Beim Abend der Norderstedter Wirtschaft sprach die Managerin des Jahres 2009 von der Micorsoft Corporation vor 360 Mittelständlern über die Rolle der Frau in der Wirtschaft.

Norderstedt. So richtig verdaut hat die Norderstedter Wirtschaft den Auftritt von Wolfgang Grupp, dem schillernden Trigema-Boss noch nicht. Der war beim Abend der Norderstedter Wirtschaft im vergangenen Jahr durch wertkonservative, ja fast chauvinistische Thesen aufgefallen, verglich Frauen mit Rehen, Männer mit Hirschböcken und ordnete Kinder als Kitze naturgemäß den Rehen und nicht den Böcken zu. Müßig zu betonen, dass Grupp die Frau nicht nötigerweise im Topmanagement verortet.

„Ich hoffe, Sie haben mich heute Abend hier nicht als Hirschkuh eingeladen“, sagte Angelika Gifford, 48, Top-Managerin von Microsoft Deutschland, Managerin des Jahres 2009, und erntete bei ihrem Vortrag am Donnerstag vor dem Stelldichein des Norderstedter Mittelstandes, der Industrie und den Spitzen aus Dienstleistung, Verwaltung und Politik den ersten Lacher für sich. Gifford sollte diesen Abend der Norderstedter Wirtschaft zu einem gelungenen Kontrapunkt zum Gruppschen Solo 2012 machen.

Denn Gifford vertritt vehement und seit Jahren eine zeitgemäße Firmenkultur, die die Frau und besonders die Mutter nicht mehr länger als teilzeitbeschäftigte Belastung im Workflow des Unternehmens sieht. Sondern als gleichberechtigte Mitarbeiterin und Führungskraft mit dem Potenzial, die Rendite und die Ebitda eines Unternehmens zu steigern. Gifford ist das beste Beispiel für ihre These. Die Bankbetriebswirtin mit Master-Abschluss am MCE Management Centre Europe in Brüssel legte eine blitzsaubere Karriere über die Etappen Deutsche Bank, Sovran Bank (USA) und Compunet hin, ehe sie 1993 in die Microsoft Corporation einstieg und 2006 in die deutsche Geschäftsleitung des IT-Giganten aufstieg.

Manager, die lieber lügen statt zuzugeben, dass sie ihr Kind aus der Kita holen

Ganz selbstverständlich war es dabei für sie und offenbar auch für die Herren an der Microsoft-Spitze, dass Gifford pünktlich jeden Abend den Schreibtisch verließ, um mit ihrem Sohn Kevin das Sandmännchen zu schauen. „Ich habe Väter im Vorstand erlebt, die haben den Kollegen Kunden-Termine vorgegaukelt, weil sie Angst hatten zuzugeben, dass sie ihre Tochter aus der Kita abholen mussten“, sagte Gifford. Gerade weil sie die Vereinbarkeit von Familie und Beruf demonstrativ vorlebte, wurde sie 2009 mit dem Titel Managerin des Jahres bedacht. Was sie ermutigte, 2011 ein Sabbatjahr für ihr Kind zu machen. Hinterher machte sie weiter bei Microsoft – als wäre sie nie weg gewesen.

Die Norderstedter Unternehmern mutete Gifford in ihrem Vortrag allerhand mühseliges Zahlenmaterial zu („Entschuldigung, ich liebe Zahlen!“), das im Kern die Unterlegenheit der Frau in der Wirtschaft dokumentiert. Doch Gifford wollte sich nicht als Verteidigerin von Frauenquoten oder als Anklägerin der unterdrückten Spezies Frau missverstanden wissen. „Nein: Ich komme mit der wirtschaftlichen Argumentation daher.“ Gifford, bestens in Berlin vernetzt, die keinen Hehl aus ihren Kontakten zu „dem lieben Herrn Steinmeier“ und Angela Merkel und ihrem Mitleid für die Naivität der Ex-Familienministerin Kristina Schröder machte, plädierte für Diversität in den Führungsetagen. „Es müssen gemischte Teams her, Geschlecht, Alter, Ethnien, Herkunft – wir sind in einem globalen Markt, da ist das unabdingbar.“

Sie warb für eine Unternehmenskultur des „immer und überall“, das dem Mitarbeiter vertrauensvoll seine Arbeit dort und mit den Mitteln erledigen lässt, die er für richtig hält. „Morgens pünktlich um 8 Uhr ins Büro und um 17 Uhr wieder raus – wer so denkt, ist wenig effektiv und hat keine Aufstiegschancen. Das ist die alte Welt.“ Elektronische Hilfsmittel und Arbeitskonzepte wie das Home Office seien Wege, die Vereinbarkeit von Familie und Beruf zu gewährleisten.

Lars Schöning, amtierender Hauptgeschäftsführer der IHK zu Lübeck, hatte vor Gifford in einem Gastbeitrag betont, dass die Wirtschaft der Region den Fachkräftemangel im Land zu gelassen sehe und wie nötig Frauen seien, um die entstehenden Lücken zu schließen. Gifford sagt: „Wenn wir die Erwerbsquote bei den Frauen angleichen, dann haben wir keinen Fachkräftemangel mehr in Deutschland.“

Bei der Fragerunde wurde das Thema Schuld diskutiert

Wie er sich als Mittelständler flexible Arbeitsbedingungen wie die bei Microsoft leisten könnte, das war dem Elektro-Unternehmer Andreas Münster aus Norderstedt schleierhaft. „Und ich erlebe meine Mitarbeiter als Doppelverdiener, die sich keine Sabbatjahre und Tagesmütter leisten können. Wie soll das also gehen, Frau Gifford?“ Der Mittelstand, so Gifford, sei „zu wenig dran an der Politik“. Berlin müsse gezwungen werden, Mittel locker zu machen, die es kleinen Unternehmen gestattet, Frauen flexibler einzusetzen.

Schließlich wollte Dr. Susanne Dähn, selbst Mutter, von der scheinbar perfekten Manager-Mutter Angelika Gifford wissen, ob sie Schuld verspüre, wenn sie ihr Kind ständig betreuen lasse, das womöglich lieber bei seiner Mama wäre. „Ich möchte die Frage zurückgeben“, sagte Gifford. „Warum fragen Sie das nicht meinen Mann?“ Und ja, sie fühle sich schuldig. Doch könne sie eben nicht ohne ihre Karriere, nur so wäre sie glücklich. „Das ist der Weg, den ich für mich gefunden habe. Ginge es meinem Sohn dabei schlecht, würde ich sofort zurückstecken als Managerin.“

Nach dem Vortrag folgte das Buffet für die 360 Gäste von Norderstedter Marketing. Es gab unter anderem kleine Frikadellen. Aus Hirschböcken.