Bürger-Solaranlagen laufen in Henstedt-Ulzburg, in Bad Bramstedt und in Alveslohe. Nur in Norderstedt herrscht Sonnenfinsternis – ausgerechnet, hat sich die Stadt doch der Nachhaltigkeit verschrieben.
Norderstedt. „Die Stadt hat den Anschluss verpasst“, sagt Michael Ramcke, Aufsichtsrat der Solarinitiative Norderstedt (SIN). „Wir haben viel versucht, sind aber mit dem Versuch gescheitert, auch in Norderstedt eine Bürgersolaranlage zu installieren“, sagt auch Thomas Leidreiter, langjähriger Geschäftsführer des inzwischen insolventen Solarzentrums Norderstedt.
Vor Jahren, als der Bund noch richtig Geld für Solarstrom zahlte, hat sich Leidreiter Partner in Henstedt-Ulzburg und Bad Bramstedt gesucht. 155 Bürger und Unternehmen zeichneten 640 Anteile zu je 500 Euro, den Rest der Investitionssumme von rund einer Million Euro gab es von der Bank. Die gut 4000 Quadratmeter Modulfläche auf öffentlichen Gebäuden werden dieses Jahr, so Leidreiter rund 435.000 Kilowattstunden Sonnenstrom liefern. „Das reicht, um 125 Haushalte zu versorgen“, sagt der Norderstedter, der 2010 zusammen mit den Genossen die größte Anlage der Region in Betrieb nahm. Im Vorjahr folgte die Bürgersolaranlage in Bad Bramstedt, die Strom für 100 Haushalte produziert, die Energie aber noch zu den lukrativen Vergütungen ins allgemeine Netz einspeist.
Während sich bundesweit mehr als 80.000 Menschen in Energiegenossenschaften für die Energiewende von unten engagierten, blieb die große Sonnen-Offensive in Norderstedt aus, hielten sich Stadt und Stadtwerke zurück. Zwar baute auch der örtliche Energieversorger Fotovoltaik-Anlagen, die letzte auf dem Dach der neuen Arriba-Schwimmhalle, aber: Die Geschäftsführung setzt andere Schwerpunkte bei der örtlichen Energiewende. Blockheizkraftwerke sind der eine Baustein, messen, regeln und sparen mit der in der Stadt vorhandenen modernen Datentechnologie von wilhelm.tel der zweite. Das Engagement für den Sonnenstrom lastete auf ehrenamtlichen Schultern. Lothar Braune rief die Solarinitiative Norderstedt (SIN) ins Leben, die als Vermittler auftritt, Norderstedter sucht, die ihre Dächer zur Verfügung stellen, mit Herstellern zusammenarbeitet und die Montage organisiert. Angesteckt von der allgemeinen Energiewende-Euphorie, gab Braune das Ziel aus, 1000 Dächer bis zum Jahr 2020 mit Fotovoltaik-Modulen zu bestücken. Die Realität sieht anders aus: Gerade mal 30 Hausbesitzer haben sich von SIN eine Solaranlage aufs Dach setzen lassen, manche ihre Kapazitäten noch zu Zeiten der Spitzenförderung erweitert. 2010 und 2011 kamen 120 Solarstrom-Module auf Norderstedter Dächern hinzu. Doch zum vorigen April kürzte die Bundesregierung die Vergütung. Sie wollte den Galopp der Strompreise durch die steigenden Abgaben stoppen.
Das bedeutete auch das Aus für das bescheiden Fotovoltaik-Engagement in Norderstedt: „Wir werden den Mitgliedern vorschlagen, den Laden dicht zu machen, solange wir den Mitgliedern noch Geld zahlen können“, sagt SIN-Aufsichtsrat Ramcke. Der Bund zahle 26 Prozent weniger für den ins Netz eingespeisten Strom, da lohne die Installation einer Solaranlage nicht mehr. Regelmäßige Kosten für Buchhaltung und Steuerprüfer zehrten an den Reserven der SIN, zudem fehlten Ehrenamtler, die die Genossenschaft führen und zusammenhalten.
Dass die Förderung nun deutlich geringer ausfällt, erschwert auch den Start von ZukunftsEnergie Norderstedt. Seit Jahren scharrt die Solar-Genossenschaft mit den Hufen, doch bisher hat nicht mehr vorzuweisen als den guten Willen, große Anlagen wie die in Bad Bramstedt oder Henstedt-Ulzburg zu installieren. „Die Hindernisse waren bis jetzt einfach zu hoch“, sagt Stefan Witt von der Genossenschaft. Vor Jahren sollte das Rathaus mit Fotovoltaik-Modulen bestückt werden. Doch da waren, so Witt, die Auflagen der Berufsgenossenschaft zu hoch, um eine angemessene Rendite zu erzielen. Nächstes Objekt war das Dach des Bauhofes an der Friedrich-Ebert-Straße. Doch auch hier gab es Gegenwind: „Das Gebäude können jederzeit umgebaut werden, und da seien Kollektoren auf dem Dach hinderlich“, sagt Witt.
„Wir werden sehr genau prüfen, was da noch machbar ist, aber aufgeben wollen wir nicht“, sagt Witt. Thomas Leidreiter formuliert es drastischer: „Der Markt ist tot.“ Der ehemalige Geschäftsführer des Solarzentrums Norderstedt und Motor der Bürger-Solaranlagen in Henstedt-Ulzburg und Bad Bramstedt, ist selbst Opfer der Energiepolitik von CDU und FDP. „Die Regierung hat die Fördersätze zum April 2012 nicht nur drastisch gekappt. Doch nicht nur die Kürzung an sich hatte dramatische Folgen, sondern auch, dass das Vorhaben mit der heißen Nadel gestrickt und der Zeitplan viel zu eng war“, sagt Leidreiter. Die Branche sei bis heute tief verunsichert, nach Branchenangaben ist jeder fünfte Arbeitsplatz verloren gegangen. Auch Leidreiter musste Insolvenz anmelden, 13 Mitarbeiter mussten gehen.
„In zwei Jahren sind mir 80 Prozent des Umsatzes weggebrochen“, sagt der Solar-Experte, der als Einzelkämpfer weiter macht und sein Know-how als Berater vermarkten will. der 53-Jährige beliebt Vorstand der Bürger-Solaranlage Henstedt-Ulzburg, legt dieses Amt aber für das Sonnenkraftwerk in Bad Bramstedt nieder. Dort habe er 15.000 Euro durch die Insolvenz nicht rechtzeitig an die Bürger-Genossenschaft zahlen können, das habe sich aber nicht auf die Dividende von vier Prozent ausgewirkt. Auf der Generalversammlung hatten die Mitglieder ihm keine Entlastung erteilt, um eventuell später noch Schadenersatz geltend machen zu können. Leidreiter bot darauf hin seinen Rücktritt an, der Aufsichtsrat nahm das Angebot jetzt an.
Er wird zum 1. Oktober durch Claudia Wisy ersetzt. Die Rechtsanwältin aus Bad Bramstedt rückt als stellvertretendes Vorstandsmitglied nach, Vorstand bleibt Jan-Uwe Schadendorf. Wisy gehört bislang dem Aufsichtsrat der Genossenschaft an. „Dem scheidenden Thomas Leidreiter dankt der Aufsichtsrat für seine Aufbauarbeit und für seine mehr als zweijährige ehrenamtliche Tätigkeit für die Genossenschaft“, sagt Aufsichtsrats-Chef Fritz Bredfeldt.
„Leben mit der Energiewende“ heißt der Film von Frank Farenski den die Gruppe Erneuerbare Energien der „ZukunftsWerkStadt Norderstedt“ am Montag, 30. September, von 18.30 Uhr, in den Räumen der Volkshochschule zeigt. Der Eintritt ist frei, Anmeldung unter 040/53595900. Die These des Films: Erneuerbare Energien sorgen in der Zukunft für eine bezahlbare Stromversorgung. Außerdem zeigt Thomas Eckel von der Gruppe Bürger-Kraftwerk, wie man seinen eigenen Strom mit einem Solarmodul selber erzeugen kann.