätzen unter der Erde verschwinden.
„Die Konsequenz wäre, dass die Rasenfläche verschwinden müsste“, sagt Edda Lechner, Sprecherin der Mieterinitiative. Diese Freifläche sei aber für die Lebensqualität der kleinen Stadt in der Stadt enorm wichtig. Hier wird und wurde gefeiert, oft interkulturell und zu einer Zeit, als dieser Begriff noch kaum gebraucht wurde. Der Gebäudekomplex entstand in den 60er-Jahren, als Deutschland Gastarbeiter und Jungheinrich für sein Werk in Friedrichsgabe Arbeitskräfte brauchte. Viele Ausländer fanden in der größten Produktionsstätte des internationalen Gabelstaplerherstellers einen Job, zogen mit ihren Familien in eine der Wohnungen gleich um die Ecke. „Die soziale Durchmischung hat hier immer problemlos geklappt. Unruhe und Streit zwischen Deutschen und Ausländern gab es nicht, wir feiern und leben miteinander“, sagt die Initiativen-Sprecherin. Und als Treffpunkt dienten eben die Freiflächen und der große Spielplatz, beides müsste zur Hälfte Neubauten weichen. Eine Tiefgarage sei nicht nötig, die Mieter hätten ausreichend Plätze für ihre Autos.
„Ich wohne seit 41 Jahren hier. Wir haben immer alle Umlagen bezahlt, die Wohnung auf eigene Kosten modernisiert, und jetzt werden wir so behandelt“, sagt Ante Kovacevic. Die Neue Lübecker habe ihm angeboten, in das schon modernisierte Hochhaus zu ziehen, wenn seine Wohnung auf den aktuellen Stand gebracht wird. Aber: Er gelte als Neumieter, müsse gut neun Euro pro Quadratmeter zahlen, das Doppelte des jetzigen Mietpreises. „Und dann ist nicht mal sicher, ob er in seine alte Wohnung zurück kann, schließlich hat er den Mietvertrag gekündigt“, sagt Manfred Thiedig, der in der Mieterinitiative für seine Freundin kämpft. Die sei psychisch am Ende, seitdem die Pläne auf dem Tisch liegen.
„Hier wohnen überwiegend Rentner und Geringverdiener, die kaum mehr Miete bezahlen können“, sagt Edda Lechner. Daher sei es zu begrüßen, wenn der Vermieter seine Zusage einhält, die Altmieter müssten nach der Modernisierung nicht mehr als 6,20 Euro pro Quadratmeter zahlen – ein akzeptabler Preis. Wer neu einzieht, müsse allerdings gut neun Euro fürs Wohnen ausgeben. Auf heftige Kritik bei der Mieterinitiative stößt das aktuelle Vorgehen der Neuen Lübecker: „Bisher hieß es immer, dass mit der Kündigung eine Ersatzwohnung angeboten wird. Doch davon ist jetzt nicht mehr die Rede“, sagt Lechner.
„Als Mitglieder der Genossenschaft haben die Mieter ein Dauernutzungsrecht, können nicht so einfach vor die Tür gesetzt werden“, sagt Kurt Plagemann vom Mieterverein Norderstedt, der einige Mieter vertritt und auf ähnliche Beispiele in Norderstedt verweist. Am Finkenried lässt die örtliche Wohnungsgenossenschaft Adlershorst Wohnungen leer stehen und versucht, die noch verbliebenen Mieter rauszubekommen, um neu bauen zu können. Die Grundstücksverwaltungs- und Projektentwicklungsfirma Bruhns aus Hamburg hatte am Fasanenweg Wohnungen modernisiert und 200 Euro mehr Mieter verlangt. All das sind, so Plagemann, Beispiele für einen bundesweiten Trend: Altmieter, die sich höhere Mieten nicht leisten können, werden verdrängt und sollen finanzkräftigen Nachfolgern Platz machen.
„Wir haben Verständnis für die Ängste der Mieter. Aber letztlich sind wir ein Wirtschaftsunternehmen und müssen die Wohnungen vermieten. Das ist aber nur möglich, wenn sie dem aktuellen Stand entsprechen und für neue Mieter attraktiv sind“, sagt Volker Skroblies, Vorstand der Neuen Lübecker. Er betont, dass am Friedrichsgaber Weg keine Luxussanierung geplant sei und dort kein „Yuppiequartier“ entstehen soll. Das Unternehmen wolle eine sozial verträgliche Lösung. Das wollen auch die Mieter, die eine Modernisierung grundsätzlich begrüßen, verbessert sie doch den Wohnwert.
„Wir werden mit den neuen Mieten deutlich unter den zulässigen Grenzen bleiben“, sagt Skroblies. Abriss und Neubau seien nötig, weil vieles, was heute selbstverständlich sei, nicht nachgerüstet werden könne. Vor 2018 werde aber nicht neu gebaut, sodass noch ausreichend Zeit für Gespräche bleibe. „Gerade in Norderstedt, wo ohnehin günstige Wohnungen fehlen, ist es so gut wie unmöglich, den Mietern entsprechenden Ersatz anzubieten. Wir können ja keine Wohnungen entmieten“, sagt der Vorstand.
Die Mieterinitiative will jetzt die Kommunalpolitiker informieren und hofft darauf, dass die Parteien ihre Forderungen unterstützen und sich für eine sozial verträgliche Lösung stark machen.