Die Segeberger Wanderer haben ein abwechslungsreiches Tourenjahr hinter sich. Sie erlebten den Mecklenburger Frühling und die Holsteinische Schweiz, sie besuchten die Karpfenstadt Reinfeld.

Henstedt-Ulzburg. „Let’s go – jeder Schritt hält fit“, sagt Roger Lorentz und ruft seine Schäfchen herbei. Es ist 9 Uhr an einem Sonntag, ein kühler und regnerischer Tag kündigt sich an. Auf dem Parkplatz eines Lebensmittel-Discounters in Bornhöved stehen ein Dutzend Autos, aus denen 16 Hobby-Wanderer steigen.

Sie kommen aus allen Richtungen des Kreises Segeberg. Roger Lorentz, seit einem Jahr 1. Vorsitzender der Wanderbewegung Norddeutschland Segeberg e.V., stimmt die Vereinsmitglieder, die einen ausgeschlafenen Eindruck machen, auf einen 16 Kilometer langen Fußmarsch ein. Der soll bis zum späten Nachmittag dauern.

„Wir brauchen keine Schirme“, sagt Irmtraud Philips aus Tönningstedt, als es zu regnen anfängt. Zur Stärkung ihrer Fitness schält sie sich schnell noch eine Banane. Ihre Freundin Hannelore Wiese aus Kükels holt aus einem kleinen Rucksack eine Flasche Mineralwasser, dann sind beide Damen bereit zum Abmarsch.

Etwas abseits stehen Kurt und Rita Schnack und schauen auf ihren Tagesplan. Der pensionierte Tierzuchttechniker hat 45 Jahre lang in seinem Heimatort Dreggers – hier wohnen nur 54 Menschen – mit der künstlichen Besamung von Rindern zu tun gehabt. Seit vielen Jahren ist das Wandern ein abwechslungsreiches und interessantes Hobby für sie.

Heute haben die beiden Wanderführer eine Route mit viel Natur, Wäldern und Wasser ausgetüftelt – eine Drei-Seen-Wanderung mit Mittagseinkehr in der alten Perdölermühle.

Hier verlief einst der Limes Saxoinae, eine von Kaiser Karl dem Großen im Jahr 810 gezogene unbefestigte Grenzlinie zwischen den Sachsen und Slawen.

Mit einem Wanderlied, das schwedische Studenten einst sangen und das jeder kennt, stimmen sie sich ein: „Im Frühtau zu Berge wir geh’n, fallera, es gründen die Wälder, die Höhn, fallera. Wir wandern ohne Sorgen, singend in den Morgen, noch ehe im Tale die Hähne kräh’n.“ Unterwegs singen sie dann nicht mehr. „Die Zeiten, in denen das Wandern des Müllers’ Lust war, sind lange vorbei“, sagt Roger Lorentz. Aber er hat sie noch erlebt. Jedes Jahr seit 1985, wenn er mit seiner Frau Barbara zum Wandern in der Rhön war, lernten sie unter der Anleitung eines befreundeten Gitarrenspielers ganze Liederbücher auswendig.

„Es war trotzdem eine schöne Saison mit interessanten Touren, und mit dem Wetter haben wir in der Regel auch großes Glück gehabt“, analysiert Lorentz den Wander-Sommer 2013. Der pensionierte Zahnarzt aus Seth organisierte vor einer Woche eine Tour zum Naturschutzpark Höltigbaum. Auf dem Parkplatz Eichberg in Hamburg-Rahlstedt hat sich die Segeberger Gruppe getroffen – und dann ging es über 16 Kilometer hinüber zum bekannten Stellmoorer Tunneltal.

„Naturschutz statt Kettenrasseln“ hat Wanderführer Lorentz seine Tour genannt. Warum Kettenrasseln? Auf dem 558 Hektar großen Gelände hatte seit 1937 die deutsche Wehrmacht und von 1980 bis 1995 die Bundeswehr ihre Panzer durch die offene Hügellandschaft mit vielen Knicks und Tälern gescheucht.

Heute ist der von der Weichsel-Eiszeit vor 20.000 Jahren geprägte Naturpark Höltigbaum eine faszinierende Landschaft. Wo früher die Panzer rasselten, liegt jetzt weites, savannen ähnliches Grasland, auf dem Heidschnucken-Herden, Galloway- und Havannenrinder ganzjährig weiden.

Die Segeberger Wanderer haben ein abwechslungsreiches Tourenjahr hinter sich. Sie erlebten den Mecklenburger Frühling und die Holsteinische Schweiz, sie besuchten die Karpfenstadt Reinfeld, sie wanderten um den Ratzeburger See und durch den Eutiner Schlosspark, sie spazierten – immer im Vier-Kilometer-Stundenschnitt – vom Stocksee zum Plöner See, sie grillten im Wildpark Trappenkamp Würstchen und Steaks.

Sie wanderten zur Heideblüte durch die Barker Heide und den Segeberger Forst, und sie trafen sich in Bad Oldesloe zu einem Rundgang entlang der Trave. Auch das Kloster Nütschau war ein beliebtes Ziel.

Verirrt haben sie sich nie, denn dafür sorgen die Wegewarte. Oft waren Roger Lorentz und sein Stellvertreter Udo Gloede aus Bad Segeberg unterwegs, um die Wanderwege zu markieren, zuletzt am Segeberger See. „Eine regelmäßige Überprüfung und Erneuerung fehlender Zeichen an Bäumen und Pfählen ist für die Sicherheit der Wanderer wichtig“, sagt Udo Gloede.

Sie gehören, wie Barbara Lorentz auch, zu den 20.000 ehrenamtlich tätigen Wegewarten der deutschen Wandervereine. Sie tragen zu einer besseren Infrastruktur bei, schneiden Wege frei, zeichnen die Wanderwege aus und helfen, die Wege in einem guten begehbaren Zustand zu erhalten. Pinsel, Pinselhülle, Wasserflasche, Farbgläser mit Schraubverschluss, Dreieckkratzer, Drahtbürste, Gartenschere und Klappsäge gehören zu ihrem Handwerkszeug.

Die Segeberger Wanderer sind ein besonderer Menschenschlag, denn Hitze, Kälte, Schnee und Eis halten sie nicht von manchmal auch längeren Märschen ab. „Nur zweimal in den vergangenen Jahren fiel eine geplante Wanderung aus“, erinnert sich Roger Lorentz. „Im Sommer 2012 war es einmal so heiß, dass mir am Treffpunkt der Schweiß in Strömen den Körper herunterlief. Ich habe lange gewartet, aber es kam keiner, der an diesem Tag wandern wollte.“